Wissensbedarf im DV-Bereich künftig eindeutig formulieren:

Die Mitarbeiter müssen mehr Verantwortung übernehmen

15.04.1988

MÜNCHEN (CW) - Das DV-Wissen der Mitarbeiter spielt in den Unternehmen eine immer wichtigere Rolle. Allerdings klafft die Schere zwischen Anforderungen und vorhandenem Know-how weit auseinander. Voraussetzung für den Erfolg bei der Mitarbeiterqualifikation: Der Betroffene muß am Ausbildungsprozeß mitbeteiligt werden, erklärt Harald Huber, Wirtschaftsassistent in Fellbach.

Die Datenverarbeitung hat sich von einem reinen Rationalisierungsmittel zu einem wettbewerbsbestimmenden Faktor gewandelt. Damit ist aber nicht nur die Bedeutung der DV-Anlagen gestiegen, sondern auch eine Anpassung an die neue Wettbewerbslandschaft kann nicht nur aus erhöhten Investitionen in Hard- und Software bestehen.

Wissensbedarf formulieren ist oberstes Gebot

Zu einem wesentlichen Faktor ist das Mitarbeiter-Know-how geworden, und vor allem hier wird immer deutlicher eine Differenz zwischen Anforderungen und Kapazität sichtbar. Diese Erscheinung ist nicht nur bei uns zu beobachten, sondern wird auch aus "DV-Hochburgen" wie Japan gemeldet. Es ist also - etwas einfach ausgedrückt - die Frage, ob die DV-Kapazitäten auch von DV-Kapazitäten genutzt werden.

Hierin liegt also eine Aufgabe aber auch eine Chance für die Zukunft. Einfach neues Personal einzustellen, ist nicht der richtige Weg, denn erstens ist es teuer und zweitens nicht in der benötigten Anzahl und Qualifikation vorhanden. Erforderlich ist vielmehr, das vorhandene Personal auf den notwendigen Wissensstand zu heben, das heißt, in die Mitarbeiterqualifikation zu investieren. Hierbei kommt es allerdings nicht nur auf die Höhe der Investition an, sondern auch auf den effizienten Einsatz des Kapitals.

Den meisten Unternehmen sind die Möglichkeiten einer Effizienzverbesserung jedoch unbekannt. Im allgemeinen wird ein Mitarbeiter zunächst einmal geschult. Schulungen, die meist von extern bezogen werden müssen, sind aber nicht nur teuer, sondern auch nicht sehr effizient. Dabei soll Schulungshäusern die Kompetenz keineswegs abgesprochen werden - ganz im Gegenteil. Tatsache aber ist, daß viele Mitarbeiter nach dem Training das Gefühl haben: "Das war ja schon recht interessant, aber brauche ich dieses Wissen?" Durch die große Bandbreite angebotenen Know-hows und durch den fehlenden Überblick über die Gesamtmaterie sind die meisten Mitarbeiter nicht in der Lage, ihren Wissensbedarf eindeutig zu formulieren. Dadurch aber wird der Wert der Schulung insgesamt in Frage gestellt.

Hier ist ein Grund dafür zu sehen, daß die klassischen Wege der Wissensvermittlung im Unternehmen an Effizienz verlieren; andererseits wird aber ein immer höherer Wirkungsgrad gefordert.

Deshalb ist es wichtig, von der einfachen Schulung der Mitarbeiter und der entsprechenden Planung zu einem integrierten Ansatz zu kommen, der die Ausbildung als ganzheitliches Problem auffaßt und in die Organisation miteinbezieht. Mit anderen Worten: Die Know-how-Diffusion im Unternehmen muß geplant werden.

Magere Ergebnisse im Ausbildungsbereich

Bis heute ist jedoch in vielen Firmen die Wissensdiffusion nicht Gegenstand der betrieblichen Planung. Zwar werden die Schulungen der Mitarbeiter geplant, häufig wird auch der Bedarf definiert. Diese Bedarfsplanung wird jedoch als Top-Down-Planung durchgeführt und bezieht sich nur auf die Unternehmenserfordernisse. Daß damit der einzelne Mitarbeiter nicht erfaßt werden kann und daß bei der Aufspaltung der Gesamtplanung auf die Teilpläne Ungenauigkeiten auftreten, braucht wohl nicht diskutiert werden.

Hier ist also ein neuer Denkansatz notwendig geworden. Er bezieht sich auf die Organisation, auf die Durchführung und auf die Mittel der Wissensvermittlung. Betrachtet man die bisherige Form der Wissensvermittlung, so kann man meistens folgende Struktur erkennen: Eine Organisation der Wissensvermittlung selbst existiert nicht, geplant und organisiert werden nur die Schulungen. Die betriebliche Organisation ist nicht auf eine möglichst optimale Know-how-Diffusion im Unternehmen ausgerichtet. In dem Aufbau des Betriebes ist nur die Unterstützung der User geplant, nicht aber die Wissensvermittlung. Ein Beispiel dafür ist das Information Center, beziehungsweise der Benutzerservice, das häufig die Anwender zwar unterstützt, nicht aber schult.

