Die mittelgroßen Beratungshäuser leiden

06.02.2006
Vom anziehenden IT-Servicemarkt profitieren große, breit aufgestellte Anbieter und kleine Spezialisten.
Die Entwicklung der IT-Servicehäuser im Jahr 2005 war sehr unterschiedlich. Die Prognosen beruhen auf vorläufigen Schätzungen von PAC.
Die Entwicklung der IT-Servicehäuser im Jahr 2005 war sehr unterschiedlich. Die Prognosen beruhen auf vorläufigen Schätzungen von PAC.
Anwender wollen in Sicherheit und Dokumenten-Management investieren. In diesen Märkten bieten sich Service-Provider gute Entfaltungsmöglichkeiten.
Anwender wollen in Sicherheit und Dokumenten-Management investieren. In diesen Märkten bieten sich Service-Provider gute Entfaltungsmöglichkeiten.

Der Strukturwandel im IT-Beratungsmarkt hat den klassischen IT-Consulting-Häusern bis auf wenige Ausnahmen den Garaus gemacht. Heute gibt es kaum noch Anbieter, die allein von Beratung und Projektarbeiten leben und dabei ausschließlich einheimische Mitarbeiter beschäftigen. "Die Anbieter haben an den eigenen Strukturen gearbeitet - die einen besser, die anderen schlechter", schildert Tobias Ortwein, Berater beim Marktforschungshaus Pierre Audoin Consultants (PAC). "Außerdem haben sie ihr Angebot neu ausgerichtet." Die Ansprüche der Kunden haben sich geändert, sie wollen schnellen Return on Investment und Projekte, die sich vornehmlich am Geschäftsnutzen orientieren. Diskussionen über technische Details gehören vielfach der Vergangenheit an.

Hier lesen Sie…

• wie stark der Servicemarkt wachsen wird;

• wer davon profitieren wird;

• was einige IT-Dienstleister versäumt haben.

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Der Vertrieb muss genau die Themen ansprechen, mit denen sich die CIOs derzeit beschäftigen. Im Rahmen der Industrialisierung in der IT können das Themen wie IT-Governance, IT-Risiko-Management und IT-Standardisierung sein. Zudem wird das Thema SOA (Services Oriented Architecture) nach Meinung von PAC branchenübergreifend in den kommenden Jahren immer stärker an Bedeutung gewinnen.

Der Markt wird wachsen

Doch trotz der im Vergleich zu früheren Jahren besseren Aussichten geht es der Branche unterm Strich nicht gut. Einigen profitablen und leistungsstarken Anbietern wie Accenture, IBM, Capgemini, Mummert, IDS Scheer und sd&m stehen eine Vielzahl von Unternehmen gegenüber, denen es entweder anhaltend schlecht geht (Bearingpoint, CSC Ploenzke, SBS) oder die gerade die Talsohle durchschreiten wie etwa Itelligence. Immerhin macht die Experton Group etwas Mut, denn sie rechnet damit, dass sich deutsche Unternehmen in Sachen IT-Services trotz einer immer noch angespannten wirtschaftlichen Situation künftig wieder investitionsbereiter zeigen. Insgesamt erwarten die Marktforscher ein Wachstum im IT-Servicemarkt von 5,8 Prozent und ein Volumen von 28,6 Milliarden Euro im laufenden Jahr. Bis 2008 soll sich das Geschäft um durchschnittlich 6,6 Prozent pro Jahr verbessern.

Mittelständler sparen weiter

Der Anstieg wird zunächst vor allem den großen Anbietern zugute kommen. "Die Anwenderunternehmen haben ihre IT-Investitionen in den vergangenen Jahren vor sich hergeschoben, nun müssen sie das Versäumte nachholen", nennt Dietmar Fink von der Deutschen Gesellschaft für Managementforschung (DGMF) in Bonn die Gründe. Gleichzeitig haben die Unternehmen jedoch die Zahl ihrer Partner reduziert, so dass vor allem große, breit aufgestellte IT-Anbieter und kleine Spezialisten vom Aufwärtstrend profitieren. Die mittelgroßen IT-Dienstleister, die ein breites Portfolio für mittelständische Kunden bereitstellen, müssen sich gedulden. "Der Mittelstand hat sehr lange nicht in IT investiert, so dass der Umbau, der nun erforderlich wäre, sehr teuer wird. Diese Aufwendungen scheuen die Unternehmen noch", warnt Fink, der auch Professor für Unternehmensberatung und -entwicklung an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg ist.

