Apple hat versäumt, auf Windows 3.0 angemessen zu reagieren

Die innovative Stellung des Macwird durch Windows 3.0 bedroht

27.07.1990

MÜNCHEN (zek) - Das Thema hieß "Der Macintosh in der Ära Windows 3.O". Eingeladen hatte ein Münchner Unternehmen, das sich auf den Vertrieb von Mac-Zubehör spezialisiert hat. Fazit der Podiumsdiskussion: Apple setzt im Wettbewerb gegen die DOS-PCs unter Windows 3.0 auf das Argument, die bessere Benutzeroberfläche zu haben und nicht auf ein Marketing, das Anwender von der Einbindung der Macintosh-Systeme in die Unternehmens-DV überzeugen könnte.

Bereits in seinem Grußwort zeigte Apple-Deutschland-Geschäftsführer Gerhard Jörg, wie sein Unternehmen die neue Situation einschätzt: Windows 3.0 sei nur eine einfache, kleine Benutzeroberfläche, die jetzt neu auf dem Markt ist. Andere Apple-Vertreter brachten dann noch das Argument, jetzt könne der PC endlich auch das, was der Mac schon immer hat. Damit müsse doch klar sein, daß der Mac besser sei.

Diese Argumentation wurde besonders vom Publikum so nicht hingenommen. Ein Anwender, der 3000 PCs verwalten muß, räumte zwar ein, daß der Mac eine schöne Maschine sei, das genüge ihm aber nicht. DV-Leiter müßten an große Support-Strukturen denken und immer eine Einschätzung der nächsten drei bis fünf Jahre parat haben, um den Gerätepark richtig zu erweitern oder gegebenenfalls auf ein anderes System umzusteigen.

Das einzige Argument, auf den Mac umzusteigen, sei die Benutzeroberfläche gewesen. Jetzt bietet die IBM-Welt ähnliches und darüber hinaus eine Perspektive: SAA-Kompatibilität und Officevision. Apple stelle demgegenüber nur seine Technologie in den Vordergrund, bringe aber keine Argumente, wie man die Systeme auf Dauer in die Bürokommunikation einbinden könne.

Georg Rybing, Vertriebsdirektor bei Apple-Deutschland, hielt dem entgegen, ein Unternehmen wie Apple wolle nicht irgendwelche Standards von vornherein festlegen, ohne zu wissen, wohin die technische Entwicklung geht: "Hätten wir vor 20 Jahren solche Standards gesetzt, dann hätten wir noch heute die Lochkarte mit 80 Spalten."

Wann kommt System 7.0 für den Macintosh?

Von den Langzeitstrategien der IBM hält Apple, so jedenfalls Rybing, auch nicht viel, da sie eigentlich nur auf dem Papier

existierten. Doch Teilnehmer aus dem Publikum erwiderten, daß Apple wohl nicht mehr so recht wisse, wie man zur Zeit auf die

Entwicklung im DOS-Markt antworten solle. Es entstehe der Eindruck, Apple sei zwar der erste Anbieter einer grafischen

Benutzerführung gewesen, jetzt hätten aber die anderen aufgeholt. Schließlich: Apple bringe keine Neuigkeiten mehr. So sei

beispielsweise das Betriebssystem 7.0 seit Jahren angekündigt, aber noch nicht verfügbar.

Softwarehersteller stürzen sich auf Windows

Auf den Punkt gebracht wurde die Diskussion schließlich von Frank Lohstöter, Chefredakteur des führenden Macintosh-Magazins "Macup": Für den Endanwender sei der Unterschied zwischen einem PC unter Windows 3.0 und einem Mac heute nicht mehr offensichtlich. Apple habe es in letzter Zeit versäumt, die Vorteile seines Produkts klarer herauszustellen. Sorgen macht ihm besonders der Umstand, daß sich jetzt viele Softwareentwickler auf den Windows-Markt stürzen.

Gerade in Unternehmen, die bisher nur für den Mac gearbeitet hätten, seien jetzt ganze Abteilungen mit dem Schreiben von Windows-Programmen beschäftigt. Dadurch würden, so Lohstöter, Kapazitäten gebunden, die dem Macintosh verloren gingen und viel von seiner Innovationskraft nehmen würden. Auf Dauer habe dies dann auch Auswirkungen auf das Interesse der Anwender für den Macintosh.

Darauf antwortete Hermann Strehlik, Leiter Marketing Development bei Apple Deutschland, daß man dem nächst neue Wege in der Kommunikation mit dem Anwender beschreiten werde. Die Apple-Vertreter ließen auch durchblikken, daß sich bei der Preisgestaltung der immer noch überteuerten Macintosh-Rechner bald etwas tun werde.