Kundenbindung via Internet/Kunden auch im Web aufmerksam begegnen

Die Page als Visitenkarte - Der erste Eindruck entscheidet

28.02.1997

Die wichtigste Vorbedingung einer Internet-Strategie ist Nachdenken. Es geht nicht nur um das Wann, sondern auch um das Wie und Was. Es gilt zu überlegen, was man erreichen will, und was speziell das Internet dazu beitragen kann.

Kundenbindung heißt im Zusammenhang mit dem Internet, den Kunden an diesen Zugang zu einem Anbieter heranzuführen, um ihn so an sich zu binden. Dazu muß dem Kunden in diesem Medium ein Mehrwert geboten werden. Die Vorteile des Internet, die dabei zum Tragen kommen könnten, sind die potentielle Aktualität der angebotenen Information und die Möglichkeit für den Kunden, sich diese seinen Bedürfnissen entsprechend zusammenzustellen.

Das Internet bietet außerdem Interaktivität in Form von Suchroutinen, Fragebögen, Bestellabwicklungen und Finanzgeschäften. Produkte lassen sich billiger anbieten, da der Zwischenhandel entfällt. Das Internet eröffnet mithin neue Wege, dem Kunden Dienstleistungen anzubieten - dies allerdings um den Preis der fehlenden persönlichen Beratung.

Vor dem Einstieg ins Internet sollte man sich also überlegen, ob sich die Produkte und der Kundenkreis mit diesem Medium vertragen. Besteht für das Produkt Bedarf an permanenter Information? Ist es schnellebig oder eine häufig beziehungsweise wiederholt benötigte Dienstleistung? Ein klassisches Beispiel für ein solches Produkt ist Software mit ihren kurzen Versionszyklen. Aufgrund ihrer Form bietet sich die Distribution via Internet direkt an.

"Communities of Interest", die eine Vielzahl von Angeboten zum gleichen Thema enthalten, bieten dem Internet-Benutzer ebenfalls einen Mehrwert. Solche Interessengemeinschaften können sich beispielsweise auf Sportarten, aber auch auf einen bestimmten Bereich technischer Information beziehen. Darüber hinaus kann man generell Internet-Informationspakete als VIP-Seiten aufsetzen, die nur einem ausgewählten Personenkreis zugänglich sind.

Die Reichweite des Internet trägt im Idealfall dazu bei, sich neue Absatzmärkte zu erschließen. Denn die Internet-Präsenz erlaubt es, das Kunden- beziehungsweise Besucherverhalten zu beobachten und anhand dieser Erkenntnisse die Marktorientierung zu verbessern. Doch Vorsicht: Internet-Nutzer könnten als klassische Web-Surfer zufällig auf Angebote gestoßen sein.

Kunden können andererseits wiederholt und unabhängig von Tageszeit und Ort auf ein Angebot zugreifen, nur Informationen holen oder etwas bestellen und sich zielgerichtet im Internet bewegen. Für den Anbieter heißt das, die Zielgruppe muß Bestandteil der Diskussion über das Ob, Wie und Was der Internet-Präsenz sein.

Der Weg zu einer optimalen Web-Präsenz ist dann erheblich einfacher, wenn nach einer Methode vorgegangen wird, die schnell sichtbare Ergebnisse liefert und Wirtschaftlichkeitsaspekte beachtet. Dabei ist es nicht so wichtig, ob Hard- und Software auf dem jeweils allerneuesten Stand sind. Was wirklich zählt, ist, daß die vorhandene Technik optimal genutzt wird. Sonst läuft die Web-Seite dem Zeitgeist ständig hinterher, statt ihn mitzubestimmen.

Eine Erfolgsvoraussetzung ist, von Anfang an alle Betroffenen in das Vorhaben einzubeziehen: Management, Marketing, Fachabteilungen (beispielsweise bei Electronic Commerce), DV/Org., "Weblication"-Experten, wenn möglich auch potentielle Internet-Kunden.

In der Phase Innovation/Scope gilt es, herauszuarbeiten, was genau die Internet-Präsenz bewirken soll. Wie lauten die Geschäftsziele? Wie sollen sie erreicht werden? Was sind die kritischen Erfolgsfaktoren? Wer soll angesprochen werden? Sollen lediglich die vorhandenen Kundenbeziehungen intensiviert oder sollen Neukunden gewonnen und an das Unternehmen gebunden werden? Kann die Zielgruppe das Angebot überhaupt nutzen? Was kostet sie die Nutzung? Die Geschäftsprozesse müssen - insbesondere wenn es sich um Electronic Commerce handelt - einbezogen werden.

Ergebnisse dieser Phase sind Klarheit und vor allem Konsens aller Beteiligten über Zielsetzung, Zielgruppe, Zeitrahmen, Wirtschaftlichkeit, notwendige organisatorische Maßnahmen, erforderliche DV-Funktionalitäten und den Zeitrahmen ( auch für einzelne Abschnitte) des Vorhabens. Wesentlich ist hierbei, mit dem wichtigsten anzufangen und nicht alles auf einmal erreichen zu wollen.

Im Schritt Rapid Solution Development erfolgt parallel zur technischen Umsetzung die Implementierung der organisatorischen Änderungen. Sie werden in einem organisatorischen Prototyping getestet. In dieser Phase sind Überlegungen nötig, wie man Kunden zur Nutzung des Internet anregen könnte. Eine österreichische Handelskette bietet zum Beispiel bestimmte Produkte nur über das Internet an; jeder Besteller bekommt einen Gutschein.

