Offshoring

Die merkwürdigen Ideen der Deutschen

04.10.2010
Von Dr. Andreas Kotulla und Sudarshan Bhide

Bei Dycolo in Frankfurt

Frankfurt am Main Quelle: Fotolia
Frankfurt am Main Quelle: Fotolia
Foto: Fotolia/Mundi

Momentan arbeitet John an den letzten Zeilen einer Software für Dycolo, einen Hersteller von Textilfarben nahe Frankfurt am Main, dessen hausinternes Entwicklungsteam im letzten Jahr von 15 auf acht Mitarbeiter geschrumpft ist. Ursache waren die fehlenden Karrieremöglichkeiten der Programmierer, Großbanken haben die begehrten Experten abgeworben. Gleichzeitig muss Dycolo durch den verschärften Wettbewerb in den letzten Jahren mehr kundenspezifische Anpassungen vornehmen, und damit fallen mehr Aufgaben für die IT an.

Michael, der IT-Leiter von Dycolo, sieht sich mit vielerlei Herausforderungen konfrontiert. Mit seinem IT-Budget kann er nicht die hohen Gehälter der Banken zahlen. Nicht zuletzt deshalb fällt es ihm schwer, junge Mitarbeiter für seinen Betrieb zu begeistern. In seiner Not hat er erstmals eine Offshore-Firma mit der Betreuung und Erweiterung der hausinternen Programme beauftragt. Die Qualität und Funktionalität, die er verlangte, wurden vorbehaltslos garnatiert und schnell ein erster Vertrag unterschrieben. Michael war erleichtert, weil der indische Partner ihm die Kapazitäten und Flexibilität bot, die er vor Ort nicht mehr finden konnte.

John stöhnt. Schon wieder erreicht ihn eine kurze Nachricht mit einer letzten kleinen und dringenden Erweiterung. Der ursprüngliche Funktionsumfang hat sich fast verdoppelt, der Liefertermin ist indes gleich geblieben. Von der anfangs sauberen und durchdachten Softwarestruktur ist nach den vielen kleinen Änderungen nicht mehr allzu viel übrig. Der lokale Vertriebler von Kiri Technologies hat es nicht geschafft, die Anforderungen an die erste Lieferung einzufrieren. Anfragen zu Änderungen und Erweiterungen hat er stets bereitwillig zugesagt: "No problem, my friend. We can implement this in no time", lautete seine Standardantwort gegenüber dem Kunden. Michael nahm es mit Freuden auf, wenn Pläne und Lieferumfang wieder einmal zu seinen Gunsten angepasst wurden.