Softwaretests

Die sechs Tücken des Testdaten-Managements

29.08.2012
Von 
Markus Enderlein studierte Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für Ökonomie und Management in Frankfurt am Main. Nach seinem Berufseinstieg 1998 bei CSC arbeitete er ab 2003 als Consultant im Bereich IT-Architektur und IT-Projektmanagement bei einem mittelständischen IT-Beratungshaus. Seit Mitte 2007 ist er bei INFOMOTION in verschiedenen Rollen tätig. Aktuell ist er als Business Unit Manager für die Beratung im Kontext BI-Strategy und Digital Solutions verantwortlich.
Viele Unternehmen testen noch auf Produktionsdaten. Dabei ist es sicherer und billiger, spezielle Testdaten zu selektieren. Der Markt bietet dafür auch Lösungen an. Aber das Testdaten-Management ist nicht ganz ohne.
Auf dem Weg zum Testdaten-Management liegen viele Stolpersteine.
Auf dem Weg zum Testdaten-Management liegen viele Stolpersteine.
Foto: Fotolia/CHW

Softwaretests stehen für einen Wachstumsmarkt. Die Analysten erwarten hier übereinstimmend eine deutliche Zunahme der weltweiten Umsätze. So prognostiziert Ovum für 2013 ein Marktvolumen von 56 Milliarden US-Dollar mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von 9,5 Prozent. Pierre Audoin Consultants (PAC) sagt 100 Milliarden Euro für 2014 voraus.

Besondere Bedeutung innerhalb des Testens kommt dem Management der Testdaten zu. Unternehmen, die ihre Softwaretests mit Realdaten vornehmen, begeben sich nicht nur in Sachen Datenschutz und Compliance auf dünnes Eis. Sie übersehen auch große Kosteneinsparungspotenziale. Der Markt stellt dafür auch Tools zur Verfügung. Aber das Testdaten-Management ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Sechs Klippen gibt es, an denen die Unternehmen leicht hängen bleiben können.

Zu frühe Tool-Entscheidung

Viele Unternehmen betrachten die Bereitstellung von Testdaten als rein technische Herausforderung. Sie werden in diesem Glauben auch von den großen Softwareherstellern unterstützt, die Produkte zur Maskierung und Reduktion von Daten anbieten. Doch wer sich zu früh für ein Tool entscheidet, risikiert, dass später nicht alle notwendigen Funktionen von der ausgewählten Lösung abgedeckt werden.

Daher empfiehlt es sich, vor der technischen Entscheidung die Anforderungen aller am Prozess beteiligten Personen (im Fachjargon: Stakeholder) zu sammeln und abzustimmen. Dabei fließen beispielsweise die Wünsche des Vertriebs ebenso in die Vorstudie ein wie die anderer Fachbereiche und der IT-Compliance-Abteilung.

Im nächsten Schritt sollten Ziele, Prozesse und Zuständigkeiten geklärt werden. Erst dann ist es sinnvoll, nach einem passenden Tool Ausschau zu halten.

Rudimentäres Test-Management

Das Testdaten-Management leidet oft darunter, dass schon das Test-Management im Unternehmen alles andere als ausgereift ist. Häufig stellt sich erst nach der Einführung einer Testdaten-Management-Lösung heraus, dass grundsätzliche Prozesse zur Planung und Konzeption der Testfälle fehlen oder noch nicht etabliert sind.

Es ist notwendig, genau zu definieren, welche Daten benötigt werden. Sonst fällt deren Selektion zwangsläufig zu grob aus oder ist anderweitig unzureichend. Nur wenn das Test-Management eine gewisse Reife hat, funktioniert die Bereitstellung der Testdaten reibungslos.

Einführung als Big Bang

Markus Enderlein, Managing Consultant bei Infomotion: "Ein Big-Bang-Ansatz ist hier gänzlich ungeeignet."
Markus Enderlein, Managing Consultant bei Infomotion: "Ein Big-Bang-Ansatz ist hier gänzlich ungeeignet."
Foto: Infomotion

Als Voraussetzung für anwendungsübergreifende Tests sehen viele Unternehmen die vollständige Versorgung aller Anwendungen mit Testdaten. Das klingt einleuchtend, aber dazu wäre es notwendig, die gesamte Anwendungslandschaft zu erfassen, unzählige Datenmodelle zu analysieren und eine Vielzahl fachlicher Abstimmungen vorzunehmen.

