CIOs bekennen sich zum Primat der Wirtschaftlichkeit

"Die IT muss das Rechnen lernen"

04.04.2003
MÜNCHEN (am) - Reduzierten Budgets begegnen IT-Verantwortliche nicht mit Lamento, sondern mit neuer Sachlichkeit. Sie bemühen sich, Kosten wie Nutzen der IT gegenüber Geschäftsführung und Fachabteilungen transparent zu machen und durch Konsolidierung Geld zu sparen.

Die IT wird nur als Kostenfaktor gesehen, die Entfremdung zur Geschäftsführung und den Fachabteilungen ist größer als je zuvor. Der Löwenanteil der stark gekürzten Budgets fließt in den Betrieb der Systeme, für Innovationen bleibt kaum Geld mehr übrig - das Klagelied der IT hat viele Strophen. Die IT-Verantwortlichen von Eon Energie, T-Mobile, der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und des TÜV Süddeutschland stellen sich den veränderten Realitäten. Auf Einladung von Accenture und dem European Technology Forum diskutierten sie in München mit CW-Chefredakteur Christoph Witte über einen Neuanfang der IT.

Dieser ist nach Meinung von Thomas Fischer, im Vorstand der LBBW für IT verantwortlich, dringend nötig: "20 Jahre lang haben die IT-Abteilungen die ständig neuen Aufgaben nur mit der Forderung nach mehr Mitarbeitern beantwortet. Zweistelliges prozentuales Wachstum der IT-Budgets war eine Normalität, die nicht mehr zurückkehren wird. Die Zeit des technologischen Wettrüstens ist vorbei." Angesichts knapper Kassen sollten sich die IT-Abteilungen auf das Wesentliche fokussieren und fragen, was sie sich leisten können.

Da die Budgets stagnieren oder gekürzt wurden, müssen die IT-Chefs in erster Linie sparen. Die Konsolidierung der Systeme und Anwendungen steht oben auf ihrer Agenda. Das gilt auch für Steffen Roehn, Geschäftsführer IT bei T-Mobile: "Durch das enorme Wachstum in den vergangenen Jahren und die Zukäufe vieler Firmen haben wir einen großen Konsolidierungsbedarf. Die Konsolidierung im Bereich der Server und Netzwerke ist für uns aber die Chance, die Investitionen für den Betrieb zu senken und unser gleich bleibendes Budgets zugunsten von Innovationen umzuverteilen." So hat es T-Mobile durch Konsolidierung geschafft, innerhalb eines Jahres in Europa die IT-Ausgaben von über acht auf unter sieben Prozent des Umsatzes zu senken und die Qualität dabei zu steigern.

Dietmar Lummitsch, CIO der TÜV Süddeutschland Holding AG und Geschäftsführer der TÜV Informatik Service GmbH, sieht ein Einsparpotenzial von zwei Prozent im Zuge einer Standardisierung. Das bezieht er auch auf die Applikationen, von denen sein Unternehmen einige hundert hat: "Der PC ist ein Arbeitsplatzgerät und kein Spielfeld für die Selbstentfaltung der Mitarbeiter."

Abspecken lautet deshalb die Devise bei der Landesbank Baden-Württemberg, die nach Fischers Ansicht mehr Geld als sinnvoll für den Betrieb der Systeme ausgibt - Ausgaben, die der Anwender nicht wahrnehme: "Heute fließen noch 70 Prozent unseres IT-Budgets in den Betrieb der Systeme und in die Wartung der Anwendungen. Das ist zu viel." Diese Einschätzung teilt Accenture-Partner Harald Lieder: "In vielen Firmen lassen sich durch Effizienzsteigerungen 20 bis 50 Prozent des Budgets sparen. Außerdem sollten die Ausgaben für den Betrieb der Systeme maximal 60 Prozent betragen, der Rest sollte für Innovationen reserviert werden."

Im Benchmark mit anderen Banken mussten die Stuttgarter feststellen, dass sie 20 Prozent mehr Anwendungen für die Mitarbeiter vorhalten als die Konkurrenz: "Darum wollen wir den Warenkorb verkleinern - nicht jeder Mitarbeiter braucht einen Routenplaner auf seinem PC -, und die Zahl der Terminals verringern, die im Verhältnis zur Mitarbeiterzahl überproportional hoch ist", erklärt Fischer.

