Blick in die digitale Zukunft

Die Grenzen zwischen IT und Business verschwimmen

23.10.2014
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Das Ende der Konformität

Welche Rolle der CIO-Bereich in diesem Zusammenhang spielt, hängt weitgehend vom CIO selbst ab, wie Aron erläutert: "Die Rolle des CIO wird in jedem Unternehmen eine andere sein, denn Digitalisierung ist das Ende der Gleichförmigkeit." Statt "Vanille pur" gebe es künftig verschiedenste Geschmacksrichtungen, die neben den handelnden Personen auch von der Art des Geschäfts und der Unternehmenskultur beeinflusst würden. Um überhaupt noch eine Rolle zu spielen, müsse sich der CIO aber erst einmal klar darüber werden, welche Position er denn einnehmen wolle.

Jahrelang hätten viele IT-Verantwortliche nur Lippenbekenntnisse zur Business-Orientierung abgegeben, tadelt der Berater: "Aber diesmal gilt es wirklich." Zur individuellen Positionsbestimmung solle der CIO Faktoren wie vorhandenes Know-how, verfügbares Budget und nicht zuletzt die ihm eingeräumten Befugnisse in Betracht ziehen. "Haben Sie überhaupt die Glaubwürdigkeit, um Ihre Rolle in den Bereich der Digitalisierung auszudehnen?", fragt Aron seine Kunden.

"Wir brauchen ein Betriebsmodell, das sich dem Tempo der geschäftlichen Veränderungen anpassen kann." Bobby Cameron, Forrester Research
"Wir brauchen ein Betriebsmodell, das sich dem Tempo der geschäftlichen Veränderungen anpassen kann." Bobby Cameron, Forrester Research
Foto: Forrester Research

Fähigkeiten statt Rollen

Fällt die Selbsteinschätzung positiv aus, so gilt es, die nötigen Skills zu entwickeln oder einzukaufen. Dazu müssten die meisten Unternehmen ihre Recruiting-Paxis ändern, schlägt der Gartner-Analyst vor: "Besetzen Sie nicht mehr eine bestimme Rolle, sondern stellen Sie nach speziellen Fähigkeiten ein." Sind die am Markt nicht zu haben, könne das Unternehmen auch versuchen, die Curricula der Universitäten zu beeinflussen, statt zu nehmen, was diese auf den Arbeitsmarkt entließen.

Jenseits der Cloud - die Crowd

In diesem Zusammenhang treten auch Themen wie Sourcing und Kooperationen auf den Plan. Um ihre Perspektive zu ändern und zu erweitern, sollten Unternehmen nicht nur an Near- und Offshore sowie Cloud Computing denken, sondern vor allem die Zusammenarbeit mit Startup-Unternehmen suchen. In vielen Branchen und für eine ganze Reihe von Aufgaben haben sich auch Communities gebildet, die entweder von selbst Ideen ausspucken oder im Rahmen eines "Crowd-sourcing"-Ansatzes gezielt mit der Suche nach Lösungen beauftragt werden können.

In einigen Fällen gehen die Unternehmen auch ungewöhnliche Partnerschaften ein. Wie der Pharmakonzern Glaxo Smith Kline: Er bedient sich der Echtzeitanalyse-Kenntnisse des McLaren-Rennstalls, um die Produktqualität im Fertigungsprozess zu überwachen und die Umrüstung der Fließbänder ("Changeovers") zu beschleunigen.

Ein agiles Betriebsmodell

Digitalisierung erfordere auch ein neues Betriebsmodell, ergänzt Bobby Cameron, Vice President und Principal Analyst bei Forrester. Eines, das sich dem Tempo der geschäftlichen Veränderungen anpassen kann. Cameron nennt es "Continuous Business Service":

  • Die Wertschöpfung liegt in den Händen kleiner, fest in der Organisation verankerter Teams mit unterschiedlichen Fähigkeiten, von denen IT-Know-how nur eine ist.

  • Sie sind dafür verantwortlich, (Business-) Services von Anfang bis Ende zu konzipieren, zu implementieren und bereitzustellen.

  • Dazu müssen sie bereit sein, existierende Systeme, Prozesse und Organisationen immer wieder zu hinterfragen.

Auf der Ebene darunter wird es nach wie vor relativ konstante Systeme und Anwendungen geben: Protokolle, Betriebssysteme, Datenbankmodelle, Finanzbuchhaltungsmodule. Diese Technikbestandteile ließen sich - standardisiert und mit sauber getrennten Layers - einfach aus- und wieder einlagern, sagt Cameron. Alles in allem nehme die Komplexität allerdings eher zu als ab.