Pilotprojekt in der Stadtverwaltung Duisburg:

Die TV als Vehikel für die Bürokommunikation

14.12.1984

Bei der Stadtverwaltung Duisburg werden seit längerem Anwendungen der computerunterstützten Textverarbeitung als Entwicklungsschwerpunkt gesehen. Dieter Steffen vom Hauptamt der Stadt legt Im folgenden Beitrag dar, daß die laufenden Entwicklungsarbeiten zur Textverarbeitung nicht isoliert betrachtet werden, sondern vielmehr ein wesentlicher Bestandteil bei der Konzeption, Entwicklung und Implementierung auto-

matisierter Bürosysteme sind.

Bei allen Bemühungen, Effizienzsteigerungen durch eine technikunterstützte Informationsverarbeitung anzustreben, müssen die typischen Strukturmerkmale einer öffentlichen Verwaltung berücksichtigt werden:

- das Verwaltungshandeln wird regelmäßig umfassend in Texten festgehalten,

- diese Texte müssen aufgrund einer arbeitsteiligen Aufgabenwahrnehmung einer Vielzahl von Personen übermittelt werden,

- sie werden in der Regel mehrfach registriert und archiviert.

Die Arbeitsweise der Duisburger Verwaltung wird wesentlich durch eine sehr dezentrale Aufgabenwahrnehmung in sieben Bezirksämtern geprägt.

Zur Abwicklung der gesetzlichen Aufgaben, der Ratsbeschlüsse und der laufenden Geschäfte sind bei der Stadtverwaltung rund 10 00 Mitarbeiter tätig, davon etwa 6000 an Büroarbeitsplätzen.

Insgesamt sind innerhalb der Verwaltung 48 Fachämter für die Aufgabenwahrnehmung zuständig, sie sind in 55 städtischen Verwaltungsgebäuden untergebracht.

Zirka 70 Prozent der Mitarbeiter in der "Inneren Verwaltung" sind in der Sachbearbeitung für die umfangreichen Aufgaben einer Kommunalverwaltung tätig, rund 20 Prozent nehmen unterstützende Funktionen wahr. Davon sind alleine über 300 Mitarbeiterinnen in Sekretariats- und Schreibbereichen tätig.

Gerade innerhalb einer öffentlichen Verwaltung ist es typisch, daß an einem Vorgang regelmäßig mehrere Aufgabenträger beteiligt sind. Die Erstellung schriftlicher Informationen - Textverarbeitung - kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Nahezu jede schriftliche Nachricht stellt eine Teilleistung oder Vorleistung im gesamten Leistungsprozeß dar. Vor allem die Zeiten für die Erstellung von Schriftstücken sowie die Durchlaufzeiten dieser schriftlichen Kommunikationsvorgänge innerhalb der Verwaltung haben eine unmittelbare Auswirkung auf die Arbeitsproduktivität der Verwaltung.

Flächendeckendes Netz von Textsystemen

Deshalb werden bei der weiteren Einführung von Textsystemen neben den üblichen Unterstützungsfunktionen für die Textbe- und -verarbeitung sowie der Aktenverfolgung und der Unterstützung bei der Informationsbeschaffung und -speicherung vor allem die Unterstützung der Kommunikation zwischen allen Verwaltungsstellen und externen Stellen (Bürger, Behörden und andere) berücksichtigt.

Aufgebaut wird ein flächendeckendes Netz von eingesetzten Textsystemen, das gleichzeitig die Möglichkeit der Bürokommunikation bietet. Das langfristige Ziel einer umfassenden technikunterstützten Informationsverarbeitung wird nur über Zwischenstufen erreichbar sein. Im Hinblick auf dieses Ziel ergeben sich folgende kurz- und mittelfristige Ansatzpunkte:

1) Eine attraktivere und produktivere Gestaltung des Sekretariats/Schreibarbeitsplatzes durch die Unterstützung bei allen Aufgaben der Textverarbeitung einschließlich der Aktenverfolgung, in dem alle notwendigen Textbearbeitungsfunktionen und sämtliche standardisierbaren Vorgänge mit Textbausteinen/Ganzbriefen zur Verfügung gestellt werden, Checklisten und Masken für die Sachbearbeitung und das Führen einer elektronischen Akte bereitgehalten werden, automatisch Termine überwacht und statistische Auswertungen durchgeführt werden.

2) Eine Erweiterung der bisher durch DV-Anwendungen unterstützten Sachbearbeitung durch das Einbeziehen von Dokumentation zur Information und/oder Weiterverarbeitung.

3) Eine langfristig gesehen gleichrangige Behandlung von Daten, Texten und Abbildungen durch den Aufbau elektronischer Kommunikationswege und die zentrale Speicherung/Archivierung.

Die eingesetzten Textsysteme sind für die dezentrale Verarbeitung von Texten und Daten im Großrechnerverbund konzipiert. Eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau eines Netzes für die Kommunikation ist der inzwischen erfolgte Anlageverbund von zehn Telefonvermittlungssystemen bei der Stadt Duisburg, die über einen BSC-Anschluß mit dem DV-Doppelrechnersystem gekoppelt sind.

