Die Handicaps der letzten Jahre sind beseitigt

10.11.1989

Mit Eric Danke, Referatsleiter Btx im Bundesministerium für Post

und Telekommunikation, sprach CW-Redakteur Peter Grüber

Der Jahresabschluß 1988 der Bundespost belegt. Die Anschlußzahlen von Btx sind gegenüber 1987 um 53 Prozent gestiegen. Der Dienst der Post verbuchte damit hinter Telefax und Mobilfunk die dritthöchste Zuwachsrate" Btx scheint seinem bisherigen Schattendasein langsam zu entwachsen. Erstaunlich daran ist, daß, entgegen der Planung der Post, weniger der Privathaushalt, als vielmehr das Gewerbe den Dienst für sich entdeckt hat. Immerhin entfällt die Häee aller Anschlüsse auf die professionelle Nutzung von Btx, 30 Prozent auf die semiprofessionelle und nur 20 Prozent auf die private Anwendung.

CW: Herr Danke, welche Argumente sprechen für die gewerbliche Nutzung von Btx?

Danke: Die gewerbliche Anwendung von Btx ist für große Unternehmen dann interessant, wenn Außenstellen zu erschließen sind, für die sich die Integration in die herkömmliche Datenkommunikation wirtschaftlich nicht rechnet. Außerdem eignet sich Btx auch dort, wo es unter Umständen im DV-Handling Probleme gibt, weil die Anwender nicht zu Spezialisten zu machen sind.

CW: Btx also als ein kostengünstiges, einfaches Medium, um von einer Zentrale aus dezentrale Punkte anzusprechen?

Danke: Ja, aber ich will nicht sagen, um reine Datenfernverarbeitung zu betreiben, sondern um eine preisgünstige Verbindung in die Ferne, auch zu entlegenen Stellen, herzustellen.

CW: Welchen Stellenwert hat der Faktor Datenübertragung bei der gewerblichen Anwendung von Btx?

Danke: Datenübertragung ist ein dehnbarer Begriff. Es ist ja nicht immer nur so, daß Datenverarbeitung als ausgelagerter Verarbeitungsprozeß eines Großsystems eingesetzt wird. Datenverarbeitung ist natürlich auch ein, Datenerfassungs- oder Datenabrufsystem.

Ein Vergleich von Btx mit Medien zur Hochgeschwindigkeitsübertragung von Daten hieße Äpfel mit Birnen vergleichen. Eine Host-Host-Verbindung hat mit Btx nichts zu tun.

CW: Wie hoch ist der Anteil der geuwblichen Btx-Anschlüsse?

Danke: Ungefähr 50 Prozent der Anschlüsse werden heute ausschließlich gewerblich genutzt. Dagegen werden nur 20 Prozent privat eingesetzt, 30 Prozent entfallen auf die semiprofessionelle Nutzung.

CW: Dann überwiegt die gewerbliche Nutzung bei Btx eindeutig?

Danke: Ja, die gewerbliche Anwendung steht eindeutig an der Spitze. Das zeigt sich auch an einem anderen Indiz. Die Hälfte unserer Verbindungszeiten in Btx werden über Datex-P in angeschlossene DV-Systeme weitergeschaltet.

CW: Wofür setzen Unternehmen Btx vorwiegend ein?

Danke: Die Post analysiert den Datenfluß nicht. Insofern kann ich das nicht wissenschaftlich gesichert beantworten. Aber ich meine, daß die Dialogkommunikation dem reinen Informationsabruf deutlich überlegen ist.

CW: Die Post hat bei der Btx-Einführung den "populistischen Ansatz stark betont. War eine industrielle Btx-Strategie überhaupt vorhanden, oder sind die 50 Prozent nur Zufall?

Danke: Mit ihrer Aussage haben sie teilweise schon recht. Unsere Philosophie war, einen Massendienst einzufahren. Die Massen die wir haben wollten, sollten im wesentlichen aus dem privaten Bereich kommen. Mit Btx hat die Bundespost versucht, ein System zu schaffen" das Kommunikation für den gelegentlichen Nutzer in der Fläche kostengünstig erschließbar macht. Deshalb haben wir unsere Feldversuche 1980 auf den privaten Bereich konzentriert.

Den gewerblichen Sektor haben wir bewußt nicht einbezogen, weil sich die Post gesagt hat, eine Akzeptanzanalyse wie im privaten Markt hat dort keinen Sinn. Dort galt die Devise: Wir stellen ein technisches System und einen Zubringer für die DV zur Verfügung. Das kann technisch kalkuliert werden, es gelten also ganz andere Mechanismen für den Einsatz. Das ist vor allem nicht so preissensibel und von der Applikation her leichter einzuschätzen.

Die Post hat aber schon sehr früh im gewerblichen Bereich Anwendungsprojekte gestartet. Das heißt, wir haben Btx von

der Konzeption her schon parallel aufgesetzt, wenngleich nach außen hin die Erschließung des privaten Marktes im Vordergrund stand. Die Erwartungen für den privaten Markt haben wir noch nicht aufgegeben. Daß wir damit auf Dauer nicht schlecht liegen zeigt Frankreich, wo 80 bis 90 Prozent der Nutzer privat sind.

CW: Der Vergleich hinkt aber doch Herr Danke, denn die Post verschenkt keine Geräte.

Danke: Der private Markt hat sich bei uns bisher nicht entwickelt, weil über die ganzen Jahre für diese Zielgruppe kaum ein Gerät zu kaufen war, das im preislichen Erwartungshorizont der privaten Anwender lag.

CW: Wie steht die Post bei all der Liebe zum privaten Nutzer dem professionellen Einsatz von Btx und den geschlossen Benutzergruppen gegenüber?

Danke: Wir sehen die gewerbliche Anwendung von Btx außerordentlich positiv. Die Post war es ja, die externe Rechner (ER) in Deutschland erstmals in ein solches System eingeführt hat. Diese Entscheidung zielte eindeutig auf die gewerbliche Nutzung von Btx im Außendienst, weil wir von Anfang an gesagt haben, es hat keinen Zweck ein System zu erzeugen, das keine Zubringerfunktion zu DV-Systemen aufweist. Die Post hat also sehrfrühzeitig die Integration der Datenverarbeitung und der Rechner betrieben.

CW: Welchen Sinn hat die Installation eines ER?

Danke: Die Installation eines ER macht nur dann Sinn, wenn eine Weiterverarbeitung in der DV erfolgt. Dann sollte man Btx als Zubringerfunktion für die DV einsetzen.

CW: Welchen Stellenwert hat Btx in der TK-Landschaft?

Danke: Der Stellenwert von Btx ist im Gesamtumfeld schwer zu beurteilen. Heute haben wir 175 000 Anschlüsse, das sind mehr als bei Telex, aber weniger als bei Telefax. Die Welten sind nicht vergleichbar, sie konkurrieren auch nicht miteinander. Fest steht, daß Btx in der kodierten Information der stärkste Dienst ist, den es gibt. Außerdem ist Btx bei der Erschließung von Außenstellen unschlagbar. Als Alternative kann ich nur die Einwahl in Datex-P über PAD sehen. Da liegen aber die Zahlen weit niedriger als bei Btx.

CW: Wie wird sich ISDN auf Btx auswirken?

Danke: ISDN ist für uns ein alternatives Zubringernetz mit außerordentlich hoher Leistung, das den Btx-Dialog erheblich beschleunigt wird. Der Bottleneck des Telefonnetzes entfällt durch ISDN fast ganz ISDN ist für Btx eine überaus positive Geschichte, wenngleich mir das alles im Moment für den Kunden leider noch viel zu teuer ist.

CW: Wie will die Telekom Btx vermarkten?

Danke: Durch den Erfolg und die Akzeptanz von Btx in der professionellen Praxis hat sich zwar ein besseres Image eingestellt, aber es bleibt das Problem, daß Btx außerordentlich erklärungsbedürftig ist. Außerdem ist Btx im gewerblichen Bereich als Einzelprodukt "Anschluß" nicht zu vermerkten.

Das Problem des Vermarktens bleibt also bestehen. Da ist die Telekom in keiner anderen Situation als die Bundespost vorher, weil für den Kunden letztlich nur die Anwendung zählt.

Die Post ist aber in dem ganzen Gebilde nur für das Netz und nicht für die Applikationen verantwortlich. Deshalb sind unsere Möglichkeiten, Btx zu vermerkten, bescheiden.

Unsere Zielsetzung ist es, die Btx-Bereitschaft an zentraler Stelle durch kompetente Beratung zu fördern. Das wird im gewerblichen Bereich unsere Strategie sein. Es ist nach unseren Erfahrungen nicht möglich, die Vielfalt der Anwendungen zum ausschlaggebenden Kriterium einer Marketing-Strategie zu machen. Dazu ist das allgemeine Angebot zu heterogen.

CW: Welche Auswirkung auf Btx versprechen Sie sich von der Ernennung Herm Riches zum Telekom-Chef, der ja als Btx-Gönner gilt?

Danke: Herr Ricke hat die Btx-Entwicklung bei Loewe Opta über viele Jahre als engagierter Endgeräte-Lieferant "verfolgt und kennt damit die Vorzüge und Probleme von Btx wie kaum ein anderer. Nun wird er die Verantwortung für das Gesamtsystem tragen.

Das Btx-Netz ist mit der Verbreitung eines neuen Zugangsnetzes auf einem guten Weg. Die Weichen zur Wirtschaftlichkeit sind damit bereits gestellt, Die künftigen Schwerpunkte liegen bei der Gewinnung neuer Teilnehmer. Hier hoffe ich, daß Herr Ricke die Ressourcen für ein effizienteres Marketing gerade im gewerblichen Bereich zur Verfügung stellen wird. Durch die Neustrukturierung der Telekom sind die Randbedingungen hierfür besser als früher.

CW: Wie sehen Sie die Zukunft von Btx?

Danke: Wenn ich jetzt sage rosig, dann finden Sie das zu platt. Aber ich meine, daß Btx sehr gute Chancen hat, sich positiv weiterzuentwickeln. Das größte Hindernis, das Btx in der Vergangenheit hatte, war das Problem der Endgeräte. Deshalb haben wir uns in diesem Jahr sehr intensiv darum bemüht, das Feld der Endgeräte zu erschließen. Wir haben Anfang des Jahres die Voraussetzung für die Zulassung von Software-Decodern auf jeglicher Art von PC geschaffen. Im PC-Bereich verspreche ich mir eine ganze Menge.

Die Produktpalette bei Btx ist Ende des Jahres komplett. Damit haben wir eine gute Aus. gangsbasis für die Zukunft. Die Handicaps der letzten Jahre sind beseitigt.