Luxoft, Epam und Reksoft

Die Russen kommen

18.03.2008

Russische IT-Services: Die Zeit ist günstig

Das macht selbstbewusst, auch im Wettbewerb mit anderen Nationen, insbesondere mit Indien: Den indischen Offshore-Anbietern überlässt man gerne Großprojekte in der Anwendungsentwicklung und im Support. "Einfache Vorhaben ohne wissenschaftlichen Anspruch mögen die Russen nicht", beschreibt Russland-Kenner Mathias Weber, Bereichsleiter IT-Services beim deutschen Branchenverband Bitkom. Zwar betonen alle Anbieter, dass sie anspruchsvolle Aufgaben von der Beratung und Architekturdesign bis hin zu Implementierung und Testing bewältigen können. Doch russische Experten werden häufig auch mit der Codierung betraut. Wichtige Branchen sind etwa die Telekommunikation, IT-Anbieter und Banken. Aber auch Handel und Automobilindustrie decken ihren Entwicklungsbedarf zum Teil in Russland. Häufig gibt es Anfragen für Embedded-Software-Projekte, aber auch Web-basierende Applikationen aus Russland sind gefragt. Für klassische ERP-Vorhaben und die Pflege betriebswirtschaftlicher Bestandssoftware auf dem Großrechner ist Russland nicht zwingend erste Wahl. "Unser Schwerpunkt ist nicht die Mainframe-Entwicklung. Wir betreiben lieber Java-, .Net- und Netweaver-Projekte", klärt Epam-Manager Feindt auf.

Sergey Karas, Vice President Global Strategy bei Luxoft: 50 Prozent des Umsatzes erzielen wir in den USA, doch der Anteil schrumpft zugunsten des europäischen Geschäfts.
Sergey Karas, Vice President Global Strategy bei Luxoft: 50 Prozent des Umsatzes erzielen wir in den USA, doch der Anteil schrumpft zugunsten des europäischen Geschäfts.
Foto: Luxoft

Die Zeit ist günstig für russische IT-Dienstleistungen. "Das Zeitfenster ist vielleicht noch fünf bis zehn Jahre geöffnet, dann ist der Bedarf der russischen Wirtschaft so groß, dass sie selbst alle IT-Ressourcen beansprucht", sagte Makarov. Derzeit profitieren die auf den Export ausgerichteten IT-Dienstleister noch von dem enormen Output des Hochschulsystems. Rund 52 000 IT-Experten arbeiten derzeit für den russischen IT-Export, jedes Jahr kommen rund 10 000 Universitätsabsolventen hinzu, die ausschließlich für IT-Unternehmen im Ausland tätig sind.

Auf der Suche nach Kunden in Westeuropa werben die russischen Anbieter vor allem mit der geografischen und kulturellen Nähe. "Unsere Stärke ist die Qualität und die ähnliche Mentalität. Das erleichtert die Zusammenarbeit in den Projekten", betont Olga Rimsky-Korsakova, Deputy Director Marketing bei Reksoft. "Und die geografische Nähe erlaubt im Bedarfsfall eine schnelle Anreise." Die kann hin und wieder erforderlich sein, denn nicht in allen Belangen arbeiten die russischen Projektteams so, wie es ein deutscher Ingenieur gelernt hat und gewohnt ist. "Die Dokumentation und Prozesstreue ist nicht so stark ausgeprägt wie in den Vorhaben in Deutschland", schildert Rüdiger Striemer, Vorstandsmitglied der Adesso AG Deutschland, seine Erfahrung aus einem laufenden Projekt mit der ersten russischen Lotteriegesellschaft. "Die Russen krempeln gerne mal die Ärmel hoch und legen los, ohne sich um vereinbarte Abläufe zu scheren." Auch Termine werden verschoben. Das gilt nicht nur für den Projektplan, sondern auch für Meetings. Das ist natürlich ärgerlich, wenn Partner eigens dafür anreisen. "Man muss Flexibilität zeigen. Die kurzfristige Verschiebung ist keinesfalls Zeichen einer Geringschätzung, sondern Teil der kreativen russischen Arbeitsweise", schildert Striemer.

Selbstbewusste Russen

Mitte der 80er Jahre haben sich in der damaligen Sowjetunion die ersten Kooperativen mit der Softwareentwicklung befasst. Sie gelten als Keimzelle der heutigen Softwareindustrie in Russland. Mit dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre wandelten sich die Aktivitäten in kommerzielle Firmen. Unternehmen wie Luxoft, Epam Systems und Reksoft haben ihre Wurzeln in diesen Jahren. Oftmals sind sie aus dem Umfeld der vielen Technischen Universitäten in Russland gegründet worden. Die jungen Unternehmer haben sich frühzeitig auf den Weg in die USA gemacht, um dort das professionelle Firmen-Management zu erlernen und um Kunden zu finden. Aber auch in die Gegenrichtung gab es rege Geschäftsreisen. Weil die USA sehr gut über die technischen und wissenschaftlichen Fertigkeiten des ehemaligen Klassenfeindes informiert waren, sicherten sie sich zügig Zugang zu den gut ausgebildeten IT-Experten. Deutlich vor den europäischen und deutschen Unternehmen – etwa Siemens und Telekom – haben US-Firmen wie Intel, Motorola und Hewlett-Packard Entwicklungszentren dort aufgebaut. Dabei vertrauen sie auf die ausgeprägte Lösungskompetenz der selbstbewussten Russen. "Vergeben Sie eilige Projekte in die USA, große Vorhaben nach Indien und nicht lösbare Probleme nach Russland. Die Russen können alles", brachte Steve Chase, Chef der russischen Niederlassung von Intel, einmal das Selbstverständnis der Nation auf den Punkt.