IT in Versicherungen/Neues Provisionssystem bei der Inter Versicherung

Die Vertragsgestaltung von zu viel Individualität befreien

04.02.2000
Neue Versicherungsprodukte müssen schnell auf den Markt gebracht werden, denn die Konkurrenz schläft nicht. Die sich ständig wandelnde Marktlage erfordert flexible Lösungen - unter anderem durch eine effizientere Mitarbeiterverwaltung. Nicole Büttgen* schildert, wie die Inter Krankenversicherung, Mannheim, vorging.

Für Versicherer wird es immer wichtiger, ihr Unternehmen strategisch und technologisch auf die neuen Erfordernisse des Markts einzustimmen. Ein Aspekt ist hierbei die Modernisierung der DV-Landschaft als Grundlage für alle softwareseitigen Entwicklungen. Diesen Prozess hat die Inter Versicherung bereits 1990 begonnen.

Das Unternehmen beschäftigt rund 2300 Mitarbeiter im Innen- und Außendienst und ist als Gruppe in den Sparten Kranken-, Lebens- sowie Sach- und Haftpflichtversicherung am Markt aktiv. Um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, hieß die Herausforderung: Optimierung der Geschäftsprozesse und Beseitigung von Sonderfällen, die meist einen manuellen Eingriff in der Bearbeitung zur Folge haben.

Bei der Projektplanung wurden einige Ziele als vorrangig definiert:

-Ablösung der Anwendung für den bisherigen Außendienstmitarbeiter-Stamm durch eine Außendienstmitarbeiter-Verwaltung inklusive Vertragsschreibung,

-tagesaktuelle Berechnung der Produktion/Provision,

-Berechnung der Führungsprovisionen über alle Hierarchieebenen hinweg,

-Erstellen einer Abrechnung über alle Sparten hinweg inklusive versicherungsfremder Produkte,

-Gewährleistung der Fremdwährungsfähigkeit sowie

-grafische Oberfläche der Anwendungen.

Daraufhin wurde ein Pflichtenheft erstellt, man besah sich den Softwaremarkt und führte eine Soft-Gap-Analyse durch.

Die Auswahl fiel schließlich auf das Softwarehaus Alldata in Düsseldorf und dessen Standardsoftware "Allis VS". Mit ihren Modulen "Verwalten" und "Vergüten" bietet sie Administratoren umfangreiche Konfigurations-dialoge. Weitere Leistungsmerkmale sind die Komponentenbauweise, die Skalierbarkeit sowie die fachliche Flexibilität. Diese basiert auf einem frei konfigurierbaren Regelwerk für einzelleistungsbezogene Vergütungen und auf dem Einsatz eines Formeleditors. Im Juli 1998 wurden die Verträge geschlossen.

Im November 1998 wurde die erste Testversion "Verwalten" bereitgestellt. Das Modul dient der Darstellung aller Geschäftsvorgänge bei der Personalverwaltung des Außendiensts, die durch die Beziehung mit einem Vertriebsmitarbeiter entstehen können. So gibt es Auskunft über dessen Einstellungsstatus, seine bisherige berufliche Laufbahn, das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, seine Qualifikationen sowie über vorhandene geschäftliche Beziehungen. Im Juni 1999 folgte die Produktionseinführung des Moduls "Verwalten" zur Unterstützung der priorisierten Geschäftsvorfälle. Im Oktober 1999 wurde die maschinelle Vertragsschreibung eingeführt; die Vervollständigung des Moduls "Verwalten" war im November abgeschlossen. Zudem wurde die erste Testversion des Moduls "Vergüten " installiert, das die Produktionen und Provisionen aller am Geschäft beteiligten Vermittler ermittelt. Bei den Berechnungen werden die Besonderheiten wie Bemessungsgrundlagen und Haftungsregularien der einzelnen Sparten berücksichtigt. Es bucht alle Produktions- beziehungsweise Provisionsbewegungen und saldiert zu einem bestimmten Termin je Monat. Die Daten werden an die Mitarbeiterabrechnung weitergegeben. Bei der Inter Versicherung schuf man hierfür eigens eine Schnittstelle zu SAP/HR. Im Juli dieses Jahres soll die Komponente "Vergüten der Sparte Unfall und Leben" zum Einsatz kommen und im September schließlich die Komponente "Vergüten der Sparten Kranken und Sach" eingeführt werden.

Die Datenhaltung erfolgt zentral auf dem Main-Server, einem OS/390. Die Daten zum Modul "Verwalten" werden über die grafische Benutzeroberfläche unter Windows NT fast ausschließlich im Dialogmodus bearbeitet. Der Kern des Moduls "Vergüten" besteht aus Batch-Programmen, die direkt auf der OS/390 ablaufen und auch auf die DB2-Datenbank zugreifen.

Allis VS wird in der Abteilung Vertriebsunterstützung eingesetzt. Derzeit nutzen rund zwölf Mitarbeiter das Modul "Verwalten", dessen vorrangige Aufgabe im Verwalten der Außendienstmitarbeiter-Verträge besteht. Mit dem Produktivstart von "Vergüten" - zur Berechnung der Produktion/Provision - ist geplant, den Arbeitsablauf von acht weiteren Mitarbeitern mit der Software zu unterstützen.