Bei der Eon Energie AG ist der Warenkorb bereits schlank, so Chief Information Officer (CIO) Torsten Ecke, der durch Konsolidierung im LAN-Bereich 30 Prozent der Kosten einsparte. Allerdings gibt er zu bedenken, dass "die Standardisierung nicht nur eine Aufgabe der IT ist. Mit den Anwendungen müssen auch die Geschäftsprozesse angepasst werden". Der Abstimmungsaufwand bei Standardisierungen sei manchmal sehr groß und könne jede Innovationskraft lähmen.

In welcher Intensität IT-Abteilungen neue Themen wie Mobile Business, Portaltechnologien oder Customer-Relationship-Management vorantreiben können, hängt nicht nur von ihrem Budget, sondern auch von der Zusammenarbeit mit Geschäftsführung und Fachabteilungen ab. Um die ist es oft nicht zum Besten bestellt, wie Ecke beschreibt: "Wir haben noch das Problem, dass IT- und Fachabteilungen nicht die gleiche Sprache sprechen. Die IT wird oft nach wie vor als Machtblock gesehen, der Leistungen zuteilt. Zum Neuanfang gehört auch der Dialog mit den Fachabteilungen. Das heißt aber, dass die Führungskräfte ein Grundverständnis für die IT brauchen."

Daneben müssen sich die IT-Verantwortlichen "mit einem neuen Management-Ansatz anfreunden, den Schulterschluss mit der Geschäftsführung suchen und das Primat der Betriebswirtschaft akzeptieren", so die Forderung von LBBW-Vorstand Fischer. Die CIOs waren sich einig, dass sie Kosten und Nutzen der IT aufzeigen müssen. Dazu Lummitsch: "Man kann die Geschäftsführung nur mit konkreten Zahlen überzeugen. Deshalb muss die IT das Rechnen lernen und transparent machen, was genau sie mit ihrem Budget bewirkt." Der TÜV Süddeutschland hat die Arbeitsplätze standardisiert und aufgezeigt, wie viel ein Computerarbeitsplatz pro Monat kostet. Auch bei T-Mobile, das pro Jahr eine Milliarde Euro in die IT steckt, gibt es laut Roehn keine IT-Ausgabe, "die nicht komplett durch das Business getragen ist. Das gilt auch für die Investitionen in die Infrastruktur. Diese in den Firmen breit getragene Priorisierung sichert die bestmögliche IT-Effektivität in einem wettbewerbsintensiven Markt." Er hat gute Erfahrungen damit gemacht, wenn sich die IT früher und besser in unternehmenskritische Entscheidungen einbringt und nicht nur abwartet.

Nein zu Outsourcing

Da die IT-Verantwortlichen vom strategischen Beitrag der IT zum Geschäftserfolg überzeugt sind, stehen sie dem Thema Outsourcing eher ablehnend gegenüber. Das zeigte sich während der Diskussionsrunde zum Thema "Neuanfang für die IT?".

Für Thomas Fischer, Vorstandsmitglied der Landesbank Baden-Württemberg, sind Gespräche mit einem Dienstleister schnell beendet, wenn dieser die gleiche Leistung nicht zum halben Preis anbieten kann. Seine Skepsis beruht aber nicht nur auf dem mangelnden Einspareffekt. Die Vorstellung, die IT an Dritte übertragen zu können, sei ein Irrweg: "Wenn eine Bank ihre Anwendungsentwicklung auslagern würde, käme das einer Kapitulation gleich." Der Dienstleister müsse erst beweisen, dass er die bessere Bank sei. Ausnahmen seien standardisierte Leistungen wie die Wartung der Computer oder der Betrieb des Helpdesk. Die weit reichende Standardisierung von Prozessen sieht auch Dietmar Lummitsch, CIO des TÜV Süddeutschland, als Voraussetzung für sinnvolles Outsourcing.

Ebensowenig ist für die meisten Diskuntanten die Offshore-Programmierung ein Thema. Allein Steffen Roehn, IT-Chef von T-Mobile, gibt zu Protokoll, dass er darüber nachdenke, "die reine IT-Produktion aus Kostengründen nach Osteuropa zu verlagern, wo wir eigene Operatoren haben".