Digitalisierung im Healthcare-Bereich

Die Kliniken rüsten auf

27.09.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Der Datenschutz hat meistens Vorrang

Wegen der strengen Datenschutzbestimmungen wird Cloud Computing - insbesondere die Public Cloud - im Healthcare-Bereich besonders kritisch betrachtet. Technisch sei das kein Problem, so lange die Anwendungen ausreichend standardisiert seien, so Charité-CIO Greger. Aber nach Lage der Dinge beschränkt er sich doch lieber auf die Nutzung einer "Private Cloud", die innerhalb seines Verantwortungsbereichs erfolgreich verwendet werde.

Grundsätzlich seinen die deutschen Datenschutzbestimmungen kaum zu erfüllen, sagen die CIOs. Konkret berichtet Schlegel: "Ein Kollege hat mal kalkuliert, was es ihn kosten würde, alle Forderungen nach der Orientierungshilfe KIS einzuhalten. Das Ergebnis lag bei 2,6 Millionen Euro Projektkosten." Weshalb viele Datenschützer auch nicht päpstlicher als der Papst sind - zumal die Patienten ja auch noch behandelbar bleiben müssen.

Dennoch seien Krankenhäuser in ihren "Make-or-buy"-Entscheidungen nicht so frei wie andere Wirtschaftszweige, erinnert Schlegel: "Nach wie vor ist der Beschlagnahmeschutz von Patientendaten für den Staatsanwalt nur auf dem Gelände des Krankenhauses gültig." Für Nichtmediziner und juristische Laien: Wenn die Patientendaten im Krankenhaus gelagert sind, kann der Staatsanwalt auch bei kriminellen Vergehen nicht darauf zugreifen. Wandern die Daten zu einem Cloud-Anbieter, wird dieser Schutz hinfällig, es sei denn, die Klinik mietet explizit Räume beim Dienstleister an.

Allerdings verweist Greger, der neben der IT des Berliner auch für die des Würzburger Universitätsklinikums verantwortlich zeichnet, auf eine alternative Option: "Das Krankenhausgesetz fordert die Verarbeitung der Daten in einem Krankenhaus - das muss aber nicht das eigene sein." Eine gemeinsame Nutzung von Cloud-Technik mit anderen Kliniken wäre also möglich. Und wie steht es mit gemeinsamen RZs? "Die Theorie klingt erst mal gut", sagt Schlegel: "Aber wenn man das näher betrachtet, müsste man eine Service-GmbH gründen, die dann mehrwertsteuerpflichtig wäre. Was ich mir durchaus vorstellen könnte, ist der gemeinsame Betrieb von Standardanwendungen wie SAP HR, Exchange Server etc."

Die Charité stellt hingegen einen Teil ihrer Rechenzentrums-Kapazität bereits anderen Kliniken zur Verfügung. So werden beispielsweise die SAP-Anwendungen der VivantesKlinik im Rechenzentrum der Charité gehostet. Außerdem teilen sich die beiden Gesundheitsbetriebe ein gemeinsames Labor, dessen IT in den Rechenzentren der Charité betrieben wird. "Auf diese Wiese können wir unsere Serie verlängern", sagt Greger. Will heißen: Mit begrenztem Mehraufwand lassen sich Mengeneffekte erzielen, also durchaus Kosten sparen.

Typische Projekte

Auf die Frage nach seinen Hauptaufgaben antwortet Helmut Schlegel, CIO am Klinikum Nürnberg: "Für uns ist es eine vordringliche Aufgabe, die Ergebnisdaten der Diagnostik, also die digitalen Befunde, in eine zentrale elektronische Fallakte (eFA) zu bringen." Zudem arbeite sein Team derzeit intensiv an einem Order-Entry-System für alle medizinischen Leistungen. Für die nächste Zukunft sei außerdem geplant, die Patientenakten der ambulanten Patienten zeitnah in das digitale Dokumentenarchiv zu bringen.

Die COMPUTERWOCHE hatte Schlegel 2014 im Rahmen des Wettbewerbs "CIO des Jahres" mit dem Innovation Award geehrt. Unter seiner Leitung hatten die Informatiker des Nürnberger Klinikums von Ende 2011 bis Anfang 2014 ein ausgefeiltes Cardiology Information System (CIS) mitentwickelt und eingeführt, das auf einer Software von General Electric (GE) basiert. Pikanterweise nutzt das Klinikum diagnostische Geräte der GE-Mitbewerber Siemens und Philips.Der Gesundheitskonzern Sana hat laut CIO Bernd Christoph Meisheit rund 800 Einzelprojekte in Arbeit

Das Thema digitale Patientenakte sei vordringlich, "aber hier sind wir noch in der Konzeptphase". In Arbeit hingegen sind beispielsweise die Einführung eines digitalisierten, automatisierten Workflows für die Eingangsrechnungen - einschließlich deren digitaler Archivierung -, der funktionale Ausbau des Management-Informationssystems zur Bewältigung der Big-Data-Thematik, die Entwicklung und Einführung einer digitalen und kontinuierlichen Patientenzufriedenheits-Befragung sowie der Aufbau eines internen Facharztportals, funktional vergleichbar mit Xing oder LinkedIn.

Foto: Charité Berlin Mitte

Helmut Greger, IT-Chef der Berliner Charité, bezeichnet als die primäre Aufgabe eines Krankenhaus-CIO "die Bereitstellung von Werkzeugen zur Prozessunterstützung, Dokumentation und gesetzeskonformen Archivierung". Eine der letzten Lücken werde derzeit in vielen Häusern mit der Einführung der "digitalen Kurve" geschlossen. Darunter ist die vollständige elektronische Dokumentation des Klinikaufenthalts zu verstehen. Also nicht nur der altbekannten Fieberkurve, die früher am Fußende des Bettes aufgehängt war, sondern auch der anderen Vitalfunktionen, die im Hospital erfasst werden.

Links zur Community:

www.kh-it.de Verband der Deutschen Krankenhaus-IT-Leiterinnen/Leiter e.V.;

www.gmds.de Gesellschaft für medizinische Informatik;

www.bvmi.de Berufsverband medizinischer Informatiker.

Von Karin Quack, leitende Redakteurin

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