KOLUMNE

Die Geschichte vom Client-Server-Kaspar

02.07.1993

Es steht zu befuerchten, dass die DV-Hersteller vor lauter Taktieren und Paktieren nicht mehr zum Verkaufen kommen. Na und? Bei den Anwenderfirmen zeigen sich naemlich die typischen Merkmale des Suppen-Kaspar-Syndroms: Meine Client-Server-(CS-)Suppe ess ich nicht. Vielen Datenbank- und Netzwerkspezialisten scheint allein bei dem Gedanken an den Aufwand, der mit der Entwicklung und Pflege von CS-Applikationen verbunden ist, der Appetit vergangen zu sein. Auf der DB/Expo in San Franzisko legte sich der amerikanische Software-Guru Richard Finkelstein mit den Marketing- Experten der Branche an, die seiner Meinung nach die mit der Einfuehrung von Client-Server auf das DV-Personal zukommenden Probleme verharmlosen. Client-Server, so der Chef der Chicagoer Performance Computing Inc., sei weder gleichbedeutend mit Downsizing und Kosteneinsparung noch mit Open Systems, sprich: Unix.

Zur Was-denn-sonst-Frage sei nur gesagt, dass sich CS fuer Finkelstein als eine Abfragefunktion darstellt: aus einer beliebigen Anwendung, einem Programm, ueber ein Interface via Netz in eine beliebige Datenbank und zurueck - alles gleichberechtigt (Peer-to-peer) und transparent fuer den Anwender. Finkelstein bemaengelt nun, dass nichts funktioniert, weil nichts zusammenpasst: Client-Server ein technologisches Babylon! Aber wir haben doch Standards wie SQL fuer den Zugriff, TCP/IP fuer die Kommunikation oder ODBC (Open Data Base Connectivity)! Flickwerk und damit untauglich, sagt Finkelstein, weil jeder Anbieter sein eigenes, proprietaeres Standardsueppchen kocht - API (Application Programming Interface) sei eben nicht gleich API.

Geht es nach Finkelstein, dann bleibt in der DV alles beim alten: Haende weg von Client-Server-Loesungen, die als vermeintlich offene Systeme daherkommen, fordert der Softwarepraktiker. Sicherer sei es, bewaehrte proprietaere Systeme einzusetzen, auch wenn dies mit der Abhaengigkeit von einem einzigen Hersteller erkauft werde. Man versteht Finkelstein wohl richtig, wenn man diese Aussage als Provokation wertet. Was die Herstellerstandards betrifft, hat der CS-Kritiker ja recht. Eine Rueckkehr zum real existierenden Mainframe-Monismus wird auch Finkelstein nicht wollen.

Der zweifellos wichtigste Einwand: Die Einfuehrung von Client- Server wird kein Honigschlecken. Andererseits kann die Empfehlung nur lauten: Die Anwender sollten sich die Chance nicht entgehen lassen, die in neutralen Schnittstellen-Standards liegen kann, Standards, die sie diktieren und nicht die Anbieter. Dieser Gewaltkur muessen sie sich unterziehen, wollen sie das Instrument DV zu dem machen, was es sein sollte: eine scharfe Waffe im Wettbewerb. Auch die bewaehrteste DV kann dem nicht helfen, der sie nicht wirklich braucht.