Trotz Anstößen aus den Reihen der Wirtschaft

Die Großoffensive für eine bessere Bildung muß erst noch beginnen

23.04.1999
Von Angelika Fritsche* Der Initiativkreis Bildung der Bertelsmann Stiftung hat Bundespräsident Roman Herzog ein Memorandum überreicht. Das Bildungskonzept soll den maroden Schulen und Hochschulen auf die Sprünge helfen: Den neuen Medien wird darin eine Schlüsselrolle zugesprochen. Ansonsten enthält das Papier wenig Neues.

Wir brauchen eine neue Lernkultur! Wir brauchen Vielfalt für Schule und Hochschule! Wir brauchen bessere Mechanismen zur Qualitätssicherung in Schule und Hochschule!" - das sind die drei Kernaussagen des Memorandums "Zukunft gewinnen - Bildung erneuern", das der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Mark Wössner, Bundespräsident Roman Herzog am 13. April 1999 auf dem "Deutschen Bildungskongreß" in Bonn überreichte. Veranstalter des Kongresses, zu dem sich hochrangige Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik einfanden, war die Bertelsmann Stiftung.

Die Initialzündung war aber vom Bundespräsidenten ausgegangen. Herzog hatte in seiner vielbeachteten Bildungsrede im November 1997 in Berlin zu einem "Aufbruch in der Bildungspolitik" aufgerufen. Deutschland könne seine Position unter den Industrienationen nur dann behaupten, wenn der Übergang zur Informations- und Wissensgesellschaft im gesamten Bildungssystem nachvollzogen und unterstützt werde. "Wissen ist heute die wichtigste Ressource in unserem rohstoffarmen Land. Wissen können wir aber nur durch Bildung erschließen. Wer sich den höchsten Lebensstandard, das beste Sozialsystem und den aufwendigsten Umweltschutz leisten will, der muß auch das beste Bildungssystem haben", so das deutsche Staatsoberhaupt.

Herzogs Worte machten Furore im ganzen Land, gerade so, als ob man erst jetzt begriffen hätte, wie arg es um Schule und Hochschule in Deutschland bestellt sei. Dabei hatten Experten längst vorher immer wieder auf die Misere des Bildungswesens hingewiesen und zuhauf Sanierungskonzepte vorgelegt - nur hatte das niemanden so recht interessiert. Erst die präsidialen Worte vermochten die Öffentlichkeit aus ihrem Dämmerschlaf zu reißen.

Die Stunde der Bertelsmann Stiftung, 1977 von Verleger Reinhard Mohn gegründet, war gekommen. Mit dem stiftungseigenen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) initiierten die Bertelsmänner im Mai 1998 den Initiativkreis Bildung unter der Schirmherrschaft des Präsidenten. In sechs Roundtable-Gesprächen versammelte der Initiativkreis Experten aus Bildung, Wirtschaft und Politik sowie Schüler und Studierende, die gemeinsam über Probleme und Auswege aus der Krise diskutierten.

Tenor der Empfehlungen: Schule, Hochschule und Weiterbildungseinrichtungen benötigen mehr Gestaltungsvielfalt und Eigenständigkeit, um schneller auf den gesellschaftlichen Wandel reagieren zu können. Der Staat, so Bertelsmann-Chef Wössner, soll die Personal- und Budgetverantwortung an die Schulen und Hochschulen zur Entwicklung eigener Profile delegieren. "Weniger Staat, mehr Autonomie und Eigenverantwortung", heißt die Losung, die zumindest an den Hochschulen schon seit Jahren heftig diskutiert und längst mit entsprechenden gesetzlichen Vorgaben und Modellprojekten vorangetrieben wird.

Bildungssystem muß Leistung fördern

Anstelle von "Lernen auf Vorrat" müsse "lebenslanges Lernen" treten. "Die klassische Einteilung in Schule, Ausbildung und Beruf muß durch modulare Angebote flexibilisiert werden", fordert Wössner im Namen der Mitautoren des Memorandums, zu denen unter anderem Peter Glotz, früherer SPD-Bildungspolitiker und jetziger Rektor der Universität Erfurt, SAP-Mitgründer Klaus Tschira und Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Klaus von Trotha zählen.

Bundespräsident Herzog griff die Empfehlungen in seiner Re- de auf. "Unser Bildungssystem braucht mehr Wettbewerb und Effizienz, mehr Eigenständigkeit und Selbstverantwortung, mehr Transparenz und eine bessere Vergleichbarkeit der Bildungsinstitutionen. Es darf die soziale Mobilität - nach oben wie nach unten - nie aus den Augen verlieren, ebenso muß es aber Leistung fördern und fordern."

Wie das alles konkret angestoßen und umgesetzt werden kann, darauf gibt das Bildungsmemorandum allerdings nur schwammige Antworten. Auch die Finanzierung der geforderten Maßnahmen war eine Frage, die nur am Rande gestreift wurde.