Ein für Versicherungen typischer Arbeitsablauf sind die Verwaltungsvorgänge bei der Einstellung eines Außendienstmitarbeiters. Hier geht es darum, die Stamm- und Vertragsdaten wie zum Beispiel die Vertragsart, Provisionssätze, Garantien und feste beziehungsweise variable Vergütungen zu speichern. Außerdem muss geprüft werden, ob die benötigten Unterlagen des Außendienstmitarbeiters vorliegen: so beispielsweise Lebenslauf, Führungszeugnis, die Kopie des Personalausweises und Auskünfte über dessen wirtschaftliche Situation.

Die entsprechenden Daten werden in das System aufgenommen und um Angaben zu Ausbildungsgängen und früheren Arbeitsstellen ergänzt.

Für die Erfassung der Vertragsdaten wurden Standards je Mitarbeitervertragsart definiert, wobei der Anwender jedoch noch Einzelauswahlen treffen muss. Letzter Arbeitsschritt: das Ausdrucken des Vertrags über eine Schnittstelle zur Textverarbeitung.

Die in Allis VS integrierte eigenständige Außendienstmitarbeiter-Partnerverwaltung wurde bei der Inter mit dem zentralen Partnersystem synchronisiert. Dazu entwickelte die Inter eigene Programme, die diese redundante Datenhaltung ermöglichen. Durch das ADM-Partnersystem lassen sich verschiedene beziehungsweise parallele Hierarchien sowie die Historisierung der Verträge und ihrer Beziehungen darstellen.

Alles in allem zeigten sich nach der Einführung folgende Veränderungen:

-Die große Individualität der bisher geschlossenen Außendienstmitarbeiter-Verträge, die im Altsystem noch vorhanden waren, ließ sich abbilden.

-Parallel zur Projektarbeit wurden die Verträge standardisiert. Die Arbeit in der Abteilung gestaltete sich effizienter.

-Ein wichtiges Effizienzkriterium war die durchgängige Sachbearbeitung durch einen Mitarbeiter. Sie wird durch die Geschäftsvorfallorientierung des Moduls "Verwalten" unterstützt.

Die Inter erwartet weiteren Nutzen durch

-die tagesaktuelle Verprovisionierung sämtlicher angebotenen Produkte,

-eine Straffung der Geschäftsprozesse,

-strukturiertere Informationen zur Vertriebssteuerung,

-die Reduzierung von manuellen Tätigkeiten und

-die schnelle Einführung von neuen Versicherungsprodukten seitens der Produktion und Provision.

Die meisten Anforderungen werden durch die Standardsoftware bereits abgedeckt, doch gab es auch zusätzliche individuelle Ergänzungen.

Ganz oben in der Nutzen-Liste steht aber eine transparente Provisionsabrechnung für alle Sparten beziehungsweise Produkte. Die Ermittlung der Führungsprovisionen geschieht künftig nicht mehr über die organisatorische Vorgabe der Außenstellen, sondern über die hinterlegte Vertriebshierarchie. Außerdem bietet das System den Vorteil einer nachvollziehbaren Darstellung der Außendienstmitarbeiter-Abrechnung. So erhalten die Außendienstmitarbeiter der Inter künftig einen deutlich besseren Service.

Angeklickt

Das Problem bei der Inter Versicherung ähnelt dem vieler Unternehmen in der Branche. Bei der Vertragsgestaltung mit den Außendienstmitarbeitern herrscht eine große Individualität. Die Zahl der Ausnahmen übersteigt die der Regelfälle. Wenn sich diese Individualität nicht über Parameter von außen in ein DV-System einpflegen lässt, sondern über Programmänderungen abgebildet werden muss, ist die Grenze der Wartungsmöglichkeit solcher Systeme schnell erreicht. Die Produktions-/Provisionsanwendungen bei der Inter hatten ein Alter von 17 Jahren erreicht und waren in der modernen Anwendungslandschaft des mittelständischen Unternehmens ein regelrechtes Fossil.

Die Versicherung

Die Unternehmen der Inter sind die Inter Krankenversicherung aG, die Inter Lebensversicherung aG und die Inter Allgemeine Versicherung Aktiengesellschaft. Die Inter-Gruppe gehört zu den großen berufsständischen Versicherern für Ärzte, Zahnärzte, selbstständige Handwerksmeister und Beamte. Sie bietet eine abgerundete Palette von individuellen Produkten für Vorsorge, Gesundheit, Schadensabsicherung, Finanzierung und Bausparen. Das Unternehmen mit insgesamt 2300 Mitarbeitern hat seinen Hauptsitz in Mannheim und ist durch zahlreiche Bezirksdirektionen flächendeckend in ganz Deutschland vertreten. Es gibt Niederlassungen in Luxemburg und Polen. Darüber hinaus ist die Inter Mehrheitsaktionär bei der Bausparkasse Mainz (BKM). Mit der Freien Arzt- und Medizinkasse der Angehörigen der Berufsfeuerwehr und Polizei VVaG (FAMK) ist sie durch Organbesetzung im Vorstand verbunden. Die Inter Versicherung wurde 1926 in Ludwigshafen am Rhein als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (aG) gegründet.

Die Gruppe

Kennzahlen Inter-Gruppe 1998 (ohne BKM und FAMK):

Beitragsaufkommen: 1,24 Milliarden Mark

Bilanzsumme: 4,98 Milliarden Mark

Kapitalanlagen:4,79 Milliarden Mark

Kapitalerträge:433,6 Millionen Mark

*Nicole Büttgen ist Projektleiterin bei der Inter Krankenversicherung.