Dataquest: Osteuropa bringt noch keine Verbesserung

Die traditionellen Anbieter sind die Verlierer im PC-Markt

08.05.1992

MÜNCHEN (CW) - Der Europäische PC-Markt steckt in einer Krise. Die Produkte werden immer austauschbarer, das Preis-Erlös-Verhältnis stimmt aus der Sicht der Anbieter nicht mehr. Die PC-Hersteller müssen sich auf neue Vertriebskanäle und technologisch originelle Konzepte konzentrieren, behauptet das Marktforschungsinstitut Dataquest. Doch auch dann werden sich keine großen Margen mehr erzielen lassen.

Für PC-Anbieter ist Europa längst kein Schlaraffenland mehr. Wie die britischen Analysten herausgefunden haben, wurden 1991 zwar noch neun Prozent mehr PC-Einheiten abgesetzt als 1990, rund 23 Prozent davon in Deutschland. Die geänderten Marktbedingungen Schlagen sich jedoch signifikant in den Umsätzen nieder, die um etwa 13 Prozent zurückgingen. Die derzeit mißliche Situation der PC-Branche führt Dataquest auf das instabile Preis-Leistungs-Verhältnis zurück. Bis Ende 1992 sollen sich die Preise zwar einpendeln, doch auch weiterhin werden die PC-Anbieter mit niedrigen Gewinnspannen rechnen müssen. Erschwerend wirke sich für die Hersteller überdies aus, daß es nur geringe Unterschiede zwischen den Produkten gebe. Die daraus resultierende Verunsicherung der Anwender habe den Marktforschern zufolge im europäischen PC-Markt zu einer Rezession geführt. Zu einem Kollaps wird es aber nicht kommen. Auch für die nächsten Jahre prognostizieren die Analysten steigende Verkaufszahlen, doch das Wachstum sei langsamer als in den Jahren zuvor.

Derzeit steht die IBM im europäischen PC-Markt an erster Stelle. Das Verhältnis von 13,6 Prozent Marktanteil nach Stückzahlen und 18,8 Prozent vom Umsatzkuchen läßt den Schluß zu, daß sich Big Blue noch im Hochpreis-Bereich bewegt. Auch Compaq hebt sich mit einem Umsatzanteil von 9,4 Prozent bei einem Anteil von 5,4 Prozent nach verkauften Einheiten deutlich von den übrigen Wettbewerbern ab. Am krassesten differiert das Verhältnis zwischen dem Marktanteil bei den Stückzahlen und dem Anteil am Umsatzwert bei Commodore. Obwohl 13,3 Prozent aller in Europa verkauften PCs von Commodore kommen, und das Unternehmen damit den zweiten Rang belegt, beträgt der Anteil am Gesamtumsatz nur 4,5 Prozent - die Rechner sind offensichtlich sehr knapp kalkuliert.

Geändert hat sich Dataquest zufolge das Kaufverhalten der Anwender. In Deutschland ging der Marktanteil der Desktop-Rechner von 85,8 Prozent (1990) auf 79,1 Prozent. Auch der Laptop-Anteil schrumpfte, und zwar von 6,9 Prozent auf 5,4 Prozent. Gestiegener Beliebtheit erfreuten sich dagegen die Notebooks. Bei dieser Kategorie schnellte der Marktanteil von 1,5 Prozent (1990) im Jahr 1991 auf 7,4 Prozent hoch.

Positiv scheint sich für Commodore, die deutsche Nummer eins, die Wiedervereinigung sowie eine stärkere Nachfrage von privaten Anwendern ausgewirkt zu haben.

Das Unternehmen steigerte sich im deutschen Markt von 17,5 Prozent (1990) auf 19,4 Prozent (1991). Anders als bei der IBM, deren PS/1-System laut Dataquest nicht die gewünschten Absatzzahlen bringt, sind die Commodore-Rechner besonders im privaten Bereich beliebt. "Auch Apple tendiert mehr als je zuvor in den privaten Markt", bemerkt Philippe de Marcillac von Dataquest Europe.

Kurzfristig erscheint es den Marktauguren jedoch unwahrscheinlich, daß Geschäfte mit Osteuropa zu signifikanten Absatzsteigerungen im PC-Markt führen werden. De Marcillac: "Es fehlt dort an den finanziellen Mitteln."

Als wichtig erachten die Marktbeobachter zudem, daß die PC-Hersteller neue Märkte erschließen. Besonders im Bereich der tragbaren Geräte, etwa Pentops oder Handhelds, ergäben sich hier interessante Möglichkeiten. Jedoch werden laut Dataquest diese neuen Technologien nicht vor 1994 zu einer wesentlichen Verbesserung der Marktlage beitragen, da deren Durchbruch vor allem von den verfügbaren Applikationen abhängt.

Die Rangliste im deutschen PC-Markt spiegelt 1991 einen neuen Trend wider: Während Anbieter von sogenannten Noname-Produkten Marktanteile gewinnen, müssen die seit Jahren am Markt etablierten Hersteller teurer Rechner erhebliche Abstriche machen. So rückte der Newcomer Vobis mit 9,8 Prozent aller in Deutschland verkaufter PC-Einheiten (1990: 5,6 Prozent) auf den zweiten Platz vor und verwies damit etablierte Unternehmen wie IBM (von 10,2 auf 9,7 Prozent), SNI (von 5,5 auf 4,2 Prozent) oder Compaq (von 4,2 auf 3,9 Prozent) auf die Plätze. Auch Escom, ebenfalls erst kurz am Mark, steigerte sich von 2,5 Prozent (1990) auf 4 Prozent(1991).

Diese Entwicklung wirkt sich auch auf die Vertriebspolitik aus. Im Gegensatz zu Anbietern wie Apple, IBM und Compaq, die ihre Rechner über den Fachhandel an den Anwender bringen, setzen junge Mitbewerber wie Vobis, AST, Escom oder Dell meist auf den Direktvertrieb. So registrierten die Analysten, daß 1991 mehr Rechner als 1990 über den direkten Vertriebskanal zum Kunden gingen. Auch die Bestellungen über Mail-Order, eine spezielle Variante im Direktgeschäft, nahmen zu.

"Die Newcomer machen einen guten Job", lobt de Marcillac, warnt jedoch davor, die Bedeutung dieser Unternehmen überzubewerten. "Die Neuemsteiger spielen noch keine dominierende Rolle." Der Direktvertrieb wird zwar laut Dataquest immer wichtiger, doch mittlerweile setzten auch traditionelle Anbieter, etwa DEC mit dem Konzept "DEC direkt", auf diesen Vertriebskanal. Durch Hersteller mit Direktvertrieb verstärkt sich laut Dataquest jedoch auch der Druck auf die Händler, die bisher am meisten verkaufen. Auch 1991 erzielten die deutschen Händler im Vergleich zum Vorjahr eine Absatzsteigerung. Obwohl im PC-Markt neue Vertriebswege erforderlich werden, werde sich dies, auf Europa bezogen, auch nicht so schnell ändern, behauptet de Marcillac.