Die Software AG entdeckt den Kunden

08.08.2003
Von 

Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit einer summa summarum ordentlichen Halbjahresbilanz hat sich die Software AG (SAG ) nach zuletzt negativen Schlagzeilen zurückgemeldet. Interims-Vorstandschef Karl Heinz Achinger legt jedoch mehr Wert auf die von ihm initiierte Neuausrichtung der Company. Die SAG soll künftig nicht mehr Technologien, sondern Lösungen verkaufen.

Er gab den "Elder Statesman": Karl Heinz Achinger (Foto) nutzte die Halbjahrespressekonferenz der SAG vor allem dazu, über den von ihm eingeleiteten Richtungswechsel zu berichten. Nach seinem Antritt als interimsweiser Vorstandsvorsitzender im Dezember vergangenen Jahres sei es primär um zwei Dinge gegangen - die Finanzkraft des Unternehmens zu stärken und die Kundenbasis abzusichern. Gleichzeitig übergebe er dem ab Oktober amtierenden Konzernchef Karl-Heinz Streibich eine in großen Teilen neu positionierte Company mit einem "deutlich stärkeren Fokus auf Markt- und Kundennähe".

Beruhigen Entlassungen die Anwender?

Achinger wies in seiner Rückschau besonders auf die seiner Auffassung nach gefährliche Gemengelage hin, in der sich die SAG in den zurückliegenden Monaten befunden habe. Der herbe Umsatzeinbruch sowie teilweise operative Verluste im Vorjahr hatten zu einer massiven Verunsicherung der Kunden geführt. "Im Markt kursierende Zweifel an der Überlebensfähigkeit der Software AG wären tödlich gewesen", begründete der SAG-Chef mit Blick auf das Schicksal anderer Softwarefirmen den Handlungsbedarf, vor dem das Management gestanden habe. Die Maßnahmen, die in der Folge beschlossen und inzwischen auch weitgehend umgesetzt wurden, waren, gemessen an den gewohnten Verhältnissen der Darmstädter, einschneidend: Insgesamt 300 Stellen, davon 120 in der Firmenzentrale, fielen dem Rotstift zum Opfer. Knapp 24 Millionen Euro ließ sich die SAG den notwendigen Sozialplan kosten; dem steht Firmenangaben zufolge ab 2004 eine jährliche Kostenersparnis von 55 Millionen Euro gegenüber. Hinzu kam ein nachhaltiger Umbau des Konzernvorstandes, in dem nun auch die bisherigen Regional-Manager sitzen.

Produktumsatz blieb stabil

Erste positive Effekte haben sich, wie Achinger erläuterte, bereits im zweiten Quartal ergeben, das ein operatives Ergebnis von 10,6 (Vorjahr: 5,7) Millionen Euro einbrachte, während der Umsatz wie schon im ersten Quartal mit 104,7 (123,4) Millionen Euro um 15 Prozent (währungsbereinigt: sieben Prozent) unter dem entsprechenden Vorjahreswert lag. Die Halbjahresbilanz liest sich tendenziell identisch: Hier schlugen um 15 Prozent niedrigere Einnahmen von 204,9 (239,8) Millionen Euro und ein operativer Gewinn vor Steuern von 12,9 (3,7) Millionen Euro zu Buche. Mit 141,2 Millionen Euro erreichte die SAG dabei beim - um Effekte aus dem schwachen Dollar bereinigten - Produktumsatz (Lizenzen und Wartung) das Niveau des ersten Halbjahres 2002, während die Einnahmen aus Projekt-Dienstleistungen mit 62,2 Millionen Euro um knapp ein Viertel unter dem Vorjahreswert von 81,5 Millionen Euro lagen. Wichtig dürfte aber noch eine andere Kennziffer sein: Der reine Lizenzumsatz gab gegenüber dem ersten Halbjahr 2002 um 17 Prozent auf 45,8 Millionen Euro nach.

Projekte müssen sich rechnen

Laut Achinger war der signifikante Rückgang im Projektgeschäft nicht nur vom Markt getrieben, sondern auch Ergebnis des "eigenen Benchmarkings". Künftig werde es keine Landesgesellschaft mehr geben, die aufgrund hoher Beratungsaufwände und Personalkosten rote Zahlen schreibt. Entsprechende Projekte, bei denen man selbst nicht zu marktfähigen Preisen anbieten kann, haben bei der SAG keine Chance mehr, betonte er speziell mit Blick auf die Situation in Deutschland. Der amtierende SAG-Frontmann setzte sich diesbezüglich auch kritisch mit der Ära seines Vorgängers Erwin Königs auseinander: "Der zentrale Ansatz eines rein technisch orientierten Softwarehauses konnte nicht mehr funktionieren." Die Zukunft der SAG liege vielmehr in einer regionalen Struktur mit lokaler Zuordnung der Supportfunktionen sowie einer stärkeren Branchenausrichtung.

Was darunter zu verstehen ist, machte Achinger ohne Umschweife deutlich: "Unser Vertrieb muss mehr Lösungen verkaufen." Mit anderen Worten: Um sich endlich von der Abhängigkeit von den Produkten "Adabas" und "Natural" zu befreien, die immer noch rund 63 Prozent zu den Lizenzeinnahmen beitragen, wollen die Darmstädter jetzt einmal mehr im Geschäft mit ihrer Middleware "Entire X" sowie der XML-Plattform "Tamino" durchstarten. Vor allem auf Tamino ruhen dabei die Hoffnungen, wobei Achinger die bis dato vergleichsweise nur geringen Verkaufserfolge der einst als reine XML-Datenbank vermarkteten Plattform nicht abstritt. Nun sang der SAG-Chef aber das Hohe Lied auf die Lösungskomponente der neuen "Tamino Mobile Suite", die spätestens im vierten Quartal verfügbar sein soll.