Speicherverwaltung soll OS2 verbessern

Die IBM verhandelt mit Digital Research über DR-D0S-Lizenzen

11.10.1991

SAN MATEO (IDG) - Nicht Microsoft, sondern Digital Research (DR) spielt offensichtlich in den PC-Betriebssystem Überlegungen der IBM für die Zukunft eine wichtige Rolle.

Wie die CW-Schwesterpublikation "Infoworld" meldet, berichtete der DR-Präsident Dick Williams, daß sich sein Unternehmen derzeit mit den Armonkern über eine Lizenzierung von DR DOS 6.0 austausche. Ein Sprecher der IBM bestätigte daß Gespräche mit Novell und DR stattfinden, ein konkretes Abkommen habe man jedoch noch nicht getroffen.

Allerdings sei die Portierung der Mac-Schnittstelle auf IBMs RISC-Workstation noch nicht in Angriff genommen.

Fachleute meinten jedoch, die Portierung ließe sich in relativ kurzer Zeit erledigen. Dann allerdings könnte sich dieser Teil des Lizenzabkommens für Apple als kapitales Eigentor herauskristallisieren. Anwender seien in der Lage, die Vorteile der unbestritten sehr leistungsfähigen Macintosh-Benutzer-oberfläche mit einer RS/6000 Workstation der IBM statt mit einem Macintosh zu kombinieren. Apple, ohnehin in letzter Zeit mit massiven Gewinnrückgängen konfrontiert, sähe möglicherweise die Pfründe der Nobelrechner schwinden.

Poweropen als eine zweite Systemumgebung

Die Irritationen um das MAC-Interface hängen offensichtlich mit einem Software-Lizenzabkommen zusammen, das beide im Zuge der Vertragsvereinbarungen geschlossen haben Grundlage ist die Einführung von Poweropen. Neben dem erst noch zu entwickelnden objektorientierten Betriebssystem ist Poweropen die zweite Systemumgebung der Zukunft von IBM und Apple. Sie soll die Benutzeroberfläche des Macintosh mit einem erweiterten AIX vereinen und fungiert - basierend auf dem Kern der OSF/1 - als Zusammenfassung der Unix-Systeme AIX (IBM) und A/UX (Apple) unter der Power-Architektur. Der Bezug auf den OSF/1-Kern ist deshalb von Bedeutung, als es sich hierbei um den Mach-Kernel handelt und insofern möglicherweise die Next-Maschine wieder ins Gespräch kommen könnte.

Das Versprechen von IBM und Apple lautet, daß alle Macintosh- sowie AIX-Anwendungen unter Poweropen auf den zukünftigen RlSC-Rechnern ablauffähig sein würden. Apple-Sprecherin Knüfer zu Poweropen: "Für diese Unix-Variante werden Teile der Mac-Oberfläche, aber nicht des MAC-OS zur Verfügung gestellt." Auch hier veranschlagt man einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren, bis der Anwender sich von der Leistungsfähigkeit der Unix-Umgebung überzeugen kann. Derweil wollen sowohl die IBM ihr RS/6000- als auch Apple da, AlUX-System weiterentwickeln.

Die nun unterzeichneten Verträge zwischen dem Mainframe Unternehmen und der Mac-Firma gehen nicht über die Vereinbarungen hinaus, die in dem Letter of Intent vom Juni dieses Jahres festgehalten wurden. Marktbeobachter kritisieren, daß beide Unternehmen auch jetzt noch nicht zu grundlegenden Fragen Stellung bezogen haben, die aufgrund der Zusammenarbeit der ehemaligen scharfen Konkurrenten mit so unterschiedlichem Firmengebaren auftauchen.

So konnte man sich offensichtlich in der Führungsfrage für das eine der beiden zu etablierenden Joint-ventures nicht einigen. In der Taligent-Company soll ein komplett neues und durchgängig objektorientiertes Betriebsystem entwickelt zum einen aus Apples Entwicklern des objektorientierten Pink-Projektes. Die IBM steuert zum anderen Kapazitäten aus ihrem Rexx-Team bei, die wiederum in einem Joint-venture mit der Patriot Partners Corp. die Metaphor- Company bildete, die - mittlerweile von Big Blue aufgekauft - ebenfalls an objektorientierter Systemsoftware arbeitet.

Analysten betonten, daß es von entscheidender Wichtigkeit sei, in der Taligent-Führungsfrage schnell zu einer Entscheidung zu kommen. Schließlich sei das Vorhaben, ein bislang am Markt noch nicht existierendes objektorientiertes Betriebssystem zu entwickeln, eine sehr diffizile Aufgabe, die unbedingt einer starken leitenden Hand bedürfe, um auch genügend Unterstützung von anderen Softwarehäusern zu erfahren.

Auch sehen konkurrierende Unternehmen sowie Marktbeobachter mit einiger Skepsis auf die langen Zeiträume, die sich IBM und Apple bis zum Stapellauf erster Produkte aus der gemeinsamen Arbeit zugestehen (vergleiche CW Nr. 28 vom 12 Juli 1991, Seite 1: "Mit Apple-Hilfe will IBM.." und Nr. 33 vom 16. August 1991, Seite 7: .IBM/Apple: Sicher ist nur...").

Mitbewerber haben bereits einen Vorsprung

Darüber hinaus scheint die Sun Microsystems Corp. bereits schneller zu sein: Sie kündigte gerade erst an, daß ihre Tochter Sunsoft im kommenden Jahr mit Solaris 2.0 ein Unix-basiertes System auf Lager haben wird, das nicht nur Intel- und Sparc-RISC-Plattformen bedienen wird Vielmehr nutzen die Entwickler um Sunsoft-President Ed Zander auch objektorientierte Technologien für ihr Distributed Objects Everywhere genanntes Konzept.

Auch Microsofts Angebot, Windows NT, beinhaltet objektorientierte Software Elemente und verbindet ebenfalls schon 1992 RISC und CISC-Hardware-Welten Marktbeobachter glauben wegen des großen zeitlichen Vorsprungs der Mitwettbewerber auch, daß sich die geschlossene Ehe jetzt schon unter erheblichem Zugzwang befindet

Bislang sind nur Netzwerk-Produkte zur leichteren Einbindung von Apple-Rechnern in die IBM-Welt in Sicht. Hardware sowie Software, die nach einer gemeinsamen Erklärung "ein neues Zeitalter für die PC-Branche einläuten sollen", können Anwender hingegen erst in zwei bis drei Jahren erwarten.

Das unterzeichnete Abkommen umfaßt mehrere Bereiche: Zum einen soll die Netzwerk-Interoperabilität durch neue Appletalk-Dienstleistungen für OS/2 verbessert werden. Hierzu hat Apple den Sourcecode für die Appletalk-Protokolle an Big Blue lizenziert, während im Gegenzug die IBM die Rechte an ihrer Token-Ring-Technologie an Sculleys Company vergab. Ein hieraus entwickeltes Produkt soll Ende des laufenden Jahres verfügbar sein.

Zudem soll die Einbindung der Macintosh-Systeme in SNA sowie das Netzwerk-Management von Mac-Rechnern in LAN -Manager-Umgebungen oder - übergeordnet - durch IBMs Netzwerk-Management-Software Netview verbessert und mit kompletten Zugriffsmöglichkeiten auf die APPN-Directories sowie -Routing-Services ausgestattet werden.

Multimedia für einen großen Anwenderkreis

Auch die Kommunikation zwischen Apple-PCs und Big Blues Midrange-Star AS/400 wollen die beiden Ehepartner optimieren: Unter anderem haben sich die Kalifornier zum Ziel gesetzt, ihre SQL-Technologie Data Access Language für die AS/400 zu implementieren.

Motorola- und IBM-Ingenieure bauen auf der Esower-RISC-Architektur der RS/6000 auf und werden für PCs und Lowend-Workstations den "Power-PC"-Chip entwickeln. Diese in zwei bis drei Jahren verfügbare CPU fertigt Motorola und vertreibt sie dann nicht nur an Big Blue und Apple, sondern an jeden interessierten Hersteller.

Schließlich haben Big Blue und Apple ihre Zusammenarbeit in einem zweiten Joint-venture zementiert: In dem neuen Unternehmen peilt man die Entwicklung von Multimedia-Technologien für "breiten Anwenderkreis" an, die später ebenfalls zur Lizenzierung freigegeben werden. Die Crux auch bei diesem Vorhaben: Erst Mitte der 90er Jahre scheinen sich die Anstrengungen in Produkten zu materialisieren.