Die Probleme mit R/3 beginnen bei der Datenbank

13.05.1994

CW: Seit wann setzen Sie SAP-Software ein?

Klein: Seit 1974. Ich kenne die Software, denn ich war selbst sechs Jahre bei der SAP. Wir starteten mit dem Modul RF und installierten spaeter RM, RA, RK, RP etc. 1995 werden wir wohl auf Release 5.0 wechseln.

CW: Sie bieten auch als Service-Unternehmen R/2-Leistungen an. Warum nicht die R/3-Software?

Klein: SAP zielt mit R/3 auf deutlich kleinere Installationen als die unsere. Wir bedienen rund 1000 Benutzer. Ausserdem ist die Funktionalitaet von R/3 noch geringer, das laesst einen Wechsel derzeit nicht zu. Wir haben zur Zeit nur Know-how in R/2.

CW: Halten Sie die R/3-Architektur nicht fuer richtungsweisend?

Klein: Die Grundidee besteht doch darin, die notwendige Rechenleistung auf viele preiswerte Rechner zu verteilen und diese nahe beim Benutzer aufzustellen. So sollen gute Antwortzeiten erzielt werden. Das Problem beginnt aber mit der Datenbank. R/3 sieht hier einen zentralen Server vor. Wegen des hohen Anwendungsverkehrs zwischen den Application Servers und der Datenbank sind also ausserordentlich schnelle Leitungen erforderlich. In der Praxis sieht es so aus, dass auch bei R/3- Anwendern alle Rechner in ein und demselben Rechenzentrum stehen. Das war auch auf einer Praesentation von Hewlett-Packard zu sehen, die ich neulich besucht habe. Von R/3 bleibt im Grunde nur noch die grafische Benutzeroberflaeche.

CW: Durch die Einfuehrung der Software aendert sich also an der grundsaetzlichen Philosophie einer zentralen Datenverarbeitung nichts?

Klein: Die Technik von R/3, so wie sie heute vorliegt, erlaubt lediglich, mehrere Rechner mit der Abwicklung von Anwendungen zu beauftragen. Das geht mit dem Mainframe nicht, wahrscheinlich aber demnaechst mit Parallelrechnern, wie sie die IBM jetzt angekuendigt hat.

CW: Hat der Kunde nicht entscheidende Vorteile in puncto Schnelligkeit der Verarbeitung und Kosten?

Klein: Schnelligkeit ist mit einem entsprechend grossen Mainframe auch im R/2-Umfeld zu erzielen. Und zu den Kosten: Heute kommen Sie sicherlich mit R/3 auf verteilten Plattformen billiger weg. Doch das wird sich aendern, wenn die naechste Generation von High- end-Systemen da ist.

CW: Hardware-, System- und Datenbankoffenheit sprechen fuer R/3.

Klein: Das ist ein schlagendes Argument, zweifellos. Dass SAP- Funktionalitaet jetzt nicht mehr nur auf IBM- und SNI-Hardware zu bekommen ist, haben wir begruesst. Das hat sicher auch dazu gefuehrt, dass die IBM ueber ihre Preispolitik nachgedacht hat.

CW: Auch die Benutzeroberflaeche in R/3 ist moderner.

Klein: Sie haben unter R/2 das CUA-Interface, das Ihnen an Workstation und PC eine grafische Benutzeroberflaeche mit Mausbedienung liefert. Wir nutzen es nicht einmal, weil wir es nicht brauchen. Ob ich ueber die Maus irgendein Button anklicke oder statt dessen eine PF-Taste druecke, ist doch letztlich egal.

CW: Wie sehen Sie die Zukunft von R/2?

Klein: SAP wird wohl kaum auf Dauer beide Systeme pflegen. Mindestens fuer die naechsten vier Jahre werden wir aber keine Probleme mit R/2 haben. Die massiv-parallele Verarbeitung bei den Mainframes wird dem Produkt sehr zugute kommen.

CW: Sehen Sie dem Release-Wechsel von R/2 4.3 nach 5.0 mit Sorge entgegen?

Klein: Eigentlich nicht. Wir haben uns immer an den Standard gehalten. Ausserdem verwenden wir das Modul RV, das vielen SAP- Kunden Probleme bereitet, nicht. Was uns geaergert hat, ist der Stil, in dem uns SAP mitgeteilt hat, dass der Hardware-Aufwand deutlich steigt. Von den Vorteilen des neuen Releases war dort nicht die Rede. Fuer uns bedeutet der Release-Wechsel, dass wir einen neuen Mainframe und groessere Platten anschaffen muessen.

CW: Sollten sich SAP-Kunden jetzt um eine Migration nach R/3 kuemmern?

Klein: Unternehmen sollten die Anwendung in den Vordergrund stellen: Buchhaltung, Personal, Materialwirtschaft etc. Der Betrieb komplexer SAP-Anwendungen erfordert Know-how, sprich: Personalkosten! Auf jeden Fall sollten Angebote von Outsourcing- Unternehmen geprueft werden, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben.

Peter Klein ist Geschaeftsfuehrer der SGE Informatik GmbH, Ludwigshafen. Das Unternehmen basiert auf der ausgegruendeten DV- Abteilung der G+H Montage GmbH und bedient heute rund 100 Kunden aus der Baubranche. Die Fragen stellte CW-Redakteur Heinrich Vaske.