Die IT-Revolutionen fressen ihre Kinder

18.05.2009

Dass die französische Revolution ihre Kinder gefressen hat, ist bekannt. Aber dass die IT ähnlich grausam mit ihren eigenen Ideen umspringt wie Robespierre anno 1790 mit den Idealen der bürgerlichen Revolution ist – zugegebenermaßen – etwas verstiegen.

Vielleicht wird der Gedanke nachvollziehbar, wenn man Revue passieren lässt, wie viele Ideen die IT hervorgebracht, dann zunächst wieder kassiert und ihnen erst sehr viel später (oft unter neuem Namen) frisches Leben eingehaucht hat.

Beispiel objektorientierte Programmierung: Bereits Ende der 60er als Lösungsansatz für die Modularisierung und die Wiederverwendbarkeit von Code entwickelt, dauerte es bis weit in die 90er Jahre, bis sie ihren Durchbruch erlebte. Obwohl heute objektorientierte Sprachen wie Java, C++, C#, Python, Perl, PHP und Ruby nicht mehr aus der IT wegzudenken sind, galt das neue Paradigma als Orchideen-Ansatz, der sich in der kommerziellen IT nie durchsetzen würde.

Jüngstes Beispiel Cloud Computing: Es ist vor etwa zwei Jahren aufgekommen und wurde im vergangenen Jahr enorm nach oben gejazzt. Aber die Euphorie der Beteiligten lässt schon wieder nach. Die üblichen Klagen über fehlende Standards, zu geringe Sicherheit, Datenschutzbestimmungen und drohendes Lock-in werden zurzeit deutlicher betont als die Verbesserungen, die den Anwender erwarten.

Wie lässt sich dieses Auf- und Ab neuer Konzepte erklären? Dafür braucht es keinen wahnsinnigen Robespierre, sondern nur das Prinzip des geringsten Widerstandes: Erst wenn der Umstieg auf ein neues Prinzip relativ sicher erscheint, genügend Anbieter da sind, ausreichend Erfahrungen vorliegen und die Migration von Alt nach Neu einfach geworden ist, steigen die meisten Anwender um. Also kann man streng genommen nicht davon sprechen, dass die Revolution ihre Kinder frisst. Sie hungert sie einfach aus.

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