Die Systemunterstuetzung laesst noch zu wuenschen uebrig Design von Windows NT folgt dem Trend zum Multiprocessing Von Detlef Borchers

16.09.1994

Ob Single- oder Multi-Prozessoren im Rechner arbeiten, spielt fuer die heutigen PC-Betriebssysteme keine grosse Rolle mehr: Sowohl NT und OS/2 als demnaechst auch Unixware von Novell sind in der Lage, SMP-Hardware direkt zu bedienen. Damit liegen die Anbieter voll im Trend, der in Richtung symmetrisches Multiprocessing geht. Dennoch ist die Freude an den Faehigkeiten der Betriebssysteme nicht ganz ungetruebt. Systemunterstuetzung und Utilities koennten besser sein.

Seit etwas mehr als zehn Jahren ist in der PC-Industrie bekannt, was die symmetrische Multiprozessortechnik leisten kann. 1983 hatte ein Elferteam die Firma Intel verlassen, weil es ueberzeugt war, auf der Basis der Intel-Prozessoren billige Cluster-Systeme entwickeln zu koennen. Die Gruendung der Firma Sequent Computer Systems war indes nur moeglich, weil Intel als einer der Voll- Lizenznehmer von Unix seinen Technikern das noetige Know-how vermittelt hatte, um Unix zu einem Multiprozessorsystem auf x86er Basis umzubauen. Seit der Premiere im Jahre 1984 hat Sequent mehr als 5500 Einheiten von seinen Systemen verkauft, die unter dem proprietaeren Dynix laufen. Da die Rechner vor allem gegen Pyramid und HP-Systeme positioniert waren, hatte ihre Konstruktion wenig mit der PC-Technik gemein.

C-Bus-Architektur als Basis fuer MP-Maschinen

Es dauerte dann sechs weitere Jahre, bis sich die Multiprozessortechnik von den fehlertoleranten Sequent-Systemen ins allgemeine Fahrwasser der Standardrechner wagte. Die von ehemaligen Sequent-Mitarbeitern gegruendete Firma Corollary stellte 1991 die erste Version ihres C-Bus II vor: Den hinteren Teil der EISA- und MCA-Karten belegte ein eigener 64 Bit breiter Bus, ueber den sich die Prozessoren dieser Boards verstaendigten. Sie verfuegten jeweils ueber 1 MB Cache und 4 MB eigenen RAM und wurden von einer Systemerweiterung des jeweiligen Betriebssystems kontrolliert.

In der ersten Spezifikation verkraftete der C-Bus II maximal 16 Prozessoren, heute sind 32 CPUs Standard (es gab auch einen

C-Bus I, eine CPU-Karte in ISA-Architektur mit einem 32-Piggy- Board und einem weiteren Prozessor). Auch die Integration in die restliche PC-Umgebung ist standardisiert, da Corollary in Zusammenarbeit mit Phoenix auch die BIOS-Baenke mit eigenen Entwicklungen fuellt.

Firmen wie Mitac, Zenith und Wyse, spaeter dann Acer, AST, Compaq und DEC, bauten in der Folgezeit ihre Multiprozessormaschinen auf der C-Bus-Architektur auf. Spezielle Netzwerk-Server wie die von Tricord, Parallan oder Netframe verwendeten modifizierte Varianten. Ein Vorteil der C-Bus-Loesungen sollte nicht vergessen werden: Sie war von Anfang an prozessorunabhaengig konzipiert und liess sich in den ersten Varianten sowohl mit Intel als auch mit MIPS-CPUs bestuecken. Zur Hoch-Zeit der ACE-Initiative (Advanced Computing Environment), bei der MIPS das Kronprinzchen spielte und Corollary den Universal-Bus besorgen sollte, trug die solchermassen eingebaute Unabhaengigkeit freilich erst Fruechte, als sich DEC in die Alpha-Entwicklung stuerzte.

Auch auf der Softwareseite hatte ACE seine Auswirkungen. Es erschienen verschiedene SMP-Varianten, allen voran die Unix- Version der Santa-Cruz-Operation. Als naechste folgte zumindest auf dem Papier das OSF/1 der Open Software Foundation. Die Firma Microsoft, die die ACE-Geschichte beerben wollte, setzte beim Design von Windows NT genau wie IBM auf den Trend zu SMP-Systemen.

Nur Novell ueberliess das Terrain den Spezialanbietern, die ihre Netware-Adaption zuallererst auf Redundanz auslegten: Auch die SMP-Server vom Typ eines

"Compaq Systempro" benutzten die zweite CPU unter Netware nur zur Ausfallsicherung des Hauptprozessors.

Novell selbst investierte erheblich mehr in seine "SFT-III"-Linie, bei der komplette Server gespiegelt werden. Die Vernachlaessigung dieser Schiene raecht sich heute bei Netware, das 1995 in einer SMP-Variante auf den Markt kommen soll, waehrend NT, LAN Server und Vines schon jetzt mit mehreren CPUs arbeiten.