Ein solcher Big-Bang-Ansatz ist für die Einführung des Testdaten-Managements deshalb gänzlich ungeeignet. Die Analyse der Datenmodelle allein würde bereits einen Aufwand von mehreren Mannmonaten verursachen.

Dieser Aufwand ist zudem überhaupt nicht notwendig. Welche sind denn die tatsächlichen Voraussetzungen für eine hohe Testqualität in den Anwendungen? Sicher gibt es durchaus Abhängigkeiten zu anderen Anwendungen. Allerdings wird nur ein kleiner Ausschnitt daraus tatsächlich benötigt, um erfolgreich zu testen.

Das Testdaten-Management lässt sich also durchaus - und sinnvollerweise - in mehreren Schritten für jeweils einzelne Anwendungen und Anwendungsgruppen einführen. Die Priorisierung geschieht dabei zum einen nach Risiken, beispielsweise solchen, die auf dem Gebiet des Datenschutzes entstehen, und zum anderen nach dem Nutzen, der etwa in geringeren Speicherkosten oder verbesserter Testqualität bestehen kann.

Fehlende Akzeptanz

Durch die Einführung eines Testdaten-Managements ändert sich für Projektleiter, Entwickler, Test-Manager sowie Tester in IT und Fachbereichen die Datenbasis. Schlagartig ist die über Jahre gewohnte Nutzung von Produktionsdaten nicht mehr möglich. Das zieht oft Verunsicherung und eine kritische Einstellung gegenüber der Lösung nach sich. Es empfiehlt sich daher, die Einführung der neuen Software mit Beratung und Schulungen zu begleiten. So lassen sich die betroffenen Unternehmensbereiche auch durch Sensibilisierungsmaßnahmen mit den Datenschutzproblemen vertraut machen.

Bregenzte Datenhaltbarkeit

Es ist in vielen Unternehmen durchaus üblich und sinnvoll, Testdaten zu konservieren. So können Tests wiederholt werden, um beispielsweise die Fehlerbehebungen zu überprüfen. Leider bleibt häufig außer Acht, dass diese "Testkonserven" schon nach vier bis fünf Wochen unbrauchbar, also beispielsweise zu alt für eine Monatsendverarbeitung, sein können. Deshalb sollten für alle Anwendungen Mechanismen etabliert werden, mit denen sich Testdatenkonserven in der Zeit fortschreiben lassen. Daneben müssen auch Lösungen eingeführt werden, die durch einen Test veränderte - und damit für künftige Tests ungeeignete - Daten beseitigen.

Ohne Metadaten wertlos

Ein typischer Fehler bei der Einführung von Testdaten-Management-Lösungen wird schon in der Planungsphase gemacht. Er besteht darin, die frühzeitige Bereitstellung von Metadaten für verschiedene Auswertungs- und Steuerungsszenarien zu vernachlässigen. Ohne Metadaten ist nicht auszuschließen, dass sich die Testdaten im System gegenseitig stören oder in mehreren Projekten gleichzeitig genutzt werden.

Auch die Zusammenstellung von Daten für einen übergreifenden Integrationstest ist ohne Metadaten erheblich aufwändiger. Ein sauberes Metadaten-Management von Anfang an fördert die vollständige Automatisierung von Prozessen und verringert damit den manuellen Aufwand.

Was Testdaten-Management bringt

Das Testdaten-Management eröffnet Vorteile hinsichtliche der vier Faktoren Risiko, Kosten, Zeit und Qualität. Die Anonymisierung der produktiven Daten für Entwicklungs- und Testumgebungen genügt gesetzlichen und internen Anforderungen an den Datenschutz. Die Gefahr von Datendiebstählen und damit verbunden Reputationsschäden sinkt. Auch die Speicherkosten lassen sich häufig um bis zu 60 Prozent senken, da nicht länger vollständige Kopien der produktiven Datenbestände vorgehalten werden müssen. Die Tests werden schneller, weil sich die Entwicklungs- und Testinfrastrukturen kurzfristiger mit Daten bestücken lassen; die Time-To-Market verkürzt sich. Last, but not least führt ein ausgereiftes Testdaten-Management zu einem höheren Automatisierungsgrad, womit die Qualität vor allem in der Weiterentwicklung bestehender Anwendungen steigt. (qua)