Enterprise Application Integration/Integration leidet unter Depression

Die Geschäfte gehen noch schlecht

27.09.2002
Der EAI-Markt Deutschlands ist im Vergleich zu anderen IT-Segmenten noch schwach ausgeprägt. Der Bedarf, heterogene DV-Landschaften standardisiert zu verbinden, ist zwar groß, doch den Anwendern fehlt das Geld. Langfristig können Hersteller und Dienstleister jedoch mit guten Geschäften rechnen. Von Simone Sinz*

"Anbieter sucht Kunde" - so kann die derzeitige Situation kurz und prägnant ausgedrückt werden. Abgespeckte und fest verschnürte IT-Budgets zwingen IT-Entscheider, notwendige Investitionen zu verschieben. Eine Sicherung des IT-Betriebs bei möglichst hohen Kosteneinsparungen sind die beiden Imperative. Die gesamte IT-Anbieterlandschaft leidet darunter (Projekt- und Softwaregeschäft), besonders die Anbieter neuer und innovativer Technologien wie Enterprise Application Integration(EAI) sind betroffen.

Noch sind es ähnlich wie bei vielen vorangegangenen "Hype"-Themen wie Application-Service-Providing, Online-Brokering und Marktplätze vor allem die IT-Anbieter, Analysten und Medien, die versuchen, das Integrationsthema voranzutreiben. Auf alle Fälle stehen die Chancen dafür mittel- und langfristig sehr gut, denn die Notwendigkeit einer integrierten Systemlandschaft werden immer öfter erkannt, und auch die Potenziale stehen bereit.

Im Prinzip nichts Neues

Grundsätzlich ist Integration aber nichts Neues, denn schon lange wurden entsprechende Maßnahmen mittels "guter, alter" Middleware durchgeführt. Neu sind allerdings die Bestrebungen, standardisierte Integrationsplattformen anzubieten. Sie beinhalten einen Message-Broker, mit dessen Hilfe eine Integration über die Datenebene hinausgeht und im besten Fall auf Workflow-Ebene stattfindet.

Mit innovativen Integrationstechniken soll das Problem von Insellösungen bisheriger IT-Landschaften endgültig behoben werden. An diesem nicht leicht umzusetzenden Vorhaben beteiligen sich IT-Anbieter unterschiