Euro-Umstellung/In der Finanz- und Versicherungswirtschaft läuft die Umstellung bereits

Die Personalknappheit erschwert einen einfachen Währungswechsel

28.11.1997

Auf die Banken kommen harte Zeiten zu. Sie werden im kommenden Jahr einen Großteil ihrer Arbeitskapazität in die Euro-Projekte stecken müssen. Kein Wunder, daß in der Finanzwirtschaft düstere Prognosen kursieren.

So beziffert das Dienstleistungsunternehmen Compass den Zusatzaufwand für die Programmanpassung auf 20000 Personenjahre innerhalb der kommenden 18 Monate. Das würde die Geldinstitute an ihre personellen Grenzen bringen. Erschwerend käme hinzu, daß auf dem Arbeitsmarkt nicht genügend qualifizierte Entwickler zur Verfügung stehen.

Derzeit versuchen die Banken herauszufinden, welche Geschäftsprozesse, organisatorischen Abläufe und DV-Systeme von der Einführung des Euro betroffen sind. Schließlich sind sämtliche Zahlungs-, Rechnungslegungs- und Abwicklungsverfahren rechtzeitig umzustellen.

Michael Reichhardt, Mitglied der Projektleitung Währungsunion in der Frankfurter SGZ Bank AG, ist sich der komplexen Aufgabenstellung bewußt: "Es bleibt den Banken doch gar nichts anderes übrig, als alle Geschäftsprozesse genau zu analysieren und entsprechend zu reagieren." Zumal sich juristische Unklarheiten zusätzlich negativ auf die DV-Planung auswirken würden.

Reichhardt räumt ein, daß das Unternehmen bei der Anpassung der DV-Systeme ohne fremde Hilfe nicht auskommen werde. Um bei der Suche nach Externen kein Fiasko zu erleben, habe die SGZ Bank vorgesorgt: "Es war doch vorhersehbar, daß die Ressourcen knapp werden. Also haben wir die erforderlichen Programmierer bei den entsprechenden Software-Anbietern vorab reserviert."

Für Klaus Enger, Fachbereichsleiter Europäische Währungs- und Wirtschaftsunion (EWWU) beim Debis Systemhaus in Düsseldorf, steht ebenfalls fest, daß Personalengpässe zum großen Problem werden. Schließlich seien in den Unternehmen die eigenen Leute mit den alltäglichen Softwarepflege- und Wartungsarbeiten beschäftigt und der externe Personalmarkt bereits heute so gut wie leergefegt. Der Debis-Mann:"Im DV-Bereich haben wir es derzeit mit einer Überschneidung der Ressourcenanforderung zu tun."Sowohl für die Jahreszahlen-Umstellung als auch für die Euro-Einführung würden dringend Cobol-, Assembler und PL/1-Programmierer benötigt. Diese müßten in der Lage sein, große Programmsysteme zu analysieren und entsprechend zu ändern. In den meisten Unternehmen würden für diese Fleißaufgaben die eigenen Mitarbeiter nicht ausreichen. Der Düsseldorfer Berater ist überzeugt, daß dies wohl auch der wesentliche Grund dafür sei, warum viele Unternehmen die Euro-Umstellung noch vor sich herschieben.

Debis selbst macht sich Programmierkapazitäten von Unternehmen im osteuropäischen oder indischen Markt zunutze. "In unserem Haus lautet die Devise, weder für das Euro- noch für das Jahr-2000-Projekt auch nur einen einzigen Programmierer einzustellen", erklärt Enger. Schließlich werde der Personalbedarf nach dem Jahr 2002 schlagartig zurückgehen.

Wenig Sorgen in puncto Euro-Umstellung müssen sich die Verantwortlichen bei der Bayerischen Vereinsbank in München machen. Gut ein Jahr vor Einführung der gemeinsamen europäischen Währung sind sie mit ihrem Zwischenergebnis zufrieden. Dazu Peter Spitzer, Leiter Project Office-Technik EWU: "Die Organisation hat sich bewährt, alle Projekte bewegen sich im Plan, erste sind bereits abgeschlossen und laufen Euro-fähig im Normalbetrieb."

Daß der Aufwand insgesamt geringer ist, als ursprünglich geplant, kommt den Verantwortlichen nicht ungelegen. BV-Mann Spitzer ist überzeugt, daß sein Unternehmen heute davon profitiert, die Euro-Umstellung frühzeitig in Angriff genommen zu haben. Konzeption, Zeitplanung und Projekt-Management hat die Bayerische Vereinsbank ohne fremde Hilfe geleistet.

