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re:publica

Die neue Gesellschaft entsteht im Netz

13.04.2011
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Von Berlin aus in die Welt: Die re:publica hat sich von einer Nischenkonferenz für Web-Geeks zum wichtigsten Treffpunkt politischer Aktivisten gewandelt.

Der Einfluss der Netzgemeinde auf Politik, Unternehmen und die Gesellschaft allgemein stand einmal mehr im Vordergrund der re:publica in Berlin. Die Konferenz rund um alle Themen der digitalen Gesellschaft lockte in diesem Jahr erstmals mehr als 3000 Besucher an - die meisten unter ihnen Blogger und andere Netzaktive.

Mitorganisator Markus Beckedahl, Betreiber des bekannten Blogs netzpolitik.org, sieht die Konferenz in ihrer mittlerweile fünften Auflage langsam in der Mitte der Gesellschaft ankommen: "Viele Fragen, die wir in den Vorjahren aufgeworfen haben, kommen jetzt erst allmählich in den öffentlichen Diskurs", beschrieb er die Konferenz schon im Vorfeld. Damit sie ihrer Vorreiterrolle gerecht bleibt, standen auch in diesem Jahr Themen auf der Agenda, über die sich große Teile der Gesellschaft noch wenige bis gar keine Gedanken machen.

Anonym, aber einflussreich

Gabriella Coleman stellte die Anonymous-Bewegung vor, die in den vergangenen Monaten weltweit für Aufsehen gesorgt hat.
Gabriella Coleman stellte die Anonymous-Bewegung vor, die in den vergangenen Monaten weltweit für Aufsehen gesorgt hat.
Foto: (cc) Jonas Fischer/re:publica

Eine der Pioniere ist die Internetkultur-Anthropologin Gabriella Coleman, die an der New York University Medienkultur und Kommunikation lehrt. Sie beschäftigt sich intensiv mit der Hacker-Community "Anonymous". Weltbekannt wurde diese Bewegung Ende des vergangenen Jahres durch konzertierte DDoS-Attacken auf die Webauftritte von Mastercard, Visa und Paypal. Die Finanzdienstleister hatten unter politischem Druck der US-Regierung ihre Services gegenüber der Enthüllungsplattform Wikileaks eingestellt.

Liebgewonnene Tradition ist die Visualisierung der einzelnen Keynotes am Rande der Bühne. Hier im Hintergrund die grafische Zusammenfassung des Vortrags von Gabrielle Coleman über die Geschichte der Anonymous-Aktivisten.
Liebgewonnene Tradition ist die Visualisierung der einzelnen Keynotes am Rande der Bühne. Hier im Hintergrund die grafische Zusammenfassung des Vortrags von Gabrielle Coleman über die Geschichte der Anonymous-Aktivisten.
Foto: (cc) Jonas Fischer/re:publica

In ihrer Keynote hob Coleman hervor, dass Anonymous aus der Foto-Community 4chan hervorgegangen sei, es sich aber keinesfalls um eine klar definierbare Gruppe handle. Aufrufe zu Protesten und gemeinsamen Aktionen fänden zwar immer anonym aus der Webgemeinschaft heraus statt - der Name sei schließlich Programm - kämen aber schnell zu vielen Anhängern. Coleman bezeichnete Anonymous als "Schnittstelle für Geeks", um auch außerhalb des Netzes politisch aktiv zu werden. "Wenn es um die Menschenrechte geht, sind regionale Gesetze nicht länger gültig", erklärte sie die Aktivitäten von Anonymous, die sich seit einigen Monaten zunehmend auf die Straße verlagerten und ein Mitauslöser der Revolten im vorderarabischen Raum, insbesondere in Tunesien und Ägypten, gewesen seien. Entscheidend für das Engagement der Anonymous-Aktivisten sei die Tatsache, dass jeder Interessierte partizipieren könne, ohne persönliche Informationen preisgeben zu müssen.