Um flächendeckenden Einsatz von Informatikmitteln bemüht:

Die SBB fährt auf digitalen Schienen

17.07.1987

BERN (CWS) - 45 der 53 größten SBB-Bahnhöfe sind im Laufe dieses Jahres mit elektronischen Schaltergeräten (ESG) ausgerüstet worden. Die Systeme lieferten Olivetti und Autelca.

Vor fünf Jahren schrieb die Schweizerische Bundesbahn ihr Projekt ESG aus, das die Ausrüstung der Billettschalter mit Terminals, Formular- und Billettdruckern vorsah. Nach einem zweijährigen Sichtungsverfahren der 16 eingegangenen Angebote wurde der 20-Millionen-Auf-

Eidgenössisches Chip-Joint-venture

ZÜRICH/BIEL (CWS) - Die beiden größten Chiphersteller der Schweiz, EM Microelectronic-Marin, ein Unternehmen der Uhrenindustriegruppe SMH, und die zu 75 Prozent vom niederländischen Philips-Konzern kontrollierte Faselec AG, Zürich, wollen in einem Joint-venture gemeinsam integrierte Schaltungen produzieren. Ein entsprechender Vertrag soll in den nächsten Monaten ausgearbeitet werden.

Die Produktionsstätten der beiden Firmen bleiben bestehen, später soll eine konkurrenzfähige Fertigungslinie entwickelt werden. Die dafür notwendigen Mittel, deren Höhe die beiden Partner erst nach Vertragsabschluß bekanntgeben wollen und an denen sich auch der Bund beteiligen wird, hätten den Anstoß für die Zusammenarbeit gegeben, teilte Faselec mit. Das Unternehmen exportiert rund drei Viertel seiner Chip-Produktion. Die Uhrenbranche und die Hersteller von Konsum-Elektronikprodukten beanspruchen je 40 Prozent des Faselec-Ausstoßes, die übrigen 20 Prozent gehen an die Telefonhersteller.

Im Bahnhof Bern ist statt dessen gegenwärtig eine dezentrale Datenbank in Betrieb, die jedoch nur die meistverlangten Verbindungen enthält. Nach den SBB-Auskunftsstellen - die mit einer zweckentsprechend den Variante der acht vorgesehenen ESG-Konfigurationen arbeiten - soll später die ADA-Information auch an jedem Billettschalter abrufbar sein. Der Schalterbeamte wird dann anhand der Warteschlange vor seinem Schalter entscheiden können, ob er einen Kunden selbst mit Auskünften bedienen kann oder ob er ihn an die Auskunftsstelle verweisen muß.

Besonders wichtig für die SBB ist das Melde- und Abrufsystem für Waggons. Es wird mit dem Kürzel "Wams" bezeichnet und ist ein Online-Meldesystem für die Vormeldung eintreffender Wagen an Kunden, an den Empfangsbahnhof und an eventuelle Anschlußbahnen. Es liefert Daten für die Frachtberechnung im schweizerischen Wagenladungsverkehr, sowie für eine Reihe betrieblicher Anwendungen, darunter die Wagenverkettung und Mieten von international ausgetauschten RIV-Güterwaggons. Daneben wird es auch für den Austausch von Daten über Leerwaggons und die FLY-Meldungen für Luftfracht an die Swissair verwendet. Hans Keller, SBB-Sektionschef Informatik, stellte fest, die SBB hinkten auf diesem Gebiet zwar anderen Branchen - etwa Banken und Versicherungen - hinterher. Mit Genugtuung vermerkte er aber, die Deutsche Bundesbahn interessiere sich für die Software der SBB-Entwicklung"Wams".

Daß sich ein solches System bezahlt machen muß, liegt bei den 40 Millionen Billetten, die die SBB jährlich ausgibt, auf der Hand. Es ersetzt die alten elektromechanischen Billettdrucker, für die insgesamt 130000 verschiedene Druckplatten gebraucht wurden. Bei einer Tarifänderung mußten an jeder Druckmaschine in den über 300 Bahnhöfen der Schweiz insgesamt 34 Druckstege ausgewechselt werden.

Zum Olivetti-Auftrag gehörte, neben der Hardwarelieferung, auch die Gestaltung der Benutzerschnittstelle an den Terminals. Die eigentliche Programmierung innerhalb des ESG-Projekts hingegen übernahm die SBB. Sie wählte ein Hybridsystem mit zentralen Rechnern und verteilten Minicomputern. Dabei konnte das bestehende Systems-Network-Architecture-(SNA)Netzwerk der SBB benutzt werden, das acht Knoten an strategischen Stellen der Schweiz aufweist.

Der SBB-Beamte am ESG-Schalter sieht auf seinem Bildschirm in jeweils ähnlicher Anordnung drei Felder: Das größte in der oberen Bildschirmhälfte dient zur Anzeige der Auswahlmöglichkeiten, unten links befindet sich das Eingabefeld und daneben rechts die Ausgabe-Anzeige, die nach dem WYSIWYG-Verfahren (What You See Is What You Get) arbeitet und an den Formular- oder Billettdrucker ausgegeben werden kann. In einer großformatigen LED-Anzeige sieht der Schalterkunde den Betrag, den er zu bezahlen hat. Die ESG-Software ist - absichtlich

- keineswegs "idiotensicher" gestaltet. Denn im gegenwärtigen Ausbauzustand sind noch längst nicht alle relevanten Informationen in den ESG-Datenbanken gespeichert.

Der Schalterbeamte muß, insbesondere bei den häufigen Spezialfällen, noch viele Angaben anhand von Dokumentationen selbst eingeben. Zwar sind zahlreiche Plausibilitätskontrollen eingebaut, doch es ist dennoch möglich - das bewies eine Demonstration - beispielsweise ein Rundfahrtenbillett über zahlreiche Stationen einzutippen, dessen vom Beamten eingebender Preis von null Franken und null Rappen das System akzeptiert. Ein ESG-Arbeitsplatz verlangt rund 5000 Franken Hardware-Investition, und zu seiner Bedienung ist nach wie vor qualifiziertes Personal erforderlich. Die SBB rechnen zwar mit Personaleinsparungen, doch werden diese kaum mehr als etwa ein Dutzend Arbeitsstellen in der Zentrale umfassen, in der ohnehin eine hohe Fluktuation herrscht.

An Waggonmelde-Software hat auch die DB Interesse

Von allem Anfang an war vorgesehen, in einer späteren Projektphase auch ein Sorgenkind der SBB mit dem ESG-Projekt zu verbinden: die Tarif- und Fahrplan-Auskunft sowie die Platzreservierung. Dieses ADA genannte System ist seit Mitte Juni in Bern und in sieben weiteren der größten Schweizer Bahnhöfen im Betrieb und soll die zuvor katastrophal überforderten Auskunftsstellen entlasten. Wenn sie einmal zur Verfügung steht, soll auch auf die im Aufbau begriffene zentrale Fahrplan-Datenbank für nationale und internationale Verbindungen zugegriffen werden können.