Der Wissensbedarf wird von den Aufgaben des Mitarbeiters abgeleitet, die entsprechenden Schulungen werden vom Manager in die Wege geleitet. Häufig ist der Mitarbeiter jedoch gezwungen, das notwendige Wissen über Kollegen oder Literatur am Arbeitsplatz zu erwerben. Wie das Beispiel einer deutschen Großorganisation zeigt, sind die dabei erzielten Ergebnisse recht mager. Soll nun die betriebliche Organisation auf eine möglichst optimale Know-how-Diffusion ausgerichtet werden, so müssen einige Aufgaben gelöst werden:

Die Wissensdiffusion muß in ihren Möglichkeiten geplant und die Organisation auf ihre Unterstützung ausgerichtet werden.

In der Planung sind die bedarfsgerechten Mittel für die jeweiligen Themen zu erwägen, die verschiedenen Stufen der Mitarbeiterbildung zu definieren sowie Möglichkeiten für Gruppen und Personen, die der Wissensvermittlung am Arbeitsplatz dienen, einzurichten.

Anlaufstelle für Sachbearbeiter einrichten

Auch die Motivation muß zum Beispiel durch werbeähnliche Strategien in Angriff genommen werden. Die Information, das heißt die Bereitstellung von Übersichtsmaterial über Technik und Organisation ist ebenfalls von großer Bedeutung.

Die Organisation muß den Mitarbeiter befähigen, seinen Bedarf selbst einzuschätzen, die Möglichkeiten zu erkennen, die ihm durch Erwerb des Wissens entstehen und Vorschläge für die Verbesserung der Ausrüstung und Schulungslandschaft zu äußern. Dazu sind zum Beispiel Stellen einzurichten, die dem Betroffenen als Anlaufstelle zur Verfügung stehen, die aber auch aus eigenem Antrieb informierend und motivierend tätig werden. Dabei sind die Ziele dieser Stellen eindeutig zu definieren und entsprechend zu bewerten.

Geplant werden müssen aber auch die Mittel der Wissensvermittlung.

Im Spielzimmer neue Techniken kennenlernen

Sicher werden traditionelle Schulungen nicht aussterben, die neue Organisation und die größere Selbstverantwortung der Mitarbeiter erfordern jedoch neue Lehrmittel. Wenn die Mitarbeiter Wissen auf Grund ihrer eigenen Bedarfsschätzung erwerben sollen, dann muß Lehrmaterial auf Abruf bereitstehen. Zu dieser Art von Lernmitteln zählen zum Beispiel Lernprogramme. Sie erscheinen als günstiger Kompromiß, da sie mehr Animation und Flexibilität aufweisen als bisherige Lernunterlagen oder programmierte Unterweisungen und dennoch billiger sind als Schulungen. Ihr Hauptvorteil besteht aber aus einer absoluten zeitlichen Flexibilität. Zu dieser Art von Lernprogrammen zählen auch die Tutorials der PC-Tools, die damit auch in die Organisation miteinbezogen werden können. Bei den Mainframe-Anwendungen werden meist keine Tutorials mitgeliefert, hier aber bestehen besondere Lernprogramme, zum Beispiel für PROFS, DB2 oder SQL.

Neue Lernmittel auf dem Vormarsch

Möglich sind aber auch "Spielzimmer", die in Form eines Information Centers das spielerische Kennenlernen der neuen Technik ermöglichen. So haben schon mehrere Firmen Einrichtungen geschaffen, wo der Mitarbeiter die neuen Techniken und Geräte ausprobieren, dabei aber immer auf die Unterstützung und Beratung des anwesenden Personals zurückgreifen kann.

Weitere Wege der Wissensvermittlung sind die Weitergabe des Know-hows über Promotoren und über werbeähnliche Informationsveranstaltungen. Auch der Wissenserwerb am Arbeitsplatz kann in dieser Organisation durchaus sinnvoll sein. Da der Mitarbeiter über Ziele und Möglichkeiten informiert ist und sich in seinem Wissensstand selbst einordnen kann, kann er sich auch selbst zielorientiert weiterbilden.

Dieser Denkansatz wird in der Theorie schon intensiv diskutiert, bleibt aber in der Praxis weitgehend unberücksichtigt. Von sechs Firmen, die ihre Strategie zur Einführung und Unterstützung der Datenverarbeitung veröffentlichten, hatte nur die Hälfte überhaupt die Schulung als Strategiebestandteil betrachtet, und nur in einem Fall wurde den Mitarbeitern die Möglichkeit geboten, sich selbst zu informieren und zu schulen.

Dieser neue Weg scheint vielen Unternehmen eine Chance zu bieten, künftig dem Qualifikationsengpaß zu entkommen.