Die Herausforderung der menschlichen Gesellschaft durch den Computer

05.08.1977

Das Schlagwort "Computer" hat in der offen Meinung einen erheblichen Bedeutungswandel durchlaufen. Zunächst wurde der Computer völlig überschätzt. Die heute vorhandene allgemeine Ernüchterung unter Fachleuten sollte auch hinreichend stark der Öffentlichkeit bewußt gemacht werden. Das darf aber nicht bedeuten, nun die grundsätzliche Problematik einer Verbreitung der Datenverarbeitung und die damit verknüpften langfristigen Probleme zu vernachlässigen oder zu bagatellisieren.

Ein wichtiges Einsatzgebiet des Computers sind die Datenbanken, Informationssysteme, Auskunftssysteme. Durch die enorme Speicherkapazität von Datenverarbeitungsanlagen und die Möglichkeit eines schnellen Zugriffes zu gespeicherten Informationen besteht ein Weg, große Informationsmengen, für den Menschen leichter zugänglich zu machen.

Alle Anwendungen der Datenverarbeitung haben gemeinsam, daß sie eine Verstärkerwirkung ausüben auf die dem Menschen normalerweise verfügbare Intelligenz und eine Ausweitung bewirken auf den :dem Menschen zur Verfügung stehenden Informationsspielraum.

Es ist nicht damit getan, über die Herausforderung durch den Computer allgemein zu philosophieren oder generelle Abwehrtendenzen zu verfolgen. Worauf es ankommt ist vielmehr: Eine ernsthafte Arbeit und Auseinandersetzung in der vollen Breite und Vielfalt der sich entwickelnden Strukturen und Probleme.

Es wird, sich in Zukunft eine zunehmende Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichen Strukturen und der Datenverarbeitung ergeben. Ein zunehmendes Bedürfnis nach Lebens Qualität wird zu erhöhten Anforderungen an die Datenverarbeitung fuhren.

Ein weiterer Gesichtspunkt der ebenfalls durch die Datenverarbeitung aufgeworfen wird, ist der Freiheitsbegriff. Man sollte annehmen, daß die Datenverarbeitung durch die Möglichkeit, mehr Information zu bieten, erheblich beiträgt zu einer Auflehnung des Entscheidungshintergrundes und damit zu einer Verbreiterung des Freiheitsraumes. Dieses gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Es gibt im Grunde drei Stufen der Freiheit:

Die erste Stufe beinhaltet eine Freiheit aus Ratlosigkeit. Es ist dies die Situation unzureichender Information, aus der heraus der Einzelne sich sogar sehr frei fühlen kann.

Bei zunehmender Informiertheit tritt die Freiheit aus Überlegenheit, als eine zweite Stufe der Freiheit auf. Innerhalb solcher Freiheit aus besserer Informiertheit werden in der Regel Alternativen sichtbar, man kann Alternativen bewerten und sieht mögliche günstige Wege.

Wenn schließlich noch mehr Information (aber aus sich gegenüberstehenden Perspektiven) zur Verfügung steht und in eine Bewertung einbezogen wird, tritt allerdings möglicherweise der Fall ein, daß die Freiheit wiederum ganz erheblich eingeengt wird. Diese dritte Stufe der Freiheit ist in der Regel belastet mit einer Anzahl von Konflikten. Möglicherweise gibt es überhaupt keinen konfliktfreien Weg mehr. Eine derart belastete Situation wird um so eher auftreten, je komplexen der Sachverhalt ist und je weiter die Kausalketten reichen oder in ihren Konsequenzen verfolg werden können.

Ein weiterer, sehr wichtiger Problemschwerpunkt ist die Frage, welche Auswirkung

große Informationsvorräte haben können, wenn sie über die Datenverarbeitung leicht verfügbar gemacht werden können. Zu bedenken ist hier nicht nur der Informationsvorsprung und damit Machtvorsprung dessen, der über solche Information verfügt, sondern auch die Gefahr des Eindringens in die Individualsphäre, zum Beispiel durch mosaikartiges Zusammenfügen personenbezogener Informationen aus mehreren Informationssystemen.

Ein anderer Problemschwerpunkt ist die durch die Datenverarbeitung sich ergebende berufliche Anforderung an; den Einzelnen. Die Datenverarbeitung verschiebt nicht nur unmittelbar das Spektrum der Berufsbilder sondern sie verändert auch mittelbar die Umweltsituation. In einer solchen Umweltsituation wird der Anspruch, auf hochqualifizierte Leistung ständig zunehmen. Es wird erforderlich sein, daß durch ein entsprechend erweitertes Ausbildungswesen und durch eine generell erhöhte Lernbereitschaft diesen Forderungen begegnet wird.

Im Bereich des Individiums ist die Herausforderung, die durch die Datenverarbeitung auf uns zukommt, symptomatisch für eine sehr viel breitere allgemeine Entwicklung, Wir gehen in eine Zeit hochkomplexer Systeme, die von uns nicht mehr pauschal völlig überblickt werden können mit all ihren Konsequenzen. Die Lern- und Anpassungsfähigkeit des Einzelnen stößt daher auf systemimmanente Grenzen. Um so wichtiger ist es, daß der für die Entwicklung und Entfaltung von Persönlichkeitswerten erforderliche Persönlichkeitsraum hinreichenden Schutz findet, so daß also dem Begriff Würde in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Bedeutung zukommt.

Für den Bereich der sozialen Gemeinschaftsstrukturen besteht aufgrund der durch die Datenverarbeitung sich abzeichnenden Entwicklung die Gefahr, daß quantitative Prinzipien (Optimierung, Maximierung, Rationalisierung) zu betont als Bewertungs- und Gewichtungsmaßstäbe Verwendung finden. Das erhöht die Gefahr, daß tieferreichende Elemente der Bewertung von Gemeinschaftstrukturen in den Hintergrund rücken oder gar in Vergessenheit geraten. Wir müssen daher ein neues kulturelles Bewußtsein entwickeln, um das Gefüge gehandelter Gemeinschaftsstrukturell aus gesunden, Perspektiven beurteilen und meistern zu können.

Für einen dritten Bereich, unter welchem ich die Gesamtheit der Datenverarbeitungssysteme und Kommunikationsnetze zusammenfassen möchte, sie zur Charakterisierung der Begriff Systemarchitektur verwendet.

Die Forderung zur Zusammenschau im Bereich der Systemarchitektur gilt nicht nur für den Fachmann der Daten. Verarbeitung, sie gilt genauso für den Politiker denn hier zeichnen, sich wichtige Konsequenzen für das Bild einer zukünftigen Gesellschaft ab.

Die Welt von morgen wird zunehmend komplexen sein. Es wird für den Einzelnen und für soziale Gruppen immer schwieriger werden ein entsprechend hohes Komplexitätsniveau zu entwickeln und so der Situation gewachsen zu bleiben. Parallel dazu wird trotz einer Beschränkung materieller Quellen ein Zuwachs an individuellem Spielraum prinzipiell möglich sein. Was wir benötigen, ist ein Übergang vom Bewußtsein einer Leistungsgesellschaft hin zu dem einer Kulturgemeinschaft.