Was Unternehmen von IT-Spezialisten erwarten

Die Latte wird immer höher gelegt

02.04.2004
MÜNCHEN (hk) - Die CeBIT ist vorbei. Die gute Nachricht zuerst: IT-Firmen, aber auch Anwenderunternehmen stellen wieder Mitarbeiter ein. Die weniger gute: Der gesamte Bewerbungsprozess ist anspruchsvoller geworden, die Anforderungen an die Gesamtqualifikation der Computerfachleute sind gestiegen.

Gute IT-Kenntnisse, möglichst in einem Wirtschaftsinformatikstudium erworben, sollten für Bewerber künftig selbstverständlich sein. Darüber hinaus spielen Erfahrung, Branchenkenntnisse und die Persönlichkeit eine immer größere Rolle, wenn es darum geht, in der schnelllebigen IT-Industrie dauerhaft Fuß zu fassen.

Eigene Beschäftigungsfähigkeit sichern

Christina Mankus, Geschäftsbereichsleiterin IT der Deutschen Industrie Service (DIS) AG, einem der größten Zeitarbeitsunternehmen und Personaldienstleister der Republik, skizziert die veränderten Rahmenbedingungen. IT-Beschäftigte müssten sich darauf einstellen, "wie moderne Wanderburschen" zu arbeiten. Das gehe so weit, den Beruf und die Branche zu wechseln: "Wir müssen dort arbeiten, wo Arbeit existiert." Da es keine Arbeitsplatzsicherheit mehr gebe, auch nicht in Großkonzernen, sollte jeder "seine Beschäftigungsfähigkeit in die eigenen Hände nehmen". Der Trend verlaufe eindeutig in Richtung Teilzeitarbeit, also wochen- oder monateweise Beschäftigung, Zeitarbeit und Selbständigkeit. Das zeige sich auch an den der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten freien IT-Stellen, die in den letzten drei Jahren um die Hälfte auf rund 1600 zurückgegangen sind. Dagegen ist die Zahl der IT-Fachleute, die bei den Behörden als jobsuchend registriert sind, von rund 8000 auf fast 20 000 gestiegen.

Mangelnde Qualität der Bewerbungsunterlagen

Als Folge dieser Entwicklung stöhnen die Personaler über die Flut von Bewerbungsunterlagen und beklagen die Qualität des eingereichten Materials, aber auch die der Qualifikationen insgesamt. "Von 100 Bewerbungen passen fünf", meint beispielsweise Cüneyt Özcan, Personal-Manager beim IT-Dienstleister IS Energy, einem Tochterunternehmen des Energieversorgers Eon in Hannover. Durch die Bank beschweren sich Personaler über die schlampigen Jobunterlagen. DIS-Managerin Mankus, deren Unternehmen im Jahr 180000 Bewerbungsmappen sichtet und fast 30000 Interviews führt, wundert sich immer wieder darüber, wie wenig sorgfältig die Kandidaten an ihren "Papieren" arbeiten. Es komme noch immer vor, dass die Firmenadresse nicht stimme, der Ansprechpartner verwechselt werde oder die Anzeige einfach nicht sorgfältig gelesen werde bezüglich der geforderten Qualifikationen.

Lernen von Leonardo da Vinci

Oliver Müller, zuständig für die Rekrutierung von IT-Experten bei Procter & Gamble, nennt ein aktuelles Beispiel: Gesucht wurden Mitarbeiter mit bis zu zwei Jahren Berufserfahrung, beworben hätten sich auch solche mit fünf und mehr. Diese werden einfach nicht genommen. Früher hat man solche Zuschriften, wenn sie interessant waren, anderen Abteilungen weitergegeben. Das sei nun eher die Ausnahme.

Besonders ärgert die Firmenvertreter, wenn sich die Kandidaten zu wenig über ihren künftigen Arbeitgeber informieren. Umgekehrt sei es ein großes Plus, wie der Vorstandsvorsitzende des IT-Beratungshauses Avinci, Thorsten Straß, versichert, wenn der Interessent mehr über das Unternehmen weiß als das, was auf der Firmen-Homepage, steht. Unlängst hatte eine Kandidatin im Anschreiben einen Zusammenhang zwischen ihrer Bewerbung und der Leonardo da Vincis hergestellt (nach dem großen Künstler hat sich auch das Beratungshaus benannt). Dieser hatte als 30-Jähriger in einem Zehn-Punkte-Schreiben seine Dienste dem Grafen Lodovico Sforza angeboten. Die Bewerberin baute ihren Brief ebenfalls nach diesem Zehn-Punkte-Schema auf. Das beeindruckte Straß und er lud die angehende Beraterin zum Vorstellungsgespäch ein.

Die Firmen stellen in erster Linie Mitarbeiter mit Erfahrung ein. Gefragt ist fundiertes und aktuelles technisches Know-how wie Java-Programmierkenntnisse. Dazukommen müssen aber meist Branchenwissen und Erfahrungen aus unterschiedlichen Projekten bei verschiedenen Arbeitgebern.

"Wir suchen Prozessberater", schildert Hans-Walter Müller, IT-Manager bei Audi. Das Berufsbild des Anwendungsentwicklers gehöre der Vergangenheit an.

Keine guten Aussichten haben Programmierer, sekundiert Tim Ackermann, Personal-Manager und zuständig für Recruitung bei der Deutschen Bank.. "Diese Arbeiten gehen künftig nach Indien", lautet seine mittlerweile von vielen anderen Verantwortlichen geteilte Auffassung. Müller möchte am liebsten Kandidaten, die im Studium mit überdurchschnittlichen Leistungen geglänzt haben und bereits bei anderen Firmen, am besten auch aus der Autobranche, tätig waren. Das hierdurch erworbene Wissen sei wichtig, um die Fachabteilungen verstehen zu können. Immer wieder habe die IT in der Vergangenheit an den Bedürfnissen der Anwender vorbeientwickelt, gesteht er selbstkritisch ein.

Die größten Defizite beobachten die einstellenden Führungskräfte allerdings bei den Softskills. DIS-Managerin Mankus bemerkt eine zunehmende Diskrepanz zwischen dem, was Arbeitgeber wollen, und dem, was die Jobsuchenden mitbringen. Ohne Eigeninitiative, Kommunikationsfähigkeit, Teamorientierung, Verantwortungs- und Veränderungsbereitschaft komme kein IT-Profi künftig aus. Das beginne schon beim Vorstellungsgespräch, erzählt IS-Energy-Mann Özcan. Bewerber tun sich schwer, über ihre Stärken und Schwächen zu reden, und eine Portion mehr Selbstbewusstein "könnten sie ruhig mitbringen".

Interkulturelle Kompetenzen gefragt

Schließlich weist Armin Barbalata, Technikvorstand des Münchner Software- und Beratungshauses Mindmatics, auf den wachsenden Bedarf an interkultureller Kompetenz hin. Zu Recht, denn mittlerweile lässt selbst der kleinste hiesige IT-Shop in Osteuropa oder Asien programmieren. Der Mindmatics-Manager wünscht sich von seinen technikverliebten Mitarbeitern einen stärkeren Blick über den Tellerrand und die Fähigkeit, mit Menschen aus anderen Regionen der Welt zusammenzuarbeiten.