Währungsfachmann Spitzer: "Das Vertrauen, diese schwierige Aufgabe ohne externe Hilfe zu lösen, haben wir aus den Erfahrungen der Integration der Vereins- und Westbank in die Systeme der Bayerischen Vereinsbank gewonnen." Bereits damals habe die Kooperation zwischen DV- und Fachbereichen eine wesentliche Rolle gespielt - was dem Euro-Vorhaben jetzt zugute komme.

Schließlich handelt es sich, so der BV-Manager, beim Projekt Europäische Währungsunion um mehr als nur eine rein technisch/ organisatorische Umstellung. Im Grund seien alle Bereiche der Bank davon betroffen. Für die technische Umsetzung des Projekts war jedoch aufgrund des großen Personalaufwands die Unterstützung von Externen erforderlich.

Das Know-how für die anstehenden Probleme haben sich die Mitarbeiter der Planungs- und Steuerungsgruppe im Laufe ihrer beruflichen Praxis angeeignet. Spitzer: "Praxiswissen sowie Erfahrungen mit Planungs- und Steuerungsfragen sind für die erfolgreiche Durchführung des Euro-Projekts unabdingbare Voraussetzungen. Der Besuch von ein oder zwei Seminaren zu diesem Thema reicht bei diesem komplexen Aufgabengebiet nicht."

Sein Rat an Unternehmen, die das Projekt noch vor sich haben: "Schnellstens eine detaillierte Vorstudie durchführen, daraus Entscheidungsvorlagen erstellen, Kosten und Nutzen gegeneinander abwägen und eine unternehmerische Entscheidung treffen. Diese sollte dann im Unternehmen auch konsequent gelebt werden."

Eher gelassen sieht Franz Dietl, Leiter des Bereichs Datenverarbeitung bei WWK-Versicherungen in München, in die Euro-Zukunft: "Während bei den Banken die Euro-Einführung Pflicht ist, ist sie bei den Versicherungen eher eine Kür." Derzeit wird in seinem Haus zusammen mit einem Beratungsunternehmen eine Grobstudie - getrennt nach Kernprozeß und Nicht-Kernprozessen - erstellt. Dietl: "Wir haben als Termin für die Euro-Umstellung das Jahr 2002 im Visier. Bis dahin ist noch genügend Zeit."

Erst nach Vorlage der Untersuchungsergebnisse wollen sich die Verantwortlichen im Hause WWK über den erforderlichen Aufwand sowie die personelle Situation Gedanken machen. Der Münchener DV-Experte zum Vorgehen: "Die Unternehmensleitung muß zunächst einmal herausfinden, was die Einführung des Euro für das Unternehmen bedeutet. Dazu gehört, genau zu identifizieren, welche Prozesse, Unternehmensbereiche und im folgenden welche DV-Systeme davon betroffen sind. Es führt aus unserer Sicht kein Weg daran vorbei, alle Prozesse zu untersuchen, bei den anfallenden Kosten Pro und Kontra abzuwägen und dann eine strategische Entscheidung zu treffen."

Vor allem müßten die Versicherungsunternehmen darüber nachdenken, wie sie sich künftig präsentieren wollen. WWK-Mann Dietl: "Die Frage ist doch, ob Versicherer künftig ein Euro-Produkt anbieten wollen oder nicht." Davon hänge auch der Umstellungszeitpunkt ab. Während sich eine ganze Reihe von Versicherungsunternehmen bereits dafür entschieden hätten, hielten sich andere noch zurück, um gegenüber den Mitbewerbern "ein As im Ärmel" zu haben. Wer sich allerdings für eine aktive Euro-Strategie entschieden, aber mit der Umstellung noch nicht angefangen habe, für den, so Dietl, werde die Luft langsam dünn.

Gerling-Konzern will bis 1999 fertig werden

Beim Kölner Gerling-Konzern drängt die Zeit in der Tat. Hier hat sich die Geschäftsleitung nämlich für eine "Euro-freundliche" Strategie entschieden. Ein Problem sieht Euro-Projektleiter Robert Tröger darin, daß im Jahr 1998 große Ressourcen-Kapazitäten gebunden sind: "Rund 60 Prozent des gesamten Euro-DV-Umstellungsaufwands wird zeitnah bereits bis zum 1. Januar 1999 realisiert werden."

