Landvermessung aus der Luft:

Die Karte plottet der Rechner nach einem Stereobild

12.05.1978

KÖLN (pi) - Ein Instrument der Landvermessung, der Geodäsie, des Markscheidewesens und anderer Geo - und Ingenieurswissenschaften ist unentbehrlich geworden: Die Photogrammetrie liefert durch fotografische Aufnahmen eines Objektes von zwei Standpunkten ein räumlich erscheinendes Bild. Mit solchen Luftbildern lassen sich auch Bewegungen festhalten. Nach solchen Aufnahmen plotten leistungsfähige Rechner exakte Karten.

Seit 1960 ist sie fester Bestandteil im Vermessungswesen des Braunkohlenbergbaus. Bis in die fünfziger Jahre wurden die flachen Tagebaue des rheinischen Reviers noch mit den herkömmlichen Meß- und Rechenverfahren vermessen.

Not hatten die alten Ägypter, die Feldergrenze zu finden, wenn der Nil seinen Schlamm abgesetzt hatte. Alljährlich dasselbe Naturereignis. Der Strom trat über die Ufer und bedeckte weite Landstriche mit fruchtbarem Löß. Grenzsteine und andere Markierungspunkte mußten danach gesucht, das Land wieder vermessen werden.

Die Landvermesser visierten über in Wachstafeln geritzte Linien bestimmte Punkte im Gelände an, hielten so ihre "Meßergebnisse" fest und werteten sie auf Karten aus. Die Kunst der Geodäsie entwickelte sich. Von zwei festen Punkten aus ermittelte man einen dritten im Gelände und stellte seine Entfernung zu den beiden gegebenen Punkten fest. Markscheider, die Vermessungsingenieure des Bergbaus von heute, benutzen als Hilfsmittel Meßband, Nivelliergerät und Theodolit; in jüngster Zeit immer mehr die Fotografie.

Pionierarbeit ist auf dem Gebiet der Aerophotogrammetrie, der Luftbildvermessung, geleistet worden. Photogrammetrie und Datenverarbeitung wurden gekoppelt. Technische Verfahren mußten entwickelt, Mitarbeiter eingewiesen und unterrichtet werden. Die klassische Analogauswertung, bei der ein Operateur Luftbildpaare im Stereokartiergerät orientiert, interpretiert und linienförmig oder punktweise Lage und Höhe auswertet, wurde eingeführt. Dabei entsteht eine Rohkartierung. Ein Rechenautomat (Zuse Z 22) ermöglichte dann numerische Photogrammetrie. Zuerst wurden Einzelmodelle behandelt, dann Flugstreifen. Heute stehen Verfahren zur Verknüpfung von einigen tausend Modellen auf Großrechnern zur Verfügung.

Eine einmotorige Do 27 und eine zweimotorige Maschine erledigen im rheinischen Braunkohlenrevier die Bildflüge. Zur Auswertung dienen ein Labor mit modernen Durchlaufentwicklungsmaschinen, Kopiergeräte mit elektrischem Kontrastausgleich, Luftbild -Entzerrungsgeräte, eine kartographische Reproduktionskamera, fünf Luftbildauswertgeräte, teils mit elektronischen Datenregistrieranlagen und ein leistungsfähiges Computersystem mit großer Speicherkapazität.

Aufgaben im Revier und anderswo

Die großen Flächen des rheinischen Braunkohlenreviers müssen häufig vermessen werden: Zur Planung für den Braunkohlenabbau, während des Abbaus von Abraum und Kohle, um jeweilige Betriebszustände zu erfassen, und schließlich, um die neugestalteten, wieder nutzbar gemachten Flächen zu kartieren. Im wesentlichen dienen die photogrammetrischen Arbeiten der Nachtragung des Grubenbildes und des Betriebskartenwerks sowie der Ermittlung der bewegten Massen an Abraum und Kohle. Mit Hilfe der Luftbildvermessung werden aber auch topographische Kartenwerke auf aktuellem Stand gehalten, denn Verkehrswege und Wasserläufe werden verlegt, neue Ortschaften nach Umsiedlungen gegründet.

Das im Bereich der Photogrammetrie entwickelte Know-how wird seit geraumer Zeit auch für eine Vielzahl von Aufgaben außerhalb des Braunkohlenbergbaus eingesetzt, wobei die technische und personelle Kapazität nach und nach der Auftragslage angepaßt werden mußte. Bei diesen Aufgaben wurden vielfach Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt, die rückwirkend auch die Arbeiten im Bereich der Braunkohle befruchteten. In der Hauptsache handelt es sich um die Herstellung von Planungsunterlagen für den Bau von Verkehrswegen sowie um die Kartenherstellung für Stadtpläne.

Zu den bemerkenswerten Aufträgen sind das Abrechnungsaufmaß für das Olympia-Zeltdach in München sowie die Positionsbestimmung von neuen großen Schubschiffeinheiten auf dem Rhein zu zählen. Das Projekt Großflughafen München 1974 war vermutlich das erste Projekt, bei dem numerische Photogrammetrie und digitale Kartographie bis zum Schluß konsequent durchgeführt wurden.

Anwendung für Kraftwerksbau

Beim Kraftwerksbau gewinnt die vermessungstechnische Überprüfung und Abnahme technischer Einrichtungen, wie Maschinen - und Kraftwerksanlagen einschließlich Turbinenfundament und Reaktordruckgefäß, Brückenbauwerke und anderes mehr, zunehmend an Bedeutung. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß es sich bei der Photogrammetrie um ein berührungsloses Meßverfahren mit hoher Beweiskraft handelt. Die Photogrammetrie mit anschließender Datenverarbeitung kann eingesetzt werden bei: Standortsuche, Standortuntersuchung, Herstellung von Planungsunterlagen für Bauten, Trassierungen, Massenberechnungen, Baubestandspläne, Kontrollmessungen an Baukörpern und Maschinen, Bestandspläne einschließlich Kataster, Deformationsmessungen und Schadenserfassung.