Unternehmenskommunikation - eine Herausforderung für Datenverarbeiter:

Die Renaissance des DV-Management

03.03.1989

Die erste Euphorie der PC-Anwender ist der Ernüchterung gewichen. Folge: Die zentrale Datenverarbeitung wird von den Endusern nicht mehr als Angstgegner, sondern als Partner für erforderliche Lösungen betrachtet. In den Unternehmen steht deshalb eine "Renaissance" der DV-Leiter bevor. Wie das neue Aufgabenspektrum der DV-Abteilung aussehen wird, beschreibt Ulrich Dickamp*.

Wie waren sie alle froh, die DV-Anwender auf den verschiedenen Unternehmensebenen, die Entscheidungsträger, die Einkäufer, die Händler, die Betriebs- und Personalräte, ja sogar die Datenschützer:

Die vermeintliche Allmacht der DV-Leiter in den Organisationen, die mystifizierte Datenverarbeitung - all das schien sich in Luft aufzulösen, zugunsten einer Enduser-DV.

Der PC war da. Und dieses Instrument sollte den Fachidioten klarmachen, daß es auch ohne sie geht. Ja, daß es ohne sie viel besser geht.

Ein persönlicher Computer für jedermann. Wozu brauchte man da noch den unpersönlichen Zentralcomputer? Es wurden Stimmen laut, die mit Nachdruck propagierten, Großcomputer durch Mini- und Mikrocomputer zu ersetzen.

Besonders glücklich über die neue Situation waren die Einkäufer in den Unternehmen. Sie hatten nämlich jahrelang mißtrauisch zusehen müssen, wie die Entscheidungen über die Anschaffung neuer DV-Anlagen fast ausschließlich zwischen DV- und Finanzabteilung getroffen wurden.

Nun, mit dem Aufkommen des PC, waren sie endlich in der Lage, einkäuferische Akribie in den Beschaffungsprozeß hineinzubekommen. Das führte allerdings dazu, daß die Höhe des Rabattes häufig wichtiger war als die Leistungsfähigkeit des Lieferanten.

Unter dem gleichen Aspekt wurde auch die Frage der Finanzierung entschieden, was zur Folge hatte, daß oft bis zu zehn verschiedene Finanzierungsmodelle in einer einzigen DV-Operation zu finden waren, mit unterschiedlichen Laufzeiten, unterschiedlichen Finanzierern und unterschiedlichen Refinanzierern.

Auch die Anwender waren froh, denn sie konnten jetzt endlich DV-Equipment in eigener Verantwortung bestellen, denn das Geld für einen PC war relativ einfach aus dem Budget einer Fachabteilung aufzubringen.

Dadurch aber, daß das Umfeld zufrieden war, fiel es dem EDV-Leiter häufig schwer, seine Unzufriedenheit so zu objektivieren, daß sie ihm nicht als Groll über verlorene Macht ausgelegt werden konnte.

Warum dennoch die Behauptung, daß eine "Renaissance" der DV-Leiter bevorstehe? Es gibt dafür eine Reihe von Gründen:

- Die erste Euphorie der Anwender über ihre Selbständigkeit bei der DV ist der Ernüchterung über die tatsächliche Effizienz gewichen.

- Die Notwendigkeit zugänglicher Zentraldateien wurde wiederentdeckt.

- Der organisatorische Unsinn des Prinzips wurde kostenmäßig quantifiziert.

- Durch ungesteuerte Einkaufspolitik entstanden Unverträglichkeiten und Verluste.

- Der Informationsgrad der Unternehmen stieg zumindest nicht in Relation zu den zusätzlichen Kosten.

- Es entstanden erhebliche Risiken in der Datensicherheit.

Nun wird niemand behaupten, daß sich diese Probleme schon allein mit einer Rückverlagerung von Kompetenzen in die DV-Abteilung in Luft auflösen. Aber es hat sich weithin die Erkenntnis durchgesetzt, daß hier, in den DV-Abteilungen, die erforderlichen Lösungen am sinnvollsten erarbeitet werden können.

Dies wird zwangsläufig zu einem neuen Aufgabenspektrum in den DV-Abteilungen führen und ebenso zwangsläufig zu einem neuen Niveau bei der Diskussion zwischen Anwendern und Datenverarbeitern. Denn der gegenseitige Respekt ist auf beiden Selten erheblich gewachsen: Beim Anwender vor dem Know-how der DVer und bei diesen vor der gewachsenen Selbständigkeit in der Anwendung von DV.

