Die radikalen Gedankenspiele des Ray Lane

20.10.2000

Ray Lane, ehemals zweiter Mann bei Oracle und inzwischen General Partner bei der Venture-Capital-Gesellschaft Kleiner Perkins Caufield & Byers, hat kürzlich in einer Rede Bemerkenswertes zum Thema E-Business kundgetan. Bis 2005, so Lanes gewagte Prognose, werden Anbieter von Unternehmensanwendungen wie SAP oder Oracle "in ihrer heutigen Form" verschwunden sein. "Softwarefirmen werden Servicelieferanten", so Lane. Im Wettbewerb erfolgreich sei, wer schnell und flexibel auf Kundenwünsche reagieren und das intellektuelle Kapital bereitstellen könne, um die unternehmensweiten Business-Systeme des Kunden auf einen neuen Stand zu bringen oder zu verändern.

"Komplexität unterdrückt Innovation", bekannte der Mann, der selbst viele Jahre bei einem Softwarehaus mit einem durchaus komplexen Produktportfolio tätig war. Lane führte auf dem "B 2 B Leadership Forum" der Ventro Corp. aus, in den vergangenen 30 Jahren habe die unternehmensinterne Integration von Geschäftsprozessen - vom Rechnungswesen über die Produktion bis hin zu Vertrieb und Distribution - überkomplexe Systeme entstehen lassen. Deshalb seien die meisten Konzerne heute unfähig zu schnellen Veränderungen.

Die trügerische Botschaft von SAP, Oracle oder Microsoft heiße: "Kauft alles von uns, und wir erleichtern euch das Leben." Das sei der falsche Weg. Anwender sollten sich mit der vorhandenen Komplexität abfinden und alles daran setzen, Lieferanten, Outsourcer und andere Geschäftspartner zu finden, die ihnen helfen könnten, innovativer zu werden. "Achtet auf eure Marke, achtet auf eure Kernkompetenzen - und überlasst den Rest Partnern", lautet die Botschaft des Managers.

In einem anschließenden Interview mit der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" führte Lane aus, CIOs seien heute mit dem "unlösbaren Problem" konfrontiert, die Balance zwischen den komplexen Legacy-Systemen und den geschäftskritischen Lösungen für E-Business und Supply-Chain-Management herzustellen. Sein Rat: "Bringt eure technische Infrastruktur so weit auf Vordermann, dass sie sich nahtlos in die übergreifenden Supply-Chains einpassen lässt. Wählt Produkte, die einen offenen Datenaustausch, offene Telekommunikation und eine offene Anwendungsstruktur ermöglichen. Seid darauf vorbereitet, mit allen Lieferanten zusammenarbeiten zu können."

In Zukunft seien die unternehmensübergreifenden Lieferketten entscheidend, nicht mehr einzelne Konzerne mit ihrer internen Logistik. Wörtlich sagte Lane: "Lieferketten der Zukunft werden die Firmen ,besitzen'', nicht umgekehrt. Firmen werden sich fragen: ,Was ist meine Rolle in der Supply-Chain, was bringe ich ein?''"

Wenn es darum gehe, den richtigen Technologielieferanten zu finden, sollte man darauf achten, ob er genügend Geld in Forschung und Entwicklung steckt. "Schaut auf seine Ausgaben, redet mit den Entwicklern und beobachtet genau, was dort entsteht", empfahl der Ex-Oracle-Mann.