Die RZ Automation befindet sich erst in den Anfängen

10.02.1989

Aufgabe der DV-Leiter ist es auch, Arbeitsabläufe im Unternehmen zu rationalisieren. Sie sparen dabei jedoch ihren eigenen Arbeitsbereich, das RZ, aus, lautet der Vorwurf des DV-Fachjournalisten Udo Kellerbach: Weniger als fünf Prozent aller Rechenzentren (RZ) in Deutschland setzen Software zur Planung und Steuerung im RZ ein. Überproportional steigende Kosten in der DV im Vergleich zu anderen Unternehmensbereichen wecken oder verstärken aber in den Chef-Etagen das Interesse am RZ. So werden die DV-Leiter mehr als bisher gefordert, auch für ihre Abteilung Konzepte für Kosteneinsparungen zu entwickeln.

Mit der gleichen Anzahl von Mitarbeitern dem wachsenden Informationsbedarf im Unternehmen gerecht zu werden, ist das Ziel von Burkhard Stuhlemmer. Der DV-Chef der Olympus Optical Europa GmbH in Hamburg führt das zögerliche Verhalten der alten DV-Garde bei der Einführung von Automatisierungssoftware darauf zurück, daß sie nur ungern die Verantwortung für Abläufe im RZ an die Rechner delegiert.

Älteren DV-Leitern fehle oft das nötige Know-how für den Einsatz von Automatisierungssoftware kritisiert Ulrich Jung, der bei der Anwendervereinigung Common Europe für den Arbeitskreis der System /38-Anwender zuständig war. Knappe Personalressourcen ließen den DV-Verantwortlichen jedoch wenig Zeit für eine kontinuierliche Weiterbildung, fügt Jung einschränkend hinzu. Der DV-Leiter der Kunststoffe Hch. Brinkmann GmbH im hessischen Dreieich bei Frankfurt verweist darauf, daß besonders in mittelständischen Unternehmen mit oft nur "weniger als einer Handvoll DV-Personal" die nötige Zeit fehle, um tiefer in die Problematik der Betriebssystme einzusteigen. "Schon bei einem so relativ kleinen System wie der /38 muß man sich durch einen Kubikmeter Literatur wühlen", beschreibt er die unerfreuliche Situation.

Zeitmangel und Unkenntnis der Verantwortlichen begünstigen im RZ also Verhältnisse, die einem Unternehmen unnötige hohe Kosten verursachen.

Für das RZ gelten aber die gleichen Spielregeln der Wirtschaftlichkeit wie für andere Unternehmensbereiche auch, meint Dieter Brinkmann, Leiter des Geschäftsbereiches Organisation und Datenverarbeitung bei der Körber AG, Hauni Werke in Bergedorf bei Hamburg. In vielen insbesondere großen Unternehmen stelle sich nach Jahrzehnten des DV-Einsatzes jedoch das Problem der Systemvielfalt. So entstanden Schnittstellenprobleme, die beim Kauf der Geräte noch nicht abzusehen waren. Den DV-Leitern fehle es nun an geeigneten Instrumentarien, diese Schwierigkeiten zu beseitigen, nimmt Brinkmann seine Kollegen in Schutz.

Hart ins Gericht geht das aktive Mitglied der Siemens-Anwendergruppe Save mit den Hardware-Herstellern: Sie hatten bisher zuwenig für die Automatisierung der DV getan. Die angebotene betriebssystemnahe Software erfordere heute noch zuviel Know-how und Einarbeitungszeit der Mitarbeiter im RZ. Die notwendige Automatisierung der DV könne erheblich vereinfacht werden, wenn die Hersteller die Bedienbarkeit für Batch-, Reorg- und Sicherungsläufe erleichtern würden.

Bisher stelle sich der Markt aber noch so dar, daß sich der Anwender aus einer Anbieter seine spezielle Lösung zusammensuchen müsse. Und das sei ohne den Einsatz eines eigens dafür zur Verfügung stehenden Mitarbeiterstabes in größeren Unternehmen kaum möglich. Brinkmann wünscht Lösungen "aus einer Hand", die dem Anwender zeitraubende Marktstudien ersparen und zudem noch bedienerfreundlich sind.

Weil es bisher nur "Individualsoftware von der Stange" gibt, mußte Ulrich Jung, DV-Verantwortlicher bei Hch. Brinkmann im hessischen Dreieich, viele Überstunden investieren. In den vergangenen fünf Jahren hat der DV-Enthusiast bis zu 50 Prozent Mehrarbeit in Kauf genommen, um beispielsweise alle Verfahren der Datensicherung in dem mittelständischen Unternehmen zu automatisieren.

Als nächstes soll bei Hch. Brinkmann der Bereich der Fertigungsdatenerfassung automatisiert werden. Bereits begonnen hat Jung mit der Installation der Betriebsdatenerfassung. So wurde bisher der Zeiterfassungsteil für das Kommen und Gehen der Mitarbeiter automatisiert. Geplant ist, daß künftig auch Formulare für die Auftragerfassung mit denselben Terminals eingelesen werden können.

Von der Automatisierung der Abläufe im RZ erhofft sich DV-Chef Brinkmann unter anderem weniger Überstunden für die Mitarbeiter des Rechenzentrums.

Bei der Körber AG, Hauni-Werke läuft die DV auf der kommerziellen Seite über drei Siemens-Rechner. Angeschlossen sind 500 Bildschirme und 60 Drucker. Der unabhängige technische Bereich wird mit DEC-Rechnern im Netzverbund abgedeckt, die in naher Zukunft an die Siemenswelt angeschlossen werden sollen.

Einzelne Ansätze zur Automatisierung, wie zum Beispiel der Datenaustausch zwischen der DEC und der Siemens Welt sind bei dem weltweit größten Hersteller für Tabak-Verarbeitungsmaschinen bereits gemacht.

