Hohe Innovationsgeschwindigkeit bei Portable-Software:

Die Technik hat sich unterzuordnen

17.02.1984

Den "Trend" bei Portables gibt es nicht. Aber es bilden sich Produktgruppen heraus, die mit Anwenderwünschen korrespondieren, es gibt technische Entwicklungstendenzen, und es entwickeln sich unterschiedliche Vertriebsformen. Diese einzelnen zu betrachten, heißt, sich einen Überblick zum Stand von heute zu verschaffen - mehr nicht. Mit detaillierten und langfristigen Prognosen sollte man in einem derart stürmisch sich entwickelnden Markt vorsichtig sein.

Portables nach Produktgruppen getrennt zu betrachten, ist sinnvoll, wenn man sich vor Augen hält, daß die Preisspanne von 100 bis über 10 000 Mark (bei der Vicky) reicht - mit entsprechenden unterschiedlichen technischen Ausführungsformen.

Fünf Gruppen

Nimmt man in Kauf, daß das Ganze - wie jede Gliederung - letztlich ein Prokrustes-Bett ist, sollte man diese fünf Gruppen unterscheiden:

Hand-Held-Computer, "kommerzielle" Geräte (für den Gewerbetreibenden im Klein- und Mittelbetrieb, für den Freiberufler), ´´Executive"Computer (für jede Art von Managementtätigkeit), IEC-Geräte (im OEMBereich, im Meß- und Steuerungsbereich) und letztlich die Maschine für den "sophisticated freak".

Diese Unterscheidung hat zudem den Vorteil, daß sie nicht das Gerät alleine betrachtet, sondern den jeweiligen Softwareschwerpunkt einschließt und auch einen Blick auf die typische Anwendung richtet. Gerade die beiden letzten Punkte - Softwarezuordnung und -anwendungsbeispiele - sind Elemente, die (die Branche möge es verzeihen) in Werbeaussagen und Produktbeschreibungen noch sehr selten vorzufinden sind. Da ist häufig von fehlender Akzeptanz, von einem großen potentiellen Markt, dem ein zu kleiner tatsächlicher Markt gegenübersteht, und von ähnlichen Dingen die Rede - aber tun tut sich leider wenig.

Die Hand-Helds sind die logische Fortentwicklung des anspruchsvollen Taschenrechners: Es wird die Leistungsfahigkeit der Anzeigeneinheiten vom Zeilendisplay über den Plasmaschirm wachsen; es wird die Leistungsfähigkeit resistenter Programme wachsen und ebenso der Wunsch nach der "Datennabelschnur" Telefon wird zunehmen. Die Produktentwicklungen aller Hersteller zeigen in diese Richtung.

Den typischen Problemen des Klein- und Mittelbetriebs wenden sich - oder besser: sollten sich zuwenden - alle Geräte, die man als "kommerzielle Computer" bezeichnenkann. Je nach dazu herangezogener Statistik kann man davon ausgehen, daß zwischen 70 und 90 Pros zent aller Büroangestellten in Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten tätig sind. Das sind die klassischen Handwerks- und Einzelhandelsbetriebe, das ist die große Zahl kleinerer Dienstleistungsbetriebe.

Der klassische Portable, wie er von Osborne definiert wurde, ist eigentlich das ideale Gerät für diese Anwendergruppe, wenn das Gerät als Einheit mit für diesen Anwenderkreis geeigneter Software gesehen wird. Dazu gehören: ein Textprogramm, welches ohne große Schulung vom Anwender, der die Rechnungen zu schreiben und die Angebote zu erstellen hat, begriffen werden kann sowie Finanzbuchhaltung und Fakturierprogramme, Lagerverwaltungen, die ebenfalls diesem Anspruch genügen. Der Portable oder besser Lugable (das ist das bessere Wort, wenn man von 15 bis 20 Kilo ausgeht) ist deshalb hierfür das ideale Gerät, weil der typische Anwender sowohl in seinem Büro als auch zu Hause damit arbeiten muß.

Zwölf-Zoll-Monitor

Da es sich aber hierbei um Anwendungen handelt, die über das gelegentliche "Hineinschauen" hinausgehen, sind besondere Ergonomieanforderungen an die Geräte zu stellen. Der eingebaute Bildschirm wird in der Regel nicht ausreichen - also muß für die meist einzige Bürokraft, die Betriebe dieser Größenordnungen haben, mindestens ein 12-Zoll-Monitor anschließbar sein. Die Tastatur muß den ergonomischen Bedingungen entsprechen. Sonst kann es dem biederen Handwerksmeister passieren, daß er plötzlich im Konflikt mit der Berufsgenossenschaftsverwaltung steht, den er mit Sicherheit nicht wollte. Zur Pflicht des Anbieters gehort es jedenfalls, auf diese Dinge hinzuweisen.