Ferner erfolgt anhand einer bewährten Methode (Rapid Application Development) die schnelle und qualitativ hochwertige technische Umsetzung der in Innovation/Scope festgelegten Funktionalitäten. In die Gestaltung der Web-Seite(n) wird der künftige Kunde einbezogen.

In Kombination mit dem altbewährten Prototyping und einem intensiven Usability-Test garantiert dies eine höchstmögliche Benutzerakzeptanz. Wurden zuvor unterschiedliche Kundentypen (etwa verschiedene Alters- und Berufsgruppen) definiert, sollten alle Interessengruppen vertreten sein.

Mit dem ersten Tag der Web-Präsenz beginnen auch alle davon tangierten internen und organisatorischen Maßnahmen. Der prognostizierte Nutzen ist kontinuierlich zu überprüfen. Ein elektronischer Fragebogen ist eine gute Möglichkeit für ein Feedback der Kunden.

Noch besser gerät die Web-Präsenz, wenn die Anregungen eines Kunden auch umgesetzt und dieser persönlich darüber informiert wird. Dies umfaßt kontinuierliche Pflege und Optimierung der Web-Seiten und die Aufnahme weiterer Serviceangebote ins Web.

Zur Optimierung lassen sich neben dem erwähnten Fragebogen die Anzahl der Aufrufe der Web-Seite (Hits), der Hyperlinks, der Klicks auf bestimmte Buttons etc. auswerten. Der für die Pflege, Optimierung und "Webifizierung" benötigte Personalbedarf sollte von vornherein eingeplant sein.

Es ist ein nicht wiedergutzumachender Fehler, am falschen Ende zu sparen, die Internet-Präsenz als etwas einzustufen, das schnell und billig zu haben ist. Eine peinliche Web-Seite vertreibt die Kunden eher, als sie zu binden. Kundenbindung via Internet funktioniert erst dann, wenn die Internet-Präsenz professionell vorbereitet und vor allem auch kontinuierlich gepflegt und betreut wird. Weil es letztendlich um das Firmenimage geht, spielt Qualität eine große Rolle. Und die wiederum hat bekanntlich ihren Preis.

Benutzerfreundlich

Kennzeichen einer guten Web-Seite:

-Sie ist gepflegt und ständig up to date.

-Als global verfügbare Visitenkarte des Unternehmens animiert sie den Kunden zu einem weiteren Besuch.

-Sie verwendet Hyperlinks in "homöopathischer Dosierung", wohl wissend, daß zu viele Links das Web zu einer Zeitverschwendungsmaschine machen und den Kunden vergraulen.

-Sie macht Gebrauch von den Möglichkeiten des Internet, ohne mit Gimmicks aller Art überladen zu sein.

-Sie berücksichtigt die Bedürfnisse und Fähigkeiten unterschiedlicher Zielgruppen und ermöglicht entsprechend spezifische Einstiege. Internet-Nutzung soll Spaß machen.

-Sie ist klar strukturiert und hilft dem Interessenten, sich auf den Inhalt des Angebots zu konzentrieren.

-Sie orientiert sich an der technischen Ausstattung der Kunden und der Kapazität der vorhandenen Verbindungen. Eine noch so gelungene Animation verfehlt ihren Zweck, wenn der interessierte Web-Nutzer sie nur mühsam herunterladen kann.

Beispiele aus unterschiedlichen Branchen

Handel:

Für Anbieter und Kunden gleichermaßen vorteilhaft ist der CD-Handel via Internet. Der Kunde kann die CDs in Ruhe auswählen und hineinhören sowie Zusatzinformationen abrufen. Er verliert keine Zeit mit Fahrt zum Laden, Parkplatzsuche etc. Einen Tag nach der Bestellung erhält der Käufer die Auftragsbestätigung, vier Tage später die Ware (USA-Europa). Außerdem sind die CDs trotz der Versandkosten zirka 35 Prozent billiger als im Laden. Der Händler wiederum spart Kosten von Geschäftsräumen. Zudem erhält er umfangreiche Angaben über seine Kunden (soziodemografische Daten, Einkaufsgewohnheiten etc.).

Telekommunikation:

Ein großes amerikanisches Telekommunikations-Unternehmen bietet seine gesamte Produktpalette via Internet an. Und das ist sehr gut gemacht. Der Kunde fühlt sich persönlich angesprochen, da der Aufbau der Web-Seite und das jeweilige Informations- und Produktangebot auf seine speziellen Bedürfnisse zugeschnitten sind (Personalized Webexperience). Die Vorteile für das Unternehmen sind neben der größeren Reichweite des Angebots eine Reduktion der Kosten für Verkauf und Marketing. Der Internet-Einsatz führte bis dato sowohl zu einer Erhöhung der Neu- als auch der Folgegeschäfte.

Angeklickt

In Anbetracht nicht nur einiger weniger Web-Pages stellt sich die Frage, ob ihre Schöpfer sich wohl jemals mit jemandem unterhalten haben, den sie ansprechen möchten. Oft scheinen die Anbieter sich nicht einmal naheliegende Gedanken über die Ansprechpartner gemacht zu haben. Die Autorin zeigt Voraussetzungen dafür auf, wie man einem potentiellen Kunden nicht nur ansprechend begegnet, sondern ihn auch weiterhin für das Angebot interessieren kann.

*Christine Rothenbacher ist Management Consultant bei Cambrigde Technology Partners in Frankfurt.