Mit dem Zoll unterwegs

Die Plagiatsjäger

23.02.2015
Von 
Armin Weiler kümmert sich um die rechercheintensiven Geschichten rund um den ITK-Channel und um die Themen der Distribution. Zudem ist er für den Bereich PCs und Peripherie zuständig. Zu seinen Spezialgebieten zählen daher Notebooks, PCs, Smartphones, Drucker, Displays und Eingabegeräte. Bei der inoffiziellen deutschen IT-Skimeisterschaft "CP Race" ist er für die Rennleitung verantwortlich.
Wenn es darum geht, Patentverletzungen, ignorierte Geschmacks- und Gebrauchsmuster oder schlicht Fälschungen zu entlarven, dann ist oft der Zoll gefragt. Wir haben die Beamten beim Kampf gegen Plagiate begleitet.

Samstagmorgen kurz nach acht. Während andere sich erst langsam über das Frühstück Gedanken machen, platzt die kleine Zolldienststelle auf der Frankfurter Messe aus allen Nähten. Wo sonst sechs Mitarbeiter des Zollamts Frankfurt am Main-Osthafen ihren Dienst tun, drängen sich rund 150 Menschen. Gleich wird die Paperworld, die Leitmesse der Papier-, Büro- und Schreibwarenbranche, ihre Pforten öffnen.

Mit dem Messebeginn starten auch der Zoll, die Staatsanwaltschaft sowie die Anti-Counterfied-Spezialisten der Hersteller ihre Suche nach gefälschten, nachgemachten oder rechteverletzenden Waren. Bereits im Vorfeld haben die Originalhersteller Verdachtsfälle zusammengetragen.

Heute werden drei Gruppen den Kampf gegen die Plagiate aufnehmen: Eine kümmert sich nur um Stifte, eine um Verbrauchsmaterial für Drucker und eine um den Rest. Stefan Pranzas, Sachbearbeiter Verbote und Beschränkungen beim Hauptzollamt Darmstadt, führt die Gruppe der Verbrauchsmaterialspezialisten an. Der Zoll nennt diese Aktionen "Rundgang", das klingt gemütlich, ist es aber für alle Beteiligten nicht.

Der Tross "Verbrauchsmaterial" steuert die Halle 6.0 an. Hier befindet sich die Heimat der Remanexpo, die die Aussteller aus den Bereichen Drucker-Verbrauchsmaterialien und Zubehör, Recycler-Industrie sowie OEM-Toner -Tintenkartuschen bündelt.

Auf der Paperworld in Frankfurt am Main: Originalhersteller kämpfen mit Hilfe des Zolls gegen Fälschungen und Plagiate.
Auf der Paperworld in Frankfurt am Main: Originalhersteller kämpfen mit Hilfe des Zolls gegen Fälschungen und Plagiate.

Am Halleneingang gibt Pranzas nochmals die Verhaltensregeln für die Gruppe durch. "Wenn Ihnen ein verdächtiges Produkt auffällt, dann sagen Sie erst uns Bescheid. Wir gehen dann auf den Stand und informieren die Betroffenen über den Sachverhalt. Betreten Sie erst den Stand, wenn wir das OK gegeben haben und fotografieren Sie nur nach Erlaubnis", lauten die Anweisungen. Dann geht es los.

Dienstpistolen und Aktenordner

Die Zollbeamten sind mit ihren Dienstpistolen bewaffnet, die Vertreter der Originalhersteller mit dicken Aktenordnern. Fast alle großen Drucker- und Kopiererhersteller sind mit Anwälten und Plagiatsspezialisten vertreten, die meisten wollen aber unerkannt bleiben.

Gleich zu Beginn der Zollaktion hat einer der Anwälte eines großen japanischen Kopiererherstellers ein verdächtiges Produkt auf dem Stand eines chinesischen Anbieters entdeckt. Die entsprechenden Kartuschen scheinen bei den Produktpiraten besonders beliebt zu sein, denn es ist nicht der letzte Einsatz für den Juristen. Was nun folgt, wird sich an diesem Tag in Halle 6 des Frankfurter Messegeländes mehrmals wiederholen: Der Zoll konfrontiert die Aussteller mit den Vorwürfen, die betroffenen Anbieter verneinen den Sachverhalt, die Anwälte und Produktspezialisten der Originalhersteller versuchen, anhand von Produktabbildungen und Listen ihren Anspruch zu untermauern.

Nun folgt der Auftritt eines weiteren Protagonisten in der Plagiats-Choreographie: Oberstaatsanwalt Weizmann begleitet den Trupp und entscheidet, ob ein Verfahren eingeleitet wird. In diesem Fall ist für Weizmann ein hinreichender Verdacht gegeben. Die Ausstellungsstücke werden beschlagnahmt, in allen Katalogen muss das Produkt geschwärzt werden, alle Werbeplakate müssen abgenommen oder übermalt werden und es wird eine Sicherheitsleistung fällig. Begleitet wird dies durch endlose Diskussionen. Der Standbetreiber versteht plötzlich kein Englisch mehr, doch auch dafür gibt es eine Lösung: Die Messegesellschaft stellt eine Dolmetscherin, die den Sachverhalt auf Chinesisch nachhaltig verdeutlicht.

Damit die Plagiate nicht weiter beworben werden können, müssen sie auf Plakaten oder in Katalogen geschwärzt werden.
Damit die Plagiate nicht weiter beworben werden können, müssen sie auf Plakaten oder in Katalogen geschwärzt werden.

Auch Druckerhersteller Brother hat zwei Anwälte und zwei Produktspezialisten mitgeschickt. Das Quartett weiß genau, wo verdächtige Tonerkartuschen zu finden sind. Dazu haben sie schon im Vorfeld gründlich recherchiert und das Vorgehen mit dem japanischen Headquarter abgestimmt. Enttäuschung macht sich allerdings breit, als bei einem Stand mit einem offensichtlichen Plagiat der Zoll nicht einschreiten kann: Der Anbieter aus Fernost hat eine Vertriebsniederlassung in der Europäischen Union. Hier endet die Zuständigkeit des Zolls, der auf der Messe nur bei "Grenzbezug" einschreitet. Hier wären andere Behörden zuständig. Zusammen mit dem Abstimmungsprozess mit Japan dauert das viel zu lange und der plagiatsverdächtige Hersteller bleibt erst einmal ungeschoren.

Ob die Zollaktionen wirklich etwas bringen, lesen Sie auf der nächsten Seite.