Die Messevernunft bleibt auf der Strecke

19.07.1985

Jetzt haben wir also eine neue Fachmesse (Seite 1: "Systems-Macher spielen Systec gegen CeBIT aus"). Die Münchener Messe- und Austellungsgesellschaft (MMG) umwirbt die mittelständische Wirtschaft. Doch selbst in MMG-nahen Kreisen hält sich die Begeisterung in Grenzen. So gibt es eine Gruppe von CAD/ GAM-Anbietern, die den Münchner Kurs zwar ausdrücklich unterstützt, gleichzeitig aber davor warnt, eine Messeflut zu erzeugen. Tenor: "Das Konzept zielt allzu offensichtlich darauf ab, auf der vermeintlichen CAD-Erfolgswelle mitzuschwimmen."

Die Kritiker argwöhnen überdies, das Systec-Announcement könnte als Anti-Hannover-Demonstration gemeint sein. Man hatte den Münchnern zugetraut, mit einer jährlichen "Systems" gegenzuhalten, als feststand, daß die Hermes-Ära ("größte Industriemesse der Welt") mit der Herauslösung von CeBIT im kommenden Jahr zu Ende gehen würde.

Die Bajuwaren haben der Versuchung widerstanden, es allen Gruppen in der DV- und Bürobranche recht machen zu wollen - immerhin ein Lichtblick. Bei vielen Computer-Herstellern bleibt gleichwohl ein latentes Unbehagen über die Inflation der Messen. Sie sehen keinen Sinn mehr im "olympischen" Dabeisein. Auf dem Mikrosektor etwa verkommt die Messeteilnahme (Frankfurt, Köln etc.) immer mehr zu einer Prestige-Angelegenheit für die DV-Hersteller.

"Prestige" ist das Reizwort für die andauernde CeBIT-Diskussion. In ihrem zwanghaft anmutenden Bemühen, die Teilung zu rechtfertigen, haben die Messe-Manager in Hannover viele Aussteller verprellt. Wer sich etwa als Anbieter von Telekommunikations-Equipment oder CIM-Systemen (Computer Integrated Manufacturing) für eine der beiden Hannover-Messen zu entscheiden hat, muß enttäuscht feststellen, daß die Messegesellschaft von sich aus kaum Orientierungshilfen gibt.

Im Gegenteil: Die Matras, Computervisions, Intergraphs, Calmas und Control Datas werden unmißverständlich aufgefordert, an beiden Veranstaltungen teilzunehmen. Nur ist das für kleinere Anbieter besonders unsinnig. So klagt man darüber, das Vernünftige sei messepolitisch nicht durchsetzbar, macht aber letztlich doch mit - koste es, was es wolle.

Über die Hannover-Teilung ist viel geschrieben worden. An dieser Stelle ein vorläufiges Resümee: Sie wäre zu vermeiden gewesen. Durch eine Begrenzung der Standflächen beispielsweise, oder durch Beschränkung auf den eigentlichen DV-Bereich, was das CeBIT-Angebot betrifft.

Eine Therapie setzt freilich voraus, daß man die Ursachen der Krise aufdeckt (Stichwort "Messe-Gigantismus"). Daran war offenbar keinem gelegen - den großen Ausstellern nicht (IBM, Siemens, Nixdorf etc.), der Messegesellschaft schon gar nicht. Statt dessen wird so getan, als sei alles in Butter. Das Wort von der "Solidarität" geht den Verantwortlichen in der Industrie flott von den Lippen.

Nur: Es gibt keine Solidarität unter den DV-Herstellern. Man lese einmal nach, wer sich die größten Standflächen unter den Nagel gerissen hat. Die bekannten Namen tauchen auf: Nixdorf, IBM, Siemens - die Totengräber, man muß es so hart sagen, des alten CeBIT.

Noch haben die Kleinen eine kleine Chance, die Dinge in ihrem Sinne zu beeinflussen, indem sie eben nicht mitspielen. Sonst bleibt die Messevernunft auf der Strecke. Es muß nicht soweit kommen.