Noch in diesem Jahr sollen die Rechner mit dem Einsatz eines zentralen Auftragsverwaltungssystems weitere Aufgaben automatisch übernehmen. Plausibilitätsprüfungen verringern dann in der Arbeitsvorbereitung die Fehlerquote, noch bevor die einzelnen Arbeitsabläufe angeschoben werden. Ein Problem sei, daß für die Siemens-Umgebung das SW-Angebot beschränkt sei, bedauert Brinkmann.

Ein Übergabeverfahren von der Programmentwicklung in die Produktion läuft bereits automatisch. Ein umfangreiches Berichtswesen für das RZ liefert unter anderem den Anwendern in den Fachabteilungen die Kostenverrechnung für erbrachte RZ-Leistungen. Brinkmann verspricht sich von der Transparenz dieser Daten mehr Bewußtsein in bezug auf die Kosten der Informationsverarbeitung.

Erste wichtige Schritte in Richtung Automatisierung der DV sind für DV-Chef Brinkmann vor allem organisatorische Maßnahmen, die einzelne Arbeitsvorgänge für alle Beteiligten verbindlich festlegen. Dabei spielt der Rechnereinsatz eine vorerst nur untergeordnete Rolle. Bei Hard- und Softwarefehlern zum Beispiel kommen sich die Anwender aus der Fachabteilungen telefonisch an eine zentrale Störerfassung wenden. Nach einem von dem Geschäftsbereich Organisation und Datenverarbeitung genau definierten Ablauf werden dann die Störungen beseitigt. "Diese strenge Organisation hat dem Unternehmen erhebliche Kosteneinsparungen gebracht, und die Anwender sind zufrieden", beschreibt der DV-Chef die Situation.

Der Preis für die Automatisierung in der DV sind höhere Kosten im Softwarebereich für die Automatisierungsinstrumente. Als Gegenleistung dafür verspricht sich Brinkmann höhere Sicherheit und weniger Wiederholungsläufe. "Die vorhandene Kapazität der Rechner wird mit Einmal-Bearbeitungen stärker ausgelastet" rechnet Brinkmann, der sich auch auf der personellen Seite Einsparungen verspricht.

Mehr Effektivität im RZ mit weniger Personal ist der Beginn einer Entwicklung, die nach einem Artikel des US-Fachblattes Datamation (Dezember 1988) dahin führt, daß dieser Arbeitsbereich künftig weitgehend ohne Menschen funktioniert. Weil Kontrollfunktionen nach außen verlegt werden können, kann im eigentlichen Rechnerraum in der Zukunft möglicherweise sogar ganz auf Menschen verzichtet werden, meinen die US-Experten.

Ein RZ ohne Operator kann sich Stuhlemmer von der Olympus Optical Europa GmbH in Hamburg - heute jedoch noch nicht vorstellen. Vorgänge wie das Wechseln von Bändern zum Beispiel sind seiner Meinung nach nur schwer vollautomatisch abzuwickeln. Auch wenn die Fehlerdiagnose außerhalb des RZ stattfinden kann, müsse die Beseitigung der Störung auch künftig immer vor Ort erfolgen, schätzt Stuhlemmer.

Er verbindet die Umstellung von einer /38 auf eine AS/400 damit, die Automatisierung in seinem Betrieb zu forcieren. Künftig werden sich die Anwender in den Fachabteilungen bei dem Hersteller für Kameras selbständig in das System einloggen, was bisher nur mit Hilfe eines Operators möglich war. Jeder Anwender holt sich dann mit Hilfe seines Kennwortes ein persönliches Menü auf den Bildschirm. Damit ist gleichzeitig eine Begrenzung der Programme vorgegeben.

Das Automatisierungskonzept bei Olympus sieht vor, laß der Anwender sich künftig zielgerichtet mit Informationen versorgen kann. In stärkerem Maße als bisher soll die DV sich zu einem Informationspool entwickeln. Das vielfach praktizierte Gießkannenverfahren, nach dem die DV die übrigen Abteilungen mit Mengen von nicht erwünschten Daten zuschüttet, läßt sich nach Meinung Stuhlemmer vermeiden. Mit Hilfe entsprechender Programme kann der Anwender dann die für ihn brauchbare und notwendige Information auswählen. Dieses selektive Vorgehen entlaste den Rechner, verkürze Druckerzeiten und erhöhe die Motivation erläutert Stuhlemmer.

Die DV-Leitung bei Felten & Guilleaume in Nordenham plant die Automatisierung im Bereich der Fertigung und Steuerung zu reduzieren. Die einzelnen "Arbeitsinseln" bleiben jedoch mit einem Zentralrechner verbunden, der die Datensicherung übernimmt. Das Konzept sieht unter anderem vor, den Mitarbeitern der einzelnen Fachabteilungen Programmierungsaufgaben zu übertragen, erklärt der DV-Verantwortliche Uwe Hollmeyer. Bei geringerer Stückzahl in der Produktion mit mehr Varianten als noch vor einigen Jahren sei eine teilweise manuelle Fertigung sogar preisgünstiger.

Mit einem erheblichen Aufwand an Schulung ist geplant den Facharbeiter vor Ort so weit zu qualifizieren, daß er die Möglichkeiten des Systems für seine jeweiligen Bedürfnisse ausschöpfen kann.

Kurzfristig sind Kostensteigerungen für die Schulung unvermeidbar, rechnet Hollmeyer. Der Ausgleich dafür wird über organisatorische Veränderungen geschaffen. Da die Fertigungsinseln auch Aufgaben wie zum Beispiel die Qualitätskontrolle übernehmen, entfallen Wege- und Lagerzeiten, die bisher das Finanzbudget strapazierten.