Die Erfahrungen mit dem SMP-Einsatz in Netzwerken sind zwar noch recht gemischt, doch zeichnet sich bereits eine aehnliche Diskussion um das Leistungsverhalten ab, wie sie bei IBM vor zehn Jahren gefuehrt wurde. Im Vergleich zu den grossen Leistungsspruengen zwischen einem Ein- und einem Sechs-Prozessor-System sind die Zuwachsraten nach dem sechzehnten Prozessor eher mager. Da trifft es sich, dass IBM und Microsoft die wichtigste Clientel fuer ihre Angebote im Segment der Sechs-Prozessor-Maschinen sehen.

Tatsaechlich spielt die SMP-Architektur ueberall dort eine Rolle, wo sich die Nutzlast mehrerer Anwender unter den Prozessoren aufteilen laesst. Doch ist SMP nicht allein auf Netze und Multiuser- Umgebungen beschraenkt, es kann bei kostenguenstigen Leistungsrelationen noch ganz anders eingesetzt werden. Just dies macht ihre Attraktivitaet fuer moderne Betriebssysteme aus. Sowohl NT und OS/2 als demnaechst auch Unixware von Novell sind schliesslich in der Lage, SMP-Hardware direkt zu bedienen.

Der unmittelbare Nutzen dieser Technik kommt dann zum Tragen, wenn man den aktuellen Aufwand beseitigen kann, der mit der Emulation untergehender Systemwelten getrieben wird. Der softwaregetreue Nachbau einer x86er Maschine zum Starten von DOS-Anwendungen ist einer Software, die diese Anwendungen auf einen eigenen Prozessor verlagert, in jedem Fall ueberlegen. Just diese Nische wollen Firmen mit Mini-SMP-Modellen bedienen, die sehr wohl das Zeug dazu haben, die naechste Generation der Desktop-Rechner zu stellen. Ein Beispiel ist Wyse mit seinem Zwei-CPU-System auf Pentium-Basis mit 66 Megahertz Taktrate (32 MB RAM, 1 GB Festplatte), ein anderes die Reihe der "Challenge DM"-Workstations von Silicon Graphics.

Einen grossen Markt versprechen sich alle Beteiligten von der richtig angepassten Software. An erster Stelle stehen hier natuerlich die DBMS-Anbieter. Fuer sie ist die Multiprozessortechnik nicht gerade ein neues Terrain. So hat IBM fuer das OSMP-OS/2 bereits eine spezielle Version von

"DB2/2" im Angebot, mit der parallele Abfragen im Stil von

"DB2/6000", Parallel Edition, moeglich sein sollen.

Bei Sybase ist es der "System 10 Navigation Server", der unter Windows NT eine parallele SQL-Engine zur Verfuegung stellt. Bei Informix hat man eine Version von "Informix Online" auf die kleineren Sequent-Systeme und NT zugeschnitten. Eine Ausnahme stellt (noch) Oracle dar: Deren parallele Systeme sind zwar auf DEC- und Sequent-Hardware, jedoch nicht auf die kleinen Multiprozessoreinheiten ausgerichtet. Selbst Lotus experimentiert mit SMP-Technologie und diversen Betriebssystemen, um seinem "Notes" die optimale Basis zu verschaffen. Sitzt dieser erst einmal richtig im SMP-Sattel, so wird es Microsoft schwerfallen, fortlaufend die ungeeignete Betriebssystem-Basis des Groupware- Renners zu torpedieren, so das Kalkuel.

Mit der Feinarbeit hapert es oft noch

Gleich nach den bereits erprobten Datenbanktechniken sind es die CAD-Vertreter, die mit Multiprocessing neue Leistungsreserven knacken wollen. Die Systeme von Integraph, nunmehr voll auf Intel- Basis eingeschwenkt und ohnehin NT-orientiert, sind ein Beispiel fuer diesen Trend. Was immer mit dem rechenintensiven Morphing und Rendering arbeitet, kann von der Prozessortechnik profitieren. All die schoenen Turnuebungen in der neuen Welt der virtuellen Realitaet brauchen gleich eine Handvoll schneller CPUs, wenn mehr angesagt sein soll als interaktives Kloetzchenschieben in einem Hohlraum.

Auf diese naheliegenden Trends werden die Betriebssysteme reagieren muessen. Allzu offensichtlich steckt die Systemunterstuetzung noch in den Kinderschuhen, fallen Dokumentation und Hilfsprogramme duerftig aus. Von der Leistungsmessung ueber die richtig eingestellte Arbeit mit RAID- Subsystemen bis hin zum Steuern einzelner Prozessoren fehlt es an der noetigen Feinarbeit.

Was beispielsweise die Wartungs-Utilities anbetrifft, so entlassen hier alle Systeme den Anwender aus seiner heilen grafischen Welt: Im Parameter-Wust muss er dann nach den richtigen Schaltern fischen, wenn es etwa darum geht, einer wildlaufenden DOS- Anwendung Manieren beizubringen. Besonders Windows NT und OS/2 zeigen bei ihren Programmen eine ungewoehnliche Hochschaetzung der Parameterklaviatur.u