Da die Hälfte der Euro-Einführung Aufgabe der Fachbereiche sei, werden beim Gerling-Konzern zwar im Projekt "Jahr-2000" eine ganze Reihe von Externen eingesetzt, das Projekt Euro aber hauptsächlich von eigenen Mitarbeitern betreut. Dazu Tröger: "Wir schaufeln unsere eigenen Leute ganz bewußt teilweise von der Jahreszahlen-Umstellung frei, da die Mitarbeiter, die bei der fachlich orientierten Euro-Realisierung eingesetzt werden, einen höheren Grad an Anwendungs-Know-how mitbringen müssen."

Großen Wert legt der Versicherer auf die Qualifikation der Mitarbeiter. "Um eine flächendeckende Sensibilisierung der Problematik zu erreichen, werden zunächst einmal unsere Außendienst-Mitarbeiter Eurogebrieft", erläutert der Kölner DV-Experte. "Schließlich sind sie diejenigen, die im Kundengespräch Euro-freundlich reagieren müssen." Die Sachbearbeiter im Hause würden ebenfalls entsprechend geschult.

Darüber hinaus hält es der Gerling-Manager für immens wichtig, eine eindeutige Strategie in puncto Euro zu fahren. Egal, wie diese letztlich aussehe, entscheidend sei die Transparenz, um die erfoderlichen Maßnahmen auf einer Zeitachse abzubilden. Dafür sei es nun einmal erforderlich, die Problemstellungen rechtzeitig zu strukturieren, zu analysieren und sich in Abhängigkeit mit vielen internen und externen Einzelfaktoren für ein Verfahren zu entscheiden.

Da es sich bei der Euro-Einführung vor allem um ein fach- liches Problem handle, sei die Einbindung des Topmanagements von größter Bedeutung. Tröger: "Erfolg kann sich nur einstellen, wenn das Unternehmens-Management diese Entscheidung trägt und entschlossen vorantreibt."

Der Versicherungsmann bedauert, daß viele Maßnahmen zur Euro-Umstellung auf der Basis von Annahmen durchzuführen seien, da der Gesetzgeber über eine ganze Reihe von externen Rahmenbedingungen derzeit noch nicht entschieden hat. Sowohl Banken als auch Versicherungsunternehmen, die jetzt damit beginnen, ihre DV-Systeme umzurüsten, müßten damit rechnen, daß sich mancher Eingriff im nachhinein als überflüssig erweise.

Dieses "ins Blaue hinein planen müssen" sieht auch Andre Gsponer, Vizedirektor Euro-Koordinator beim Schweizerischen Bankverein in Basel, mit Unbehagen: "Bei der Konvertierung müssen wir an so viele Möglichkeiten denken, von denen manche wahrscheinlich überhaupt nicht eintreffen werden."

Mit der Konzeption der Euro-Umstellung haben die Schweizer Mitte letzten Jahres begonnen. An den Vorarbeiten sind derzeit etwa 20 Mitarbeiter beteiligt. Personalprobleme fürchtet der eidgenössische Euro-Experte weniger, da man eng mit der Informatik-Tochter Systor zusammenarbeite. Um die Mitarbeiter des Schweizerischen Bankvereins in puncto Euro fit zu machen, erhalten alle eine CD mit Informationen über den Euro.

Gsponer sieht auf sich und seine Mitarbeiter in nächster Zeit viel Arbeit zukommen. In einem Punkt aber ist sich der Schweizer Währungsexperte mit seinen deutschen Kollegen einig: Die Euro-Einführung mit all ihren Auswirkungen ist als Vorstandsthema mit allerhöchster Priorität zu behandeln..

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Verbunden mit der Euro-Einführung müssen viele Unternehmen ihre Organisation ändern und die DV überarbeiten. Die Finanzwirtschaft trifft es aber früher als andere Branchen. Der Bundesverband deutscher Banken schätzt, daß die IT-Organisationen der Geldinstitute etwa 25 Prozent ihrer Arbeitskapazitäten in diese hochkomplexen Aufgaben stecken müssen. Darüber hinaus wird Hilfe von externen Spezialisten erforderlich sein. Da der Markt geeigneter freiberuflicher DV-Experten so gut wie leergefegt ist und einige IT-Dienstleistungsunternehmen keine Aufträge mehr annehmen, werden davon jene Unternehmen profitieren, die entsprechend vorgesorgt haben.

*Ina Hönicke arbeitet als freiberufliche Journalistin in München.