Damit ist die Voraussetzung gegeben, daß Datenverarbeitung nicht zum Selbstzweck, sondern mit einer klaren unternehmerischen Zielsetzung verbunden wird. Denn gerade jetzt werden neue Ziele in der Gestaltung der DV erkennbar: Es entsteht die Herausforderung der Unternehmenskommunikation.

Unternehmenskommunikation bezeichnet die Aufgabe, funktionale Prozesse so miteinander zu verbinden, daß wir aus der Rationalisierung vertikaler Prozesse eine automatisierte Qualifizierung von horizontalen Prozessen gewinnen können.

Das bedeutet, daß die Daten nicht nur miteinander verknüpfbar werden, daß Maschinen miteinander kommunizieren können, sondern daß wir Strukturen schaffen, die den Einsatz von DV-Instrumentarien auch auf der Entscheidungsebene des Unternehmens gestatten.

Natürlich wird das ein hochkomplizierter Prozeß sein, denn in der Regel haben die Unternehmen keine einheitliche DV-Struktur. Die Realität lautet vielmehr: viele Hersteller unterschiedlicher Netzwerke, verschiedene Finanzierer. In ihrer Verwirklichung wird sich also die Unternehmenskommunikation als ein äußerst schwieriger Vorgang darstellen und ihre Baumeister werden sicherlich diejenigen sein, die Erfahrung aus dem Großrechnerbereich und der Dezentralisierung desselben in Ansatz bringen können.

Von vorneherein muß auch darauf hingewiesen werden, daß es sich um einen ganzheitlichen Ansatz handelt, um die Reintegration von Teilprozessen. Das bedeutet, daß wir Prozesse im gesamten Unternehmen verfolgen müssen, über funktionale Grenzen hinweg. Das verlangt eine funktionsunabhängige Versorgung mit Daten und Informationen aus den verschiedenen Informationssystemen eines Unternehmens. Man kann sagen: Die Verbindung funktionsübergreifender Daten ist die Herausforderung an die Datenverarbeitung in den kommenden Jahren.

Diese Herausforderung besteht nicht nur innerhalb eines Unternehmens, sondern in verstärktem Maße auch zwischen Unternehmen, zum Beispiel zu Zulieferern.

Da sich diese Transportprozesse keineswegs nur noch im Büro abspielen, ist es vollends an der Zeit, den Begriff "Bürokommunikation " nicht mehr als synonym für diese Entwicklung zu verwenden, sondern als Untermenge des gesamten Aufgabenkomplexes der Unternehmenskommunikation.

Wichtig ist auch, daß beim Transport der Informationen nicht nur die Wege als solche gefunden und definiert werden, die Informationsapperaturen miteinander verbinden; es muß auch sehr deutlich festgelegt werden, welche Anwender auf welchem Niveau in der Hierarchie des Unternehmens welche Qualität von Informationen benutzen darf.

Spätestens an dieser Stelle muß dann auch das Wort "Datenschutz" durch "Informationsschutz" ersetzt werden.

Man wird sicherlich davon ausgehen müssen, daß die Herausforderung der Unternehmenskommunikation auch neue Qualitätsanforderungen an die Datenverarbeitung innerhalb der Unternehmen stellen werden. Es ist aber auch denkbar, daß die Architekten der Unternehmenskommunikation zunächst einmal völlig losgelöst von der DV in der Unternehmensspitze arbeiten, um sozusagen aus der Vogelperspektive die Erfordernisse einer solchen Informationsarchitektur festzulegen.

Das zeigt, daß Unternehmenskommunikation keine Aufgabe für Nachrichtentechniker sein kann, sondern höchste Anforderungen an einen Unternehmensführer stellt, der in der Lage ist, die wesentlichen Vorgänge in seinem Betrieb auf der Basis vorhandener und künftiger Technologien zu einem angemessenen Informationssystem zu gestalten.

Und es bedeutet, daß der Nutzen eines solchen Systems langfristig zu sehen ist, allerdings dann mit einer sich mehrmals multiplizierenden Wirkungskomponente Allerdings muß deutlich gesagt werden, daß ein solcher Prozeß einen Zeitraum von sicherlich drei bis fünf Jahren in Anspruch nehmen wird.

Gerade dies macht deutlich, daß eine Entscheidung für Unternehmenskommunikation eine Entscheidung der Unternehmensführung sein muß. Denn nur so wird sichergestellt, daß das Konzept - zwar in Stufen aufgeteilt - in Gänze realisiert werden kann.

Gleichwohl: Eine Aufgabe dieser Dimension wird ohne die Erfahrung des DV-Managements kaum zu bewerkstelligen sein, dieses wird also zweifellos schon bald eine Renaissance erleben.

Ulrich Dickamp ist Geschäftsführer der ECS Deutschland GmbH in Frankfurt.