Die unglaubliche SAP-Geschichte Dieter Eckbauer

02.09.1994

In seinem Gastkommentar (Seite 8) klagt Heinrich Brill, vielen DV- Verantwortlichen fehle der Mut zu kaempfen. Fehlleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnik (IT), der DV-Anwendung, wuerden ausschliesslich den Spezialisten angelastet - zu Unrecht, meint Brill, der bei den CW-Lesern offene Tueren einrennt. Die externen Kritiker erreicht er mit seiner Gegenkritik nicht, und wenn er sie erreichte, sie wuerden wohl - mehr irritiert als indigniert - den Kopf schuetteln. Egal, wie hoch man die DV-Kompetenz der Profis oder der Manager beziehungsweise der Anwender bewertet und wie weit diese Einschaetzung von der Realitaet abweicht, die Schuldigen, zumindest die Ignoranten, sind hierzulande immer "die anderen" - wenn es ueberhaupt zu oeffentlichen Auseinandersetzungen ueber IT- Fragen kommt.

Die Verstaendigung zwischen den Gruppen (Manager, Informatiker, Anwender) klappt nicht, von einem Konsens sind wir noch weit entfernt. Was die Management-Seite betrifft, ist dies indirekt auch ein Medienproblem. Die Publikumspresse bedient ihre Leser mit Horrorstories oder Jubelgeschichten aus der schaurig-schoenen Computerszene, wie es ihr gerade ins Auflagenkonzept passt - kein Anlass, bereits von einer "Information Society" zu sprechen, auf die wir geradewegs zusteuern sollen (Seite 4).

Der CW-Redaktion kann es nicht gleichgueltig sein, wie die deutsche Oeffentlichkeit ueber IT-Themen informiert wird - die DV- Spezialisten (siehe Brill-Schelte) muessen es ausbaden. Mehr als knurren und murren koennen wir nicht. Dazu ein aktuelles Beispiel - und wir meinen hier nicht das Medienspektakel um den geplanten "Spaetzle-Highway" in Baden-Wuerttemberg, obwohl sich auch daran gut zeigen liesse, wie Nachahmung (Clintons "Information Superhighway") zur Masche wird, gefaehrlich in seiner Mischung aus Angst, den Anschluss zu verlieren, und Naivitaet.

Es geht um einen "SPIEGEL"-Artikel. Es ist nicht anzunehmen, dass die Darstellung zur SAP-Situation die Meinung des SAP-Chefs Dietmar Hopp falsch wiedergibt. Fuer SAP, so Hopp in dem Bericht des Hamburger Nachrichtenmagazins, koennte sich "ein Markt von ganz unglaublichen Dimensionen" auftun. Doch was als Tatsachenschilderung daherkommt, wie die "SAP-Erfolgsstory" im "SPIEGEL", kann leicht zu Fehlinterpretationen fuehren - eine Immuntherapie gegen PR-Artikel existiert leider noch nicht.

Dabei haette es Hopp gar nicht noetig, sich derart in den Himmel heben zu lassen. Nehmen wir an, dass es der "Beschenkte" selbst als peinlich empfindet. Wer SAP kennt, wird ohnehin nur schmunzeln koennen, wuerde da nicht ein boeser Ausspruch in der "SPIEGEL"- Geschichte von ihrem Verfasser unreflektiert wiedergegeben. "Ohne SAP", zitiert das Magazin einen Experten der Gartner Group, "wuerde die deutsche Wirtschaft zusammenbrechen." Sind die Unternehmer so ahnungslos, oder tun die nur so? Nehmen wir an, dass der Gartner- Guru dazu mehr zu sagen gehabt haette - dann waere die Story anders ausgegangen. Dann waere vielleicht auch Hopp das Lachen vergangen. Noch irgendwelche Fragen?