Allerdings zeigt die sehr unterschiedliche Geschäftsentwicklung großer und breit aufgestellter Anbieter wie Accenture, Capgemini, IBM, T-Systems, CSC Ploenzke und SBS auch, dass ein umfangreiches Portfolio nicht automatisch zum Erfolg führt. Einig sind sich die Marktbeobachter darin, dass nur internationale Sourcing-Modelle helfen, die internen Kosten in den Griff zu bekommen. Accenture kündigte beispielsweise an, die Zahl der Mitarbeiter in Südostasien in den kommenden drei Jahren auf 50000 verdoppeln zu wollen. Branchenprimus IBM Global Services heuerte allein im Jahr 2005 rund 15000 neue Mitarbeiter in Indien an und möchte dort bis Ende des Jahres etwa 50000 IT-Experten beschäftigen. Derzeit sind es knapp 39000.

Alternative Sourcing-Modelle

Mit einem derart radikalen Umbau des Geschäfts tun sich die beiden großen deutschen Anbieter schwer. "SBS kann es sich nicht leisten, in Deutschland Entlassungen anzukündigen und in Indien neue Servicezentren zu errichten", schildert Ortwein. "Ähnliches gilt für T-Systems." Die Abhängigkeit beider Anbieter vom deutschen Markt ist gemessen an ihrer Größe zu deutlich, zudem leidet insbesondere die Siemens-Tochter laut Ortwein unter den vergleichsweise hohen Overhead-Kosten.

Unter den mittelgroßen Anbietern gibt es bislang nur wenige wie etwa Itelligence, die den Schritt gewagt haben, Entwicklerteams in Niedriglohnländern zu beschäftigen. "Internationale Strukturen können allenfalls eine Handvoll Anbieter aufbauen und unterhalten", warnt Fink. Vielfach lohnt die Verlagerung in entfernte Länder nicht, weil Projekte für mittelständische Kunden zu klein sind. Einen Ausweg aus diesem Dilemma zeigt der Software-Dienstleister MSG aus München. Er lässt in Passau entwickeln, wo die Löhne geringer sind als in der bayerischen Landeshauptstadt, die örtliche Universität aber ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte heranbildet.

MSG ist zudem ein mittlerweile seltenes Beispiel für ein unabhängiges deutsches Unternehmen, das sich ausschließlich dem Beratungs- und Projektgeschäft widmet. Andere Anbieter, etwa Itelligence und TDS, haben ihr Portfolio zu Lasten der reinen SAP-Beratung um Outsourcing-Dienste ausgeweitet. Wieder andere IT-Dienstleister wie etwa Novasoft, Mummert, sd&m und Avinci sind bei größeren Konzernen untergeschlüpft und konnten sich unter dem schützenden Dach erholen. "sd&m hat einen klaren Fokus, eine gute Kundenbindung, und sehr gutes Topmanagement", lobt PAC-Analyst Ortwein die Capgemini-Tochter, die ihr eigenes, konzernunabhängiges Image pflegt. "Der Markenname ist wichtig", ermuntert Ortwein das Unternehmen. "Das stärkt auch das Selbstwertgefühl der Mitarbeiter."

Weitere Akquisitionen folgen

Die Konsolidierung in der Branche ist den Marktexperten zufolge keineswegs abgeschlossen, sondern wird noch weitere Opfer fordern. "Die mittelständischen SAP-Beratungshäuser haben in der Vergangenheit am furchtbarsten gelitten. Sie hatten einerseits nicht die kritische Größe, um ungeschoren durch die Krise zu kommen, waren andererseits aber zu groß, um mit den kleinen flexiblen Anbietern konkurrieren zu können. In diesem Segment gibt es noch einige Übernahmekandidaten", prognostiziert Ortwein.

DGMF-Chef Fink bestätigt diese Einschätzung und sieht den Grund für die unterschiedliche Leistungsfähigkeit im Management der Firmen. "Es gibt progressive Unternehmen, die die Krise genutzt haben, um sich neu aufzustellen und die eigenen Strukturen anzupassen. Nach einer schwierigen Phase geht es diesen Anbietern heute wieder gut, wogegen die konservativen Dienstleister, die an ihren herkömmlichen Geschäftsmodellen festgehalten haben, unter enormen Schwierigkeiten leiden." Besonders viele kleinere Anbieter haben es seiner Erfahrung zufolge versäumt, ihr Portfolio zu bereinigen und sich Spezialthemen zu widmen. Ihnen bleibe heute nur die Möglichkeit, sich intensiv um die Kunden zu kümmern, denn vielen drohe bereits die Insolvenz, wenn nur ein Vertragspartner in Zahlungsverzug gerate. "Als Alternative bleibt nur, sich als Subunternehmer einem großen Dienstleister anzuschließen oder sich von ihm kaufen zu lassen", rät Fink.