Die High-Tech-Company steht am Scheideweg (Teil 1) Akzeptanz in Grossunternehmen entscheidet Schicksal von Apple

17.03.1995

MUENCHEN (CW) - Die Zeiten werden haerter und damit der Wunsch groesser, die individuelle Zukunft nach allen Seiten abzusichern. Fondsanleger machten 1994 keinen tollen Schnitt, Kapitallebensversicherungen ernaehren eher deren Versicherungsagenten, Immobilien haben vor allem bei ihren Anbietern einen exzellenten Ruf. Bleibt die Aktie. Und da haben wir einen tollen, weil wenig riskanten Tip - Apple kaufen!

Warum wir glauben, Sie koennten mit Apfel-Zertifikaten Ihr grosses Glueck machen? Nun, mit den Kaliforniern - das heisst, mit deren Aktien - kann es eigentlich nur aufwaertsgehen. Und zwar auch dann, wenn es mit den Macintosh-Leuten bergab gehen sollte.

Unlogisch? Eigentlich nicht, denn entweder schafft Apple in den kommenden Monaten und Jahren mit seinen Power-PC-Macintosh- Rechnern endlich den Durchbruch auch bei Grossunternehmen - was das erklaerte Ziel des Apfel-Chefs Michael Spindler ist. In diesem Fall setzt Apples Aktie ueber kurz oder lang unweigerlich zum Senkrechtstart an.

Oder die Spindler-Company wird den Ruch nie mehr los, Nischenanbieter fuer Grafiker, Audiokuenstler und Videorastellis zu sein mit Maschinen, die einem verbreiteten Vorurteil zufolge konsequent die Kommunikation mit PCs ablehnen (was nicht stimmt). In diesem Fall duempelt das Unternehmen weiter vor sich hin und neben der Microsoft-Intel-Welt her. Damit verliert es dann weiter an Marktanteilen und Wert - zieht dafuer aber als Uebernahmekandidat begehrliche Blicke auf sich.

Das wiederum wuerde Anlegern ebenfalls gute Perspektiven eroeffnen: Apple-Aktionaere machten Anfang des Jahres 1995 ueber Nacht an der New Yorker Boerse einen ordentlichen Schnitt, als das Geruecht aufkam, Oracle, Philips und Matsushita seien an einer Uebernahme von Apple interessiert. Um glatte acht Prozent rauschte das Apple- Papier wegen einer reichlich vagen Spekulation in die Hoehe.

Nun sind wir keine ausgewiesenen Aktienjongleure. Eins ist dennoch klar: Apples Zukunft ist auf Gedeih und Verderb verbunden mit der RISC-Technologie des Power-PC-Chips. Den haben IBM, Motorola und Apple gemeinsam entwickelt. Er gilt als schaerfste - manche behaupten als letzte - Waffe gegen das scheinbar unueberwindliche Intel-Microsoft-Kartell. Nun soll den Power-Macs in Unternehmen gelingen, was Macintosh-Rechnern in den vergangenen Jahren nicht glueckte - sich in Unternehmen als Alternative zur PC-Plattform durchzusetzen.

Dabei duerften Apple-Obere das vergangene Jahr mit gemischten Gefuehlen erlebt haben: Einerseits etablierten sich die Power-Macs seit ihrer Einfuehrung Anfang 1994 aus dem Stand als mit Abstand erfolgreichste RISC-Plattform vor Sun, HP, IBM, DEC und Mips. Andererseits verloren die Kalifornier laut Dataquest 1994 gegenueber dem Vorjahr sowohl in den USA als auch in Europa an Marktanteilen. Besonders der Absturz in den USA um 3,1 Prozent auf 10,4 Prozent Marktanteil (Europa: minus 0,9 auf 7,1 Prozent) duerfte CEO Spindler bitter aufstossen.

Zudem stagniert die Praesenz von Apple-Rechnern in der Welt vernetzter Systeme nach Meinung vieler Analysten in den vergangenen zwei Jahren bei etwa sechs bis acht Prozent. Das liegt, erklaeren IS-Manager, auch daran, dass Apple praktisch keine Ansprechpartner direkt zu seinen Kunden schickt. Um sich Legionen von Vertriebsleuten fuer den Direktverkauf zu halten, ist Apple aber zu klein. Was DV-Verantwortliche an IBM, HP oder DEC liebgewonnen haben - das rote Telefon zum Hardware-Ausstatter -, erledigen beim Apfel-Konzern Wiederverkaeufer, die Geschaeftsverbindungen zu den Fortune-1000-Unternehmen unterhalten. Ausserdem habe man, so Jim Buckley, President von Apple USA, im vergangenen Jahr die Verkaufsmannschaft um 25 Prozent ausgebaut.

