Die Konsequenzen des Computereinsatzes überdenken

05.01.1978

Zu Beginn des neuen Jahres wollen wir einmal nicht die Vorteile neuer Hard- und Software-Technologien abhandeln, sondern zum Nachdenken über die Konsequenzen des Computereinsatzes anregen, zumal die Diskussion über die Gefährdung von Arbeitsplätzen durch Rationalisierung mit Hilfe der Datenverarbeitung unüberhörbar ist. So hat erst kürzlich HBV-Gewerkschaftler Ulrich Pagelsdorff einen Frontalangriff gegen die Computerisierung der Dienstleistungsbereiche gestartet, als er die öffentliche Kontrolle der EDV-Industrie durch "Innovations-Aufsichtsräte" forderte (CW 47 vom 18. 11. 77, Seite 1: "Gewerkschaft fordert EDV-Kontrolle"). Auch wenn die Entwicklung und Einführung neuer Techniken zunächst einen Großteil freigesetzter Arbeitskräfte aufsaugen und höher qualifizierten Berufen überhaupt erst neue Chancen bringen - langfristig dürfte die Rationalisierung nach Ansicht von Fachleuten zwangsläufig Arbeitslosigkeit zur Folge haben.

H. G. Stieffenhofer

Direktor des Sparkassen- und Giroverband Saar-Rechenzentrums, Saarbrücken

Aufgabe der international besetzten Gremien ist die Verabredung und Festlegung von technischen SchnittstelIen, um den Austausch der geschäftsübIich anfallenden Vorgänge überhaupt zu bewältigen wobei sich die Notwendigkeit im wesentlichen aus dem in den letzten Jahren sprunghaft gestiegenen Volumen dieser Vorgänge begründet (BeispieI: Euroschecks).

In diesen technischen Fragen kann es in der Tat auch keine Konkurrenz der Institute geben, da nur ein Miteinander eine Lösung ermöglicht. Der von U. Pagelsdorff bedauerte Schwund des Einflusses der Gewerkschaften ist in diesem Sachverhalt unverständlich.

Der von Pagelsdorff artikulierte Wunsch nach gewerkschaftlichem Einfluß über sogenannte Innovations-Aufsichtsräte kann wohl nur so interpretiert werden, daß es gilt, technische Entwicklungen dann zu blockieren, wenn sie Arbeitsplätze in Frage stellen. Dies führt unsere Gesellschaft ins technologische Abseits. Derartige "Aufsichtsräte" sollten unbedingt verhindert werden.

In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, daß gerade die Gewerkschaften einen nicht unbedeutenden Einfluß auf die Höhe der Arbeitsplatzkosten haben. Vielleicht ließe sich das Problem "Erhaltung der Arbeitsplätze" auch von daher ansprechen.

Richard Sauerwald

Leiter der Betriebsorganisation bei den Deutscher Herold Versicherungsgesellschaften, Bonn

Auch in den nächsten Jahren wird sicherlich noch mit einem überproportionalem Anstieg neuer Technologien und mit einem stark steigenden Einsatz von immer leistungsfähigeren Datenverarbeitungsanlagen und noch größeren Massenspeichern zur Verbesserung der Organisation zu rechnen sein.

Durch den zunehmenden Datenbankaufbau mit einem nahezu unbegrenzten Speichervermögen werden den Mitarbeitern über Datenstationen Informationen immer maßgeschneiderter zur Verfügung gestellt. Diese Anwenderorientierten Informationen sind dann im besonderen Maße bei Dienstleistungsunternehmen vielfach die Basis für eine sich daran anschließende Korrespondenz. Für die Textverarbeitung etwa heißt das, daß der Mitarbeiter nur durch Eingabe geringfügiger Steuerungsinformationen die notwendige Korrespondenz automatisch veranlaßt. Abhängig vom Wunsch des Mitarbeiters werden die Briefkenndaten unter einem vertragbezogenen Ordnungsbegriff in der Datenbank von beispielsweise Versicherungsunternehmen abgespeichert, so daß die historische Korrespondenz jederzeit und sehr schnell und einfach für die Mitarbeiter abrufbereit zur Verfügung steht. Die gleichzeitige Erledigung der Korrespondenz durch den Sachbearbeiter wird ohne Zweifel im Rahmen des "Job-Enlargement" als ein Punkt zur Humanisierung des Arbeitsplatzes verstanden.

Ausgehend von dem in unserem Hause eingesetzten Textverarbeitungssystems, das in Verbindung mit dem Datenbankaufbau in unserem Unternehmen zu sehen ist, muß gesagt werden, daß vor allem die Textautomation zu einer weitgehenden Rationalisierung geführt hat. Nur dadurch war es jedoch möglich, Engpässe im Korrespondenzwesen auszuschalten und den steigenden Korrespondenzumfang ohne zusätzliche Personaleinstellung zu verkraften.

Ferner ist davon auszugehen daß in manchen Regionen, wie unter anderem im Bonner Raum die Beschaffung von qualifizierten Schreibkräften problematisch ist und aus diesem Grunde manche Unternehmen zur verstärkten Rationalisierung auf dem Textverarbeitungssektor gezwungen wurden.

Auf der anderen Seite sollte nicht unerwähnt bleiben, daß der Mitarbeiter durch die neuen Technologien von vielen einfachen Routine- und Verwaltungsarbeiten entlastet wird und so qualifiziertere Arbeiten erledigen kann.

Karlheinz Hagen

Geschäftsführer, Centrale für Coorganisation (CCG), Köln

Wenn im Einzelhandel demnächst automatische Kassenstellen eingerichtet werden sollen, dienen diese Anlagen wie im übrigen jeder in der Wirtschaft eingesetzte Computer letztlich der Rationalisierung. Dabei ist es das Ziel dieser Rationalisierung im Handel, Kosten zu sparen und dadurch, die Ware so preisgünstig wie möglich anbieten zu können. Niemandem wäre damit gedient, in einer modernen Volkswirtschaft mit veralteten und teuren Methoden der Warenverteilung zu arbeiten. Die immer größer werdenden Ladeneinheiten und die immer zahlreicher werdenden Filialen sind mit den herkömmlichen Mitteln nicht mehr zu führen. Nur der Computer kann die ungeheuren Datenmengen. termingerecht verarbeiten, Nachbestellungen veranlassen und Führungszahlen aufbereiten.

In diesem Sinne ist die Europäische Artikelnummer (EAN) ein Hilfsmittel zur Steuerung und Verwaltung der Warenströme, sie ist das Bindeglied der Computer untereinander Dabei aber geht es in erster Linie nicht um die Einsparung von menschlicher Arbeitsleistung. Die Europäische Artikelnummer will lediglich die Kommunikation der Computer erleichtern, sie humanisiert die Arbeitsverhältnisse in den Rechenzentren wie an der Ladenkasse und soll mit wirtschaftlichen Mitteln dem Management solche Informationen zur Verfügung stellen, die zum Agieren und Reagieren eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens erforderlich sind. Damit leistet die EAN eher einen Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze, als daß sie sie gefährdet.

Rolf Schreiber

Geschäftsführer, Institut für Textverarbeitung GmbH, Stuttgart

Selbstverständlich wird durch Rationalisierungsmaßnahmen im Büro, also zum Beispiel durch zentrale Schreibdienste oder durch Textautomaten, Arbeitszeit eingespart. Ob und in welchem Umfang dadurch auch ganze Arbeitsplätze eingespart werden, hängt ganz davon ab wie die erzielten Arbeitsreserven im Einzelfall verwendet werden. Gerade beim Einsatz von Textautomaten setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, daß die eingesparten Zeiten am nutzbringendsten dadurch realisiert werden, daß die Sachbearbeitung verbessert wird und daß wichtige Arbeiten zusätzlich erledigt werden, für die bisher einfach keine Zeit war. Allerdings gibt es auch viele Firmen, die den einzigen Sinn einer Rationalisierungsmaßnahme in der Einsparung von Arbeitsplätzen sehen. Schließlich ist es ja erst knapp 5 Jahre her, daß die Gewerkschaften ganz klar reklamiert haben: "Wenn die Unternehmen mehr in Rationalisierung investieren würden, könnten sie so rentabel arbeiten, daß die steigenden Lohnforderungen leicht abgedeckt werden können." Heute haben wir nun mit einem Bumerang dieser Diplomatie oder Taktik zu kämpfen, denn die Wirtschaft hat unter dem Zwang der Lohnkostenexplosion und natürlich auch wegen des ungenügenden Angebotes an guten Schreibkräften sehr schnell gelernt, wie man durch Investitionen in Organisation und Maschinen wirtschaftlicher arbeiten kann.

