Die Politik des Carlo de ToshivATTi

26.09.1986

Von "weltweiten Bündnissen für einen globalen Markt der Informatik" träumt Olivetti-Chef Carlo de Benedetti. Solche Konglomerate seien die einzig sinnvolle Antwort auf die Entwicklung des Weltmarktes, propagierte der Tycoon, der sich in vielen Branchen von Nudeln bis Verlagswesen engagiert hat, auf der Pariser Informatikmesse Sicob. Die Verflechtung dürfe sich nicht auf "industrielle und kommerzielle" Zusammenarbeit beschränken. Auch finanziell müßten sich die kooperierenden Unternehmen in den verschiedenen Ländern liieren, sprich: OEM ist out, Aktientausch ist in.

Der italienische Magnat weiß, wovon er spricht. Olivetti wurde unter seiner Ägide zu einem derjenigen Unternehmen, die am kompliziertesten mit anderen Gesellschaften verstrickt sind. So steckt Olivetti-Kapital in britischen, japanischen, deutschen, französischen und niederländischen Firmen. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Zur Strategie gehört aber nicht nur, Anteile anderer Unternehmen zu kaufen, sondern auch, Ausländer am Kapital des eigenen Hauses zu beteiligen ñ siehe AT&T.

Der jetzt rechtskräftig gewordene Deal mit dem Volkswagenwerk veranschaulicht, wie man mit ganz legalen Tricks verhindert, daß ein Großkonzern für Außenstehende allzu transparent wird: Nicht etwa die Ing. C. Olivetti SpA., also die "eigentliche" Olivetti, übernimmt die TA Triumph-Adler AG, sondern die niederländische Tochter Olivetti Holding BV.

Carlo de Benedettis Erfolg ist ñ da sind sich Bewunderer und Neider einig ñ zu einem nicht geringen Teil auf seine vielfältigen Beziehungen zurückzuführen. Und auch darauf, daß Details über diese Beziehungen nicht gar zu offenkundig werden. Unter den italienischen Nobili hat Diskretion schließlich Tradition.

Nun träumt de Benedetti von einem neuen Unternehmenstyp, sozusagen pseudonationalen Multis. Seine Vorstellung: In jedem Markt agiert ein nationales Unternehmen. Es nutzt seinen Heimvorteil aus, obwohl es dieselben international entwickelten Produkte verkauft, die die Partner in anderen Ländern nach der gleichen Masche an den Mann bringen. Damit die Bindung zwischen den nationalen Multi-Gesellschaften auch eng genug sind, verzahnt man sie überdies finanziell.

Den Beweis jedoch, daß außer ihm sonst noch jemand gut an solcher Zusammenarbeit verdient, muß de Benedetti noch antreten. Zwar hat er Acorn wieder aus der Malaise gelotst, doch für die große AT&T ist bis heute aus ihrem Engagement längst nicht soviel herausgesprungen, wie sie sich das bei ihrem Einstieg in Ivrea erhofft hatte. Doch die zusätzliche Liquidität, die Olivetti durch die US-Dollars erlangte, hat de Benedetti einige spektakuläre Geschäfte erleichtert.

Seine "globale und dauerhafte Strategie" verfolge er, so der Olivetti-Boß, "bereits" in Kooperationen mit AT&T, Toshiba und VW. Die vielen anderen "kleinen" Aktivitäten sind, so scheint es, nur das Hobby eines geborenen Industriellen. Aber mit dem Konnex zum VW-Konzern ist die Macht des Carlo de ToshivATTi, wie ihn Spötter schon nennen, weiter gewachsen. Es scheint, daß Benedetti sich gerne als Faktor der internationalen Wirtschaftspolitik sähe. Sein Pariser Statement ist dafür ein Beleg.