Software-Entwicklungsregeln sind nicht einfach übertragbar

Die Multimedia-Programmierung stellt komplexe Anforderungen

27.11.1992

Der Einsatz audiovisueller Medien hat bei der Multimedia-Programmerstellung weitreichende Auswirkungen. Reichte es zur Entwicklung herkömmlicher Anwendungen aus, einen guten Designer und Programmierer zu haben, so sind jetzt ganz andere Fähigkeiten in verschiedensten Disziplinen gefordert. Eine Multimedia-Applikation wird nicht nur programmiert, so Gudrun Negele, sie wird produziert.

Wenn von Multimedia die Rede ist, meint man in der Regel die Verbindung zwischen verschiedenen Medien - Text, Grafik, Bild, Film und Ton. Das Wesentliche dabei ist die Verknüpfung dieser Medien durch die Computertechnik. Computer werden zum Sprechen gebracht, Videoclips laufen auf dem Bildschirm ab, und der Benutzer kann seinen eigenen Programmablauf bestimmen. Alles sicht- und hörbare, läßt sich über den Computer wiedergeben. Die Entwicklung eines entsprechenden Programms unterscheidet sich von traditioneller Softwerkerarbeit erheblich.

Im ersten Schritt gilt es, wie bei der herkömmlichen Programmentwicklung das Design zu erstellen. Hier ermittelt das verantwortliche Team, wie sich die fertige Anwendung dem Benutzer präsentieren und weiche Funktionalitäten sie ihm zur Verfügung stellen soll.

Erfahrenes Team aus zwei bis drei Mitarbeitern

In der nächsten Etappe produziert ein Teil des Entwicklerteams den eigentlichen Inhalt, nämlich Bild, Grafik, Video und Ton, und bringt ihn über Digitalisierung in ein computerverständliches Format. Erst im dritten Abschnitt ihrer Arbeit schreiben die Programmierer die entsprechende Software, die die genannten Inhalte zu einem logischen Zusammenhang verknüpft.

Die Aufgabe erfordert ein Team mit unterschiedlichsten Fähigkeiten. In der Regel ist zur Herstellung einer kleinen bis mittelgroßen Multimedia-Anwendung ein erfahrenes Team aus zwei bis drei Mitarbeitern erforderlich, die ökonomisch und effizient zusammenarbeiten. Die verschiedenen Aufgaben müssen dabei sehr klar differenziert und auf das Team verteilt werden.

Der Produzent als Kapitän der kleinen Mannschaft trägt die Gesamtverantwortung für den rechtzeitigen und erfolgreichen Abschluß der Produktion. Er koordiniert die Aufgaben, entwickelt das Budget, leitet die Entwicklung des kreativen Konzepts und hält ständigen Kontakt zu den Mitarbeitern, die die einzelnen Medienelemente erstellen. Er muß in erster Linie organisieren, managen, die Kommunikation anregen und koordinieren können.

An seiner Seite steht der Produktionsassistent als Mann für die planerischen Details. Er trifft Arrangements, vereinbart Termine und verwaltet die zahlreichen Aktionslisten. In seine Verantwortung fällt die rechtzeitige Fertigstellung der Teilarbeiten. Auf Einfallsreichtum und Organisationsgeschick ist er dringend angewiesen.

Bei der Produktion einer Multimedia-Applikation darf man auch das finanzielle Umfeld nicht vergessen. So werden beispielsweise Verträge mit Subunternehmern geschlossen, Rechnungen gestellt und Zuschüsse verwaltet. Ein guter Finanzverwalter ist hier gefragt.

Zu Beginn der Produktion müssen die Multimedia-Verantwortlichen ein Drehbuch über den inhaltlichen Ablauf der Arbeit am Programm erstellen.

Der Autor hört sich die Vorstellungen des Auftraggebers an und formuliert dessen Ideen und Konzepte in systematisierter Form. Er trifft die Entscheidung, welche Medien in welcher Kombination optimal zur Geltung kommen. Technische Kenntnisse und die Fähigkeit, gegebene Wünsche und Vorstellungen in arbeitspraktisch verwertbarer Weise zu formulieren, ergänzen sich hier.

Die Multimedia-taugliche Verarbeitung von Bild, Video und Ton stellt unterschiedliche Anforderungen an die Entwickler.

- Die Bildproduktion ist unter anderem das Feld des Designers. Er bestimmt das Look-and-feel der Applikation und legt das Aussehen der Benutzerschnittstelle fest. Die Produktion von Bildern umfaßt zwei Bereiche - das Erstellen von DV-Grafiken und die Erfassung beziehungsweise Digitalisierung von vorliegendem Bildmaterial (Image Capture).

Die DV-Grafiken umfassen nach den Vorgaben des Grafikers Menüs und Bildschirmseiten, die jeweils aus Grafik und Text bestehen. Der Grafiker muß DV-Erfahrung haben. Für die Erfassung von Vorlagen bedarf es eines Spezialisten mit geübtem Auge.

Die Vorlage soll möglichst wirkungsvoll, entweder als bildschirmfüllendes Bild oder als Teil des Bildschirms, zusammen mit Grafik und Text ausgegeben werden. Für neue Fotos ist es ratsam, einen Fotografen zu beauftragen, der auf das entsprechende Thema spezialisiert ist, um die Objekte möglichst treffend zu erfassen.

- Bei der Videoproduktion plant, koordiniert und überwacht der Videoproduzent alle Aktionen, die bei der Erstellung von Videos anfallen. Er sollte aus Erfahrung wissen, wie ein Video wirkt, wenn es digitalisiert am Bildschirm erscheint. Nicht selten haben deshalb die Produzenten einer Multimedia. Applikation schon in der Videoproduktion gearbeitet.

- Für die Tonproduktion stellt der Tonproduzent Musik und Soundeffekte zusammen und nimmt Sprache auf, die die Bild- und Videodarstellung wirkungsvoll untermalen. Er ist verantwortlich für die Digitalisierung der Audiotapes.

Die endgültige Programmierung verbindet die Entwicklungen in den drei aufgeführten Teilbereichen. Das Programm, das die entsprechenden Funktionen einer Multimedia-Softwarebibliothek aufruft, kann ein erfahrener Programmierer zum Beispiel in C schreiben. Alternativ dazu kann der DV-Spezialist zur Programmerstellung ein sogenanntes Autoren-Tool benutzen. Damit lassen sich auf einer höheren Programmierebene die Elemente ordnen und in eine bestimmte Abfolge bringen. Der Autor braucht dazu nicht mehr als grundlegende Programmiererfahrung.

Die kreativste Aufgabe bei der Entwicklung von Multimedia-Anwendungen ist die optimale Verwaltung der verfügbaren Ressourcen und Fähigkeiten, um das vorgegebene Ziel mit dem vorhandenen Budget und nach Maßgabe der gegebenen Hard- und Softwarespezifikationen zu erreichen.

Gudrun Negele arbeitet als Dozentin im Bildungszentrum der Digital Equipment GmbH in Unterföhring bei München.