Heute - da wir es vielleicht als wünschenswert empfinden - ist es nun nicht mehr möglich, diese Entwicklung einfach zu stoppen oder umzudrehen. Was man aber versuchen kann und meiner Meinung nach auch tun muß, ist, daß man die Rationalisierungsabsichten in andere Bahnen lenkt. Ich versuche schon seit Jahren, im Bereich Textautomation die Leute von der "Milchmädchenrechnung" abzubringen, die die Automatenindustrie jahrelang in den Markt gepaukt hat: "Ein Textautomat schreibt soviel wie fünf Schreibkräfte, also können vier eingespart werden. Ein Schreibplatz kostet 30 000 DM im Jahr, mal vier sind dies eingesparte 120 000 DM pro Jahr."

Diese Argumentation ist schon deshalb falsch, weil in der Praxis mehr als 50% aller Textautomaten mit weniger als 50% ihrer Leistungskapazität ausgelastet sind. Besser ist es, den Führungskräften folgende Tatsachen klarzumachen. Ein Textautomat ist nicht nur eine Schnellschreibmaschine, sondern bringt in Verbindung mit der PTV ein ganz fabelhaftes System für bessere Sachbearbeitung, für schnellere und bessere Angebote, für bessere Verkaufsargumente oder für erfolgreiche Verkaufsförderung durch originalgeschriebene Werbebriefe.

Die Unternehmer müssen außerdem erfahren, daß die Mehrkosten für den Einsatz eines Textautomaten zum Preis von 35 000 DM zum Beispiel bei nur etwa 20 000 DM pro Jahr liegen. Dies entspricht heute etwa den Kosten für eine gute Halbtagskraft. Deutlich gesagt: Mit der Einsparung einer einzigen Halbtagskraft macht sich ein Textautomat bereits bezahlt.

Wie ist denn das nun mit der Humanität am Arbeitsplatz?

Zahlreiche Beispiele beweisen, daß zum Beispiel die Organisation eines zentralen Schreibdienstes sehr wohl inhuman sein kann. Noch mehr Fälle aber zeigen, daß die Organisation und die Atmosphäre eines Schreibdienstes so gut sein können, daß es schwerfällt, Damen für echte Vorzimmeraufgaben wieder aus dem Schreibdienst zu holen.

Ich sehe nun eine echte Aufgabe für die Gewerkschaften darin, dafür zu sorgen, daß Schreibdienste so ausgestattet und geführt werden, daß sich die Damen darin wirklich wohl fühlen. Denn hier an diesem Punkt wird immer wieder gesündigt, indem an der falschen Stelle gespart wird, zum Beispiel bei der Ausbildung der Schreibdienstleiterin. Die Schuld für diese Fehler liegt beim System. Organisatoren und Berater stehen unter einem gewissen Erfolgszwang, denn ihre Leistung wird meistens am Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsrechnung gemessen. Ergo sind sie dauernd in Versuchung, die Investitionen für eine Neuorganisation so niedrig wie möglich anzusetzen, damit das rechnerische Ergebnis möglichst positiv aussieht.

Das ganze Problem bekommt einen neuen Aspekt, Wenn die Geschäftsleitung fordert, neben der reiner Kosteneinsparung auch alle weiteren Vorteile aufzuführen, die dem Unternehmen und eben auch den Mitarbeitern aus der neuen Maßnahme entstehen. Die Kostendifferenz zwischen einer inhumanen und einer humanen Lösung beträgt meist nicht mehr als 20% der Gesamtkosten. Organisatoren, fragt eure Chefs, ob ihnen die Zufriedenheit und Arbeitsfreude ihrer Mitarbeiter das wert ist!