Turbulenzen im PC-Markt begünstigen die Branchenriesen

Die Großen gewinnen - die Kleinen verlieren

27.03.1998

Eines geht aus den jüngsten IDC-Zahlen klar hervor: Der unumstrittene Primus im PC-Markt bleibt Compaq. Die Texaner konnten 1997 die Anzahl ausgelieferter PCs gegenüber dem Vorjahr um 41 Prozent steigern. Der Marktanteil erhöhte sich von 10,4 auf 12,7 Prozent. Gleichwohl warnte das Unternehmen seine Aktionäre kürzlich vor einem dramatisch verschlechterten Ergebnis im ersten Geschäftsquartal 1998 (siehe CW Nr. 11 vom 13. März 1998, Seite 5: "Compaq erleidet...). Als Gründe für diesen Rückschlag gab Firmenchef Eckhard Pfeiffer neben überfüllten Vertriebskanälen den "mörderischen Preiskampf" an, den sich die PC-Branche momentan leiste. Compaq sei gezwungen gewesen, Preise massiv zu senken, um beispielsweise im hart umkämpften nordamerikanischen Markt konkurrenzfähig zu bleiben.

Nicht wenige Branchenbeobachter sehen den eskalierenden Wettbewerb als Begleiterscheinung einer umfassenden Restrukturierungsphase in der PC-Industrie. "Es ist ein Prozeß der Konzentration im Gange", verkündete Michael Dell, CEO und Gründer des PC-Direktanbieters Dell kürzlich medienwirksam, nicht ohne die eigenen Erfolge aufzuzählen. Die Marktforscher der IDC gehen davon aus, daß vor allem sogenannte "Top-tier"-Anbieter wie Compaq, IBM oder Dell von den jüngsten Entwicklungen profitieren. Die angesehene "Financial Times" spricht gar von einer "neuen Elite", die sich in der PC-Industrie herausbilde.

Für diese These gibt es Belege. Im Jahr 1997 etwa vereinigten die Big Player Compaq, IBM, Hewlett-Packard und Dell zusammen 32,2 Prozent der weltweit ausgelieferten PCs auf sich, so die vorläufigen Zahlen des Marktforschungsinstituts Dataquest. Im Jahr davor lag dieser Wert noch bei 26,7 Prozent. Rund 70 Prozent der gesamten Steigerungen im Jahr 1997 entfielen auf die vier marktbeherrschenden Unternehmen. Den Löwenanteil ihrer Zuwächse holten diese sich von kleineren oder mittleren Anbietern wie Packard Bell-NEC oder AST, in der Sprache der Analysten als "Midtier"-Hersteller bezeichnet.

Der wachsende Erfolg der Branchenriesen hat handfeste wirtschaftliche Gründe. So können etwa kleinere Hersteller kaum von den "Economies of Scale" profitieren, die ihre mächtigen Konkurrenten weidlich ausnutzen. Dies macht sich besonders beim Einkauf von Komponenten bemerkbar. Un- ternehmen wie Dell oder HP setzen aufgrund riesiger Abnahmemengen deutlich niedrigere Einkaufspreise durch als Mid-tier-Anbieter.

Die Marktmacht der Branchenmultis zeitigt aber noch weitergehende Auswirkungen. Dem Beispiel der Automobilindustrie folgend, verlangen die Produzenten von Zulieferern immer häufiger, Komponenten "just in time" anzuliefern, um die eigenen Lagerkosten zu senken. Die gerade im PC-Bereich wiedererstarkte IBM liefert dafür ein eindrucksvolles Beispiel (siehe nebenstehenden Artikel). Im Jahr 1994 wurden gerade einmal fünf Prozent der PC-Teile direkt an die Fließbänder Big Blues geliefert. 1997 waren es bereits 62 Prozent. Die Anzahl der im Lager vorgehaltenen Teile reduzierte sich im gleichen Zeitraum von 56000 auf 15000.

Ein weiterer Aspekt, von dem die Großanbieter überdurchschnittlich profitieren, ist das Vordringen von PC-Technologie in bislang Unix-dominierte Geschäftsfelder wie Server oder Workstations. Unternehmen wie Compaq, IBM oder HP haben diese lukrativen Segmente am schnellsten besetzen können. Den kleineren PC-Herstellern bleibt der Zugang zu diesen Märkten, in denen sich vergleichsweise hohe Gewinnmargen realisieren lassen, zum großen Teil verwehrt.

Am unteren Ende des Marktes stellt sich die Situation ähnlich dar. Das Aufkommen von PC-Systemen, die für weniger als 1000 Dollar über den Ladentisch gehen, kommt ebenfalls den großen Herstellern zugute. Mit den durch günstigere Komponentenpreise erzielten Einsparungen und flexiblen Fertigungseinrichtungen, die sich auf eine Minimierung der Herstellkosten hin trimmen lassen, haben die Top-tier-Unternehmen nach Ansicht von Branchenexperten auch im Low-end die besseren Karten.

Massive strukturelle Veränderungen erfahren derzeit die Vertriebskanäle für PC-Produkte. Hier sind es wiederum die Branchenschwergewichte, allen voran Dell als Pionier des Direktvertriebs, die davon profitieren. Hersteller wie Compaq mit seinem Optimized Distribution Model (ODM) oder IBM arbeiten fieberhaft an einer Verbesserung der gesamten Fertigungs- und Auslieferungskette. Die Stichworte dabei heißen Built-to-Order, Online-Shopping oder schlicht Direktvertrieb. Eigenen Angaben zufolge ließ beispielsweise IBM im vergangenen Jahr bereits 31 Prozent der für den US-Markt bestimmten Desktop-PCs von Di- stributionspartnern zusammenbauen. Von einigen Zulieferern verlangt Big Blue mittlerweile, Komponenten wie etwa Monitore direkt an Distributoren zu liefern. Künftig sollen Zwischenhändler dazu verpflichtet werden, Prozessoren auf Kundenwunsch zu montieren.