Was verbirgt sich hinter Itil?

Die interne IT als Geschäft betreiben

11.07.2003
Die IT Infrastructure Library (Itil) ist weder ein Werkzeug noch eine Methode. Wofür der Begriff statt dessen steht, soll im Folgenden geklärt werden. Von Hans-Heinz Wisotzky *

Das Ringen um die Optimierung der IT-Leistungen beginnt bei der Abbildung der Serviceprozesse. Das ist leichter gesagt als getan. Zu viele Fragen müssen im Vorfeld beantwortet werden: Wie sehen diese Prozesse eigentlich aus? Welche Abläufe und Strukturen müssen in das IT-Service-Management integriert werden? Wie lässt sich der Ablauf etwa mit Hilfe von Software weiter verbessern? Wie ausgeprägt ist die Servicekultur im Unternehmen und wird sie durch das Management ausreichend unterstützt?

Orientierungshilfe für die IT

Vor diesem Hintergrund müssen die IT-Serviceprozesse im Unternehmen organisiert werden: von der Anforderung über die Beschaffung und Einrichtung bis hin zum Problem-, Change- und Asset-Management. Darüber hinaus konkurrieren die intern erbrachten Leistungen zunehmend mit externen Services - hinsichtlich der Kosten und der Qualität. Die IT-Abteilung hat sich also wie ein interner Dienstleister zu positionieren. Der Wandel von einer technisch zu einer verstärkt dienstleistungsorientierten Ausrichtung stellt neue Herausforderungen an das IT-Management.

In diesem Spannungsverhältnis bietet das Regelwerk "Information Technology Infrastructure Library" (Itil) die Möglichkeit, IT-Leistungen transparent und messbar zu machen. Itil hat sich als Orientierungshilfe für die Unternehmens-IT bewährt und gilt als Quasi-Standard für die Abbildung von IT-Prozessen. Er versetzt IT-Abteilungen in die Lage, Serviceprozesse zu standardisieren und zu automatisieren, so dass sie kostengünstiger, kundenorientierter oder schneller werden.

"Best Practice Framework"

Bereits Ende der 80er Jahre wurde Itil von der Central Computer and Telecommunications Agency (CCTA) der britischen Regierung entwickelt. Trotzdem ist Itil für die meisten IT-Abteilungen noch recht neu.

Besonders in der konzeptionellen Phase liegt die "Verwirrungsgrenze" sehr niedrig. Daher empfiehlt sich eine Umsetzung unter Berücksichtigung eines strukturierten Vorgehensmodells (Masterplan), das die Vorgehensweise hinsichtlich der Analyse, Konzeption, Realisierung und des Betriebs Itil-konformer IT-Service-Management-Prozesse regelt und beschreibt.

Die öffentlich zugängliche, herstellerunabhängige "Bibliothek" ist ein "Best Practice Framework", das sich aus einer Vielzahl von Büchern zusammensetzt. Es beschreibt eine systematische Vorgehensweise für Einführung, Betrieb und Management der IT und ihrer Dienstleistungen. Die wichtigsten Prozesse sind im "Service-Support-Set" und im "Service-Delivery-Set" zusammengefasst. Beide Sets definieren eine Reihe von Prozessen, Rollen und Gestaltungselementen sowie Funktionen und Verantwortlichkeiten, die eine IT-Abteilung erfüllen sollte.

Die im Service-Support-Set enthaltenen Prozesse beschreiben die in einer IT-Organisation permanent anfallenden Tätigkeiten auf der operationalen Ebene. Diese Basis- und Leistungsprozesse halten die IT-Organisation quasi "am Leben". Hierzu gehören die Disziplinen Incident-, Problem-, Change-, Configuration- und Release-Management. So werden beispielsweise über das Incident-Management Störungen, Aufträge und Anfragen an zentraler Stelle (Service-Desk) entgegengenommen, klassifiziert und beschrieben. Über einen Identifizierungsprozess lassen sich Störungen, soweit ihre Ursache nicht eindeutig ermittelbar ist, in bestimmte Problemklassen unterteilen, die dann im Problem-Management einen Lösungsprozess über verschiedene Service-Level-Ebenen durchlaufen. Die Änderung wird im Change-Management abgehandelt. Die IT-Infrastruktur-Objekte und deren Veränderungen werden als "Configuration Items" im Konfigurations-Management beziehungsweise in der "Configuration Management Database" (CMDB) dokumentiert. Dort lässt sich auch nachverfolgen, welche Aktivitäten wann erfolgt sind. Prüfung, Freigabe und Rollout von Hardware- oder Softwarekomponenten erfolgen im Release-Management.

