CeBIT-Spektakel kommt bei bundesdeutschen DV-Profis nicht an:

"Die Messegesellschaft liegt völlig falsch"

27.03.1987

Auf immer mehr Ablehnung stößt die CeBIT ohne Industrie bei den bundesdeutschen DV-Profis. Hielt sich ihre Kritik bei der letztjährigen Premiere noch in Grenzen, so machen sie in diesem Jahr ihrem Unmut lauthals Luft. Einhelliger Tenor: "Wir fühlen uns hier völlig fehl am Platz."

Schon im Vorfeld der CeBIT hatte sich abgezeichnet, daß immer weniger DV-Experten nach Hannover kommen. Selbst jene, die im direkten Umfeld der Leine-Metropole arbeiten, wollten nicht einmal einen Tag in dieses High-Tech-Spektakel investieren. Polterte Gerhard Karck vom Rosh-Rechenzentrum in Raisdorf bei Kiel: "Ich mache diesen Zirkus einfach nicht mehr mit. 22 Jahre bin ich regelmäßig zur Hannover-Messe gekommen, doch seit der Teilung weiß ich nicht mehr, was ich da soll. " Außerdem, so Karck, gehe der CeBIT -jegliche Internationalität ab. "Hannover ist ein deutsch-nationaler Computertreff - nicht mehr und nicht weniger."

Auch Rainer Sitzmann, Leiter Organisation/Informationssysteme der SH-Schieder-Möbel Holding GmbH, fällt der Gang zur Hannover-Messe immer schwerer. Zwar hat er bislang noch jedes Jahr an dem High-Tech-Spektakel teilgenommen, zum Teil sogar über mehrere Tage hinweg. Doch mit der Zweiteilung, von der er sich anfangs viel versprochen hatte, kann er nichts anfangen. "Ich hatte mir von dem neuen Konzept mehr Ruhe für Gespräche erhofft. Außerdem war ich das Gedrängel in den Gängen und auf den Ständen leid." Die Ernüchterung kam schnell. Der

DV-Profi: "Die Messegesellschaft liegt völlig falsch. Alles redet von Integration, und ausgerechnet Hannover zieht den sauberen Schnitt;" Was helfe schon die auf der CeBIT angepriesene Integrationslösung, wenn die Werkzeugmaschine, die das gesamte Anwendungspaket veranschaulichen könnte, erst auf der Industrie-Messe zu sehen sei.

Er plädiert dafür , beide Messen wieder zu vereinen, die Besucherströme jedoch zu kanalisieren. Warum, fragt sich der Schieder DV-Profi, könnten ausgerechnet die Veranstalter von High-Tech-Messen nicht, was selbst die kleinste Bereichsmesse zustande brächte: an einigen Tagen wirklich nur die Fachbesucher in die Hallen zu lassen. "Das jetzige Konzept jedenfalls", resümiert Sitzmann, "wird über kurz oder lang keine Zukunft haben."

Überhaupt scheinen für die DV-Spezialisten die Branchenmessen immer interessanter zu werden. "Die DV-Hersteller", so ein Hamburger Org./DV-Leiter, "frequentieren zunehmend diese Veranstaltungen und zeigen genau die Anwendungen und Lösungspakete, die unsere tägliche Arbeit angehen." Deshalb glaube er auch, daß diese Bereichsmessen schon sehr bald solchen "High-Tech-Shows" wie CeBIT den Rang ablaufen.

Der DV-Experte wörtlich: "Wäre die Messegesellschaft nicht so taub und blind, würde man ganz schnell die Zweiteilung wieder rückgängig machen." Denn schon im nächsten Jahr könnte man die DV-Manager auf der CeBIT mit der Lupe suchen. Sein Abschlußkommentar zur laufenden Veranstaltung: "Einfach ein Witz". Nur lachen konnte er nicht.