Zur wirtschaftlichen Bedarfsdeckung an Datenstationen soll der Betrieb von Datenendeinrichtungen bei jeder Nebenstelle möglich sein. Die Fernsprechanlagen bieten für die Aufnahme und Weitergabe sowie für das Speichern von Daten die entsprechenden Voraussetzungen. Zwingende Notwendigkeit war dazu der Direktanschluß aller Anlagen an die vorhandene DV-Anlage. Die Mehrfachnutzung des vorhandenen Leitungsnetzes und der Vermittlungssysteme für Sprach- und Datenkommunikation sind sichergestellt. Dabei werden Verbindungswege für den Fernsprechverkehr in den Systemen vom Datenverkehr nicht blockiert.

Die Verbindung der jeweiligen Textsysteme mit der DV-Anlage setzen eine Sternstruktur des Netzes voraus, die sich aufgrund der regionalen Gegebenheiten einer stark dezentral organisierten Großstadtverwaltung anbietet.

Wesentlich: Fähigkeit zur Kommunikation

Im Hinblick auf das Ziel einer weitgehenden Integration wird die Kommunikationsfähigkeit zwischen den verschiedenartigen Produkten, die innerhalb der Verwaltung im Einsatz sind, von immer größerer Bedeutung. Zwingend notwendig ist es, in einem Netzwerk von Datenstationen und Rechnern die Kommunikationsfähigkeit sicherzustellen. Innerhalb der Stadtverwaltung Duisburg wird durch Einsatz entsprechender Software die Vernetzung der installierten Textsysteme und der Hostrechner zu einem Textverbund erreicht. Dadurch können Dokumente und Nachrichten von jedem Bildschirm eines Textsystems aus innerhalb des Netzwerkes verteilt und empfangen werden. Die Funktion "Elektronische Post" dient dem Versand von Nachrichten an andere Teilnehmer und der Verwaltung der elektronischen Postkörbe der Benutzer. Es können mehrere Prioritätsstufen vergeben und als Empfänger Gruppenverteiler benannt werden. Hohe Anforderungen an den Technikeinsatz ergeben sich daraus, daß die Verwaltungskommunikation stark personenbezogen und nicht nach fixierten Regeln abläuft.

Für jeden Benutzer wird ein individuelles Posteingangs- und -ausgangsbuch geführt. In das Posteingangsbuch wird in chronologischer Reihenfolge jede Nachricht oder jedes

Dokument eingetragen, das an den betreffenden Benutzer geschickt wurde. Zusätzlich wird für jeden Benutzer ein Wiedervorlagebuch geführt. Hierin werden automatisch alle Dokumente eingetragen, die der Benutzer in seinem Posteingangsbuch mit einem Wiedervorlagetermin versehen hat. Außerdem können persönliche Vermerke eingetragen und damit auf Termin gelegt werden.

Alle Texte werden in einer zentralen Textbibliothek mit einem Index zum späteren Wiederauffinden gesuchter Informationen gespeichert. Jeder Benutzer an einem Textsystem kann einen Text aus dem Permanentspeicher seines Subsystems in der zentralen Textbibliothek ablegen. An jedem Textsystem wird ein gemeinsamer Postkorb für alle Benutzer unterhalten. Jeder einzelne hat aber nur Zugriff zu den Dokumenten, die an ihn persönlich adressiert sind.

In Zukunft: Büroarbeit als Einheit

Die ersten Pilotinstallationen zeigen, daß bei der Einführung derartiger Systeme ein relativ hoher organisatorischer (Umstellung von Arbeitsabläufen) und psychologischer (Umstellung der Denkgewohnheiten) Umstellungsaufwand einkalkuliert werden muß. Vor allem stellen sich unterschiedliche Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter.

Produktivitätssteigerungen werden sich zukünftig nur erzielen lassen, wenn die Büroarbeit als Einheit gesehen wird. Es genügt nicht, nur einzelne Kommunikationsvorgänge in Teilbereichen beschleunigt abzuwickeln, sondern möglichst alle. Die angestrebte Durchdringung der Verwaltung mit einem Netz von Büro(Kommunikations-)Systemen wird zukünftig entscheidend von zwei Faktoren beeinflußt:

1. Erhebliche Finanzprobleme und der daraus resultierende Zwang zur kurzfristigen Erreichung einer Wirtschaftlichkeit wird zukünftige Einführungsprozesse erheblich beeinflussen und einen zusätzlichen Erfolgsdruck auslösen.

2. Kritischer und sensibler gewordene Mitarbeiter akzeptieren neue technikunterstützte Bürosysteme nur, wenn die angebotenen Lösungen in der Lage sind, die eigenen Probleme am Arbeitsplatz zu lösen. Gleichzeitig wird von den Mitarbeitern - vor allem Schreibkräften -eine Humanisierung der Arbeitsplatzbedingungen gefordert.

Erkenntnisse aus den Pilotprojekten zeigen, daß der Einsatz von leistungsfähigen Textsystemen problemlos auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Anwender ausgerichtet und dadurch sehr schnell wirtschaftlich gestaltet werden kann. Dazu müssen arbeitsplatzbezogene Probleme in Gruppenarbeit mit allen Betroffenen analysiert und besprochen werden, um Veränderungsmöglichkeiten gemeinsam erschließen zu können.

Voraussetzung für eine aktive Mitarbeit aller Betroffenen ist die Vertrauenswürdigkeit des Technikeinsatzes. Die Mitarbeiter müssen davon ausgehen können, daß durch den Technikeinsatz ihre Arbeitsplatzprobleme gelöst werden können und Arbeitserleichterungen dadurch eintreten werden. Durch die Analyse und den Aufbau einer funktionsgerechten Textorganisation ergeben sich erhebliche organisatorische Gestaltungsmöglichkeiten in allen Bereichen.