Um es zu wiederholen: Diese Anwendungspunkte stehen im Vordergrund und nicht der verwendete Prozessor, die gewählte Taktfrequenz, und letztlich auch nicht die Kapazität der verwendeten Massenspeicher. Was nicht heißen soll, daß die Technik unwichtig wäre, nur: Sie hat sich der Anwendbarkeit unterzuordnen.

Den "Executive"-Computer sollte man als Portable bezeichnen, der keiner ist: In der Regel wird er stationär im Managerbüro eingesetzt. Da hier die gelegentliche Arbeit überwiegt, sind ergonomische Gesichtspunkte nicht zu vernachlässigen aber nicht mehr erstrangig zu sehen. Logisch, daß bei dieser Anwendergruppe der Wunsch nach Anbindungen an den hauseigenen Rechner weit oben steht. Auch zum "Executive"-Computer gehört untrennbar die passende Software. Er ist die klassische Anwendung aller SpreadSheets - kurz: alle Softwarewerkzeuge, die der Planung und Entscheidungsfindung dienen. Auch in diesem Bereich, vielleicht sogar vor allem hier, läßt sich eine hohe Innovationsgeschwindigkeit gerade bei der Software feststellen. Die Entwicklung ging sehr schnell von der "menügetriebenen" Lösung zum "Windowing" . Entsprechend lassen sich hier geradezu "Software-Hitlisten" aufstellen, die raschen Anderungen unterworfen sind.

Bei dieser Anwendung stellt sich die Frage nach Verarbeitungsgeschwindigkeit und nach der Speicherkapazität schärfer als etwa im kleinen Gewerbebetrieb. Entsprechend verallgemeinernd kann man sagen: Der Executive-Computer wird in der Regel teurer sein.

Als "geschlossene Gesellschlaft" stellen sich die "IEC-Computer" dar. Der Wunsch nach automatisierter Meßwerterfassung und -auswertung nimmt zu, nahezu jede klassische Werkzeugmaschine verlangt nach "intelligenter" Steuerung. Hier ist das Feld, bei dem der Techniker auf seine Kosten kommt und auf dem es notwendig ist, sehr sorgfältig technische Leistungsmerkmale detailliert zu vergleichen. Hier ist aber auch das Feld, wo es nur wenig sinnvolle Anwendungen für standardisierte Software gibt. In der Regel wird es sich um kundenspezifische Einzellösungen handeln.

Bleibt die Maschine für den "sophisticated freak", für denjenigen, der dem "Computersandkasten" längst gewachsen ist. Auch für ihn sollte man das Gerät als Einheit aus Hard und Software sehen: in diesem Falle als Einheit aus schneller Maschine mit großem RAM-Bereich, hoher Speicherkapazität und diversen Programmiersprachen, hübsch angereichert mit Softwareentwicklungswerkzeugen.

Falsch: Alles an alle

Fünf sehr unterschiedliche Produkt- und Anwendergruppen also. Kann das ohne Auswirkungen auf den Vertriebsweg bleiben? Mit Sicherheit nein. Darum sollte sich jeder nicht nur überlegen, was er kauft, sondern auch wo er kauft. Der "kommerzielle Computer" und - wenn auch in geringem Umfang - die "Executive-Maschine-" setzen den leistungsstarken, ortsnahen Fachhandel zu ihrer Vermarktung voraus. Darum ist jeder Hersteller gut beraten, der nicht nur sein Gerät, sondern auch die von ihm angesprochene Anwendergruppe sieht und seinen Vertrieb entsprechend aufstellt. Alles an alle verkaufen zu wollen, ist mit Sicherheit der falsche Weg.

Zur Technik: Prognosen sind schwierig. Durchgängige Trends werden jedoch sein: Zunahme der 16-Biter vermutlich zum Preis des heutigen 8-Bit-CP/M-Standards. Zunahme der Network-Fähigkeit und Zunahme der Leistungsfähigkeit der angebotenen Massenspeicher. Je nach Hersteller werden es Optic-Discs oder andere Medien sein.

*Michael J. Papst ist Geschäftsführer der Leuwico Electronic GmbH, Coburg.