Das Service-Delivery-Set hingegen umfasst die Disziplinen Service-Level-, Finanz-, Kapazitäts-, Verfügbarkeits- und Continuity-Management. Dabei handelt es sich also um die taktische Ebene der Planung und Steuerung von IT-Leistungen. Ferner beschreibt dieses Set, wie die kundengerechte Bereitstellung der Dienstleistungen erfolgen sollte. Hierzu vereinbaren die IT-Abteilung und ihr Kunde individuelle Service-Level-Agreements.

Die einzelnen Prozesseinheiten beider Sets stehen untereinander in vielfältigen Wechselbeziehungen. So entstehen transparente, standardisierte und vor allem messbare IT-Leistungen. Diese können sich zum Beispiel im automatischen Austausch von Verbrauchsmaterialien und Verschleißteilen äußern, der immer dann in Aktion tritt, wenn ein vorher definierter Status erreicht wurde. Hierzu ließe sich etwa ein Workflow im Service-Management-System hinterlegen, der den Prozess anstößt.

Die Philosophie im Hintergrund

Ein anderes Beispiel: Der Service-Desk informiert die Nutzer bereits vorab, dass eine bestimmte Anwendung oder ein Geschäftsprozess nicht funktionsfähig ist. Diese Informationen lassen sich in der CMDB hinterlegen und bei Bedarf auswerten. Wie die einzelnen Serviceprozesse aussehen, ist je nach Unternehmen verschieden. Hauptsache, Inhalte und Prozesse werden im Rahmen einer Itil-konformen IT-Landschaft standardisiert.

Entscheidend für das Verständnis von Itil ist der Charakter einer "Philosophie": Die Bücher beschreiben Inhalte, Prozesse und Ziele innerhalb der IT-Organisation (das Was), aber nicht die konkrete Umsetzung (das Wie). Die Ausgestaltung der Prozesse liegt im Ermessen des IT-Managements und berücksichtigt die Anforderungen einer jeden IT-Organisation. (rs)

*Hans-Heinz Wisotzky ist Senior Consultant bei der Materna GmbH in Dortmund.

Eine kurze Erklärung der Itil-Begriffe

Zu einem umfassenden IT-Service gehören folgende Komponenten:

-Incident-Management: dient dazu, schnellstmöglich den normalen Servicebetrieb bei einer Störung wiederherzustellen. Die Ursachenforschung ist allerdings Aufgabe des Problem-Managements.

-Problem-Management: sucht und behebt Fehler systematisch, indem es Probleme klassifiziert, analysiert und beseitigt - mit dem Ziel, die Anzahl der "Incidents" zu reduzieren.

-Configuration-Management: verwaltet alle IT-Komponenten einschließlich der Informationen zu Konfiguration, Wartung, Entwicklung und Problemen einzelner Geräte.

-Change-Management: behandelt umfassend alle Veränderungen im IT-Umfeld.

-Release-Management: betrifft Austausch, Update und Neuinstallation von Komponenten.

-Service-Level-Management: stellt sicher, dass vereinbarte IT-Dienstleistungen zum verabredeten Zeitpunkt in der gewünschten Qualität erbracht werden.

-Financial Management: ermittelt die Kosten, verrechnet die erbrachten IT-Leistungen und stellt wirtschaftliches Handeln sicher.

-Capacity-Management: damit lassen sich heutige und künftige Anforderungen an Umfang und Leistungsfähigkeit der IT-Ressourcen erfassen.

-Availability-Management: gewährleistet die mit dem Kunden vereinbarte Verfügbarkeit, wozu auch die Definition eines Sicherheitskonzepts zählt.

-Continuity-Management: beschreibt, als Sonderfall des Availability-Managements, alle Maßnahmen, um die IT-Leistungen bei einer unerwarteten Ausnahmesituation möglichst effizient wieder in Stand zu setzen.

Abb: Die Itil-Komponenten im Überblick

Mit dem "Service-Delivery-" und dem "Service-Support-Set" bietet Itil zwei umfangreiche Best-Practices-Sammlungen an. Quelle: CCTA (Central Computer and Telecommunications Agency)