Die Projektbibliothek stellt die zentrale Datenbasis dar: Fünf bis zehn Dokumente im Direktzugriff

20.08.1982

MÜNCHEN - Sprunghaft ist in den vergangenen Jahren die Komplexität von Softwareprodukten gestiegen. Für die Produktion großer Softwaresysteme benötigt man geeignete Methoden und maschinelle Hilfsmittel zur Führung in allen Phasen eines Projektes. Karl-Heinz Herrmann von der Softlab GmbH, München, beschreibt Anforderungen an ein integriertes Projektführungssystem.

Die Softwareentwicklung erfordert eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen dem Projektmanagement und der von ihr betreuten Projektdurchführung, eine entsprechend starke Integration von Produkt- und Projektführungsdokumenten zu einer gemeinsamen Projekt-Dokumentenbasis und schließlich die Notwendigkeit, Softwareentwicklern und Projektmanagement leicht zu bedienende Hilfen in einem einheitlichen System anzubieten.

Ein computergestütztes System für Durchführung und Management von Softwareprojekten sollte deshalb bereitstellen:

- eine einzige, integrierte Projekt-Datenbasis, die sowohl die produktorientiert verwalteten Dokumente als auch die aktivitätsorientierten Projektführungsinformationen speichert,

- eine Produktverwaltung, die dafür sorgt, daß der Entwickler ungestört an seiner Arbeitsversion tätig sein kann, jede Änderung von einmal freigegebenen Produkten festgehalten wird oder seine Testumgebung durch niemanden geändert werden kann, ohne daß er zumindest informiert wird,

- die Möglichkeit gleichzeitiger, interaktiver Bearbeitung einer Vielzahl von Dokumenten,

- eine Führung des Benutzers, so daß kaum Schulungs- oder Einführungsaufwand entsteht und neue Mitarbeiter sofort und problemlos eingeführt werden können,

- eine automatische Abgabe von Mustern und Modellen, die es leicht machen, Standards, Methoden oder Hilfsmittel zu benutzen,

- ein Kommunikationssystem für die Vergabe von Aufträgen an die

Projektmitarbeiter, Änderungsmitteilungen und ähnliches,

- Hilfsmittel für die Überwachung des Projektfortschritts und Durchführung und Kontrolle von "Zustandsübergängen",

- Auswertfunktionen, mit denen Fortschritts- und Problemberichte der Mitarbeiter sowie der aktuellen Schätz- und Ist-Aufwandszahlen für einzelne Dokumente und Produkte jederzeit abgefragt werden können.

Die zentrale Basis für alle Daten stellt die Projektbibliothek dar. In ihr werden alle Dokumente verwaltet: die in Arbeit befindlichen Dokumente, für die Integration bereitgestellte und zum Einsatz freigegebene Versionen, darüber hinaus auch die benötigten "Rohmaterialien", wie Muster und Modelle, an denen sich der Entwickler orientiert.

Wird eine Projektbibliothek als ein auf einem Rechner implementiertes Materiallager verstanden, dann sollte es selbstverständlich sein, die Verwaltung und Kontrolle dieses Lagers weitgehend zu automatisieren. Von einer solchen Lagerverwaltung muß man erwarten, daß sie

- die Zugriffsrechte und Privilegien überwacht, so daß nur derjenige zu den Lagerbeständen zugreifen, sie verändern oder ergänzen kann, der von der Projektleitung einen entsprechenden Auftrag erhalten hat,

- in einem Log alle wesentlichen Änderungen im Lagerbestand registriert und damit der Projektführung die Möglichkeit gibt, jederzeit aktuelle Informationen über den Lagerbestand und den Zustand der gelagerten Dokumente wie auch historische abzufragen.

Ein Blick auf den Schreibtisch eines noch "papierorientiert" arbeitenden Softwareentwicklers zeigt, daß er bei praktisch jeder Arbeit fünf bis zehn Dokumente im "Direktzugriff" hat. Es besteht also die Notwendigkeit, auf eine größere Zahl von unterschiedlichen Dokumenten, die in den verschiedenen Phasen entstehen und die dann ja alle Teile des zu erstellenden Produktes sind, parallel zugreifen zu können.

Für die Projektführung ist dieser Parallelzugriff zu mehreren Dokumenten sehr wichtig. Der Projektstand wird nur selten durch eine einzige Liste oder Übersicht transparent - meist verschafft erst die Kombination einer größeren Zahl von Informationen in verschiedener Aufbereitung, Auswahl und Verdichtung den Überblick, der zu einer korrekten Diagnose von Problemstellungen und zur sicheren Entscheidungsfindung notwendig ist.

Eine wichtige Basisunterstützung ist die Verwaltung, Definitions- und Beschreibungsmöglichkeit aller Dokumente, die in den verschiedenen Phasen erzeugt werden müssen. Es kann so festgelegt werden, in welcher Reihenfolge die Dokumente zu erstellen sind und wie sie auszusehen haben.

Offenkundige Mängel

Wenn man davon ausgeht, daß sich Werkzeuge um so mehr durchsetzen werden, als sie Einheitlichkeit der Benutzerschnittstelle und Einfachheit der Bedienung bieten, ihre Akzeptanz um so höher ist, je mehr sie den Bedürfnissen der Anwender in puncto schneller und konstanter Antwortzeit und Datensicherheit entsprechen, so sollte die Zukunft den dedizierten Software-Entwicklungssystemen gehören. Denn es ist noch nicht abzusehen, daß sich die technischen Grundlagen der meisten Hostsysteme ändern werden und dadurch die heute so offenkundigen Mängel in der Benutzerschnittstelle solcher Werkzeuge schon bald eliminiert werden können.