Verstaendlich ist auch der Wunsch von IS-Managern, sich das Leben so einfach wie moeglich zu machen. Vor allem die Betreiber zweier Hardwareplattformen - Apple und Intel/Microsoft - ueberlegen deshalb, ob Windows-PCs heute nicht auch solche Aufgaben loesen koennen, die frueher als Domaene der Mac-Maschinen angesehen wurden. Auch deshalb glaubt Jenni Ceurvels, Analyst bei der BIS Strategic Decisions Inc., dass Apple mit dem Ruecken zur Wand steht: "Sie koennten ein reiner Nischenanbieter werden, der sich nur noch auf seine Kernkompetenzen konzentriert." Und reduziert, heisst das.

"Apple muss sich", so Ceurvels weiter, "jetzt entscheiden, wo der Weg hingehen soll." Erwidert Steve Angelo, bei Apple zustaendig fuer die Erschliessung des Grosskundenmarktes.

Apple habe sich von seiner proprietaeren Vergangenheit losgesagt, die Signale fuer eine veraenderte Zukunft seien gestellt.

In der Tat macht sich seit Herbst 1994 im kalifornischen Headquarter ein geradezu revolutionaeres neues Denken breit, bietet doch die Spindler-Company seit Monaten Lizenzen fuer das Mac- Betriebssystem an. Auf der Macworld Expo '95 im Januar in San Franzisko zeigte die kalifornische Firma Radius Inc. bereits einen Power-Mac-Clone mit Power-PC-CPU. Die US-Firma Power Computing, an der Olivetti einen Mehrheitsanteil haelt, will innerhalb eines Jahres 100000 Mac-Clones verkaufen. Neben dem Mac-OS in der Version 7.5 steuert Apple Teile der Hardware bei.

Apple und Bandai werden Spielecomputer entwickeln

Die japanische Bandai Company hat die Lizenzrechte fuer ein abgespecktes Mac-OS namens "Pippin" erworben. Der japanische Spielehersteller, bekannt durch seine "Power-Ranger"-Figuren, entwickelt auf der Grundlage von Pippin Spielekonsolen. Auch die Pioneer Electronic Corp. hat sich eine Lizenz zum Apfel-Clonen beschafft.

Die Japaner wollen ihren Mac-Rechner durch Zugabe der eigenentwickelten Laser-Disk- und Audiotechnologie aufwerten.

Seit Februar 1995 muessen Entwickler zudem fuer "Quicktime"- Applikationen keine Lizenzgebuehren mehr zahlen. Hatten Software- Schmieden eine neue Quicktime-Anwendung fuer die Macintosh- oder Windows-Welt entwickelt, fiel - unabhaengig von der tatsaechlichen Anzahl spaeter verkaufter Kopien - eine einmalige Gebuehr von 300 Dollar fuer Apple an. Entwickelte man eine Applikation fuer beide Plattformen gleichzeitig, war eine Lizenzgebuehr von 400 Dollar faellig.

Jetzt verlangt das Mac-Unternehmen nur mehr eine Vertragsunterzeichnung, mit der sich Softwarehaeuser als Quicktime- Entwickler ausweisen. Den Entwicklungsbaukasten (Software Developers Kit = SDK) von Quicktime 2.0 koennen Softwerker bei der Apple Programmers and Developers Association (APDA) kostenlos beziehen. Wer das Mac-OS-SDK auf CD fuer 300 Dollar kauft, ersteht hiermit auch alle fuer die Quicktime-Entwicklung benoetigten Tools.

Mit der erstmals 1991 praesentierten Technologie zur Integration verschiedener Medien wie Video, Audio, Text und Animation entwickeln Programmierer Hardware-uebergreifend Multimedia- Anwendungen.

Vor einigen Wochen erst konnte Apple darueber hinaus die Videokonferenz-Technologie "Quicktime Conference" vorstellen, die es ermoeglicht, ueber heterogene Rechnersysteme Telefonkonferenzen zu fuehren und Daten auszutauschen. Intels "Proshare"-Loesung laesst im Gegensatz hierzu nur die Kommunikation zwischen mit Intel- Prozessoren bestueckten PCs zu.

Um die Attraktivitaet von Apple bei DV-Managern weiter zu steigern, feilte die Spindler-Company erheblich an ihren Netzprodukten fuer heterogene Umgebungen beziehungsweise draengte ihre Partner dazu, Apple unter die Arme zu greifen: Novell Netware 4.1 integriert jetzt eine Client-Unterstuetzung fuer Mac-Rechner, in das Mac-OS eingebaut ist TCP/IP. Ausserdem gilt Apple als eine der treibenden Kraefte bei der Marktetablierung von Opendoc - einer Software- Schnittstelle, die den Datenaustausch zwischen Programmen moeglich macht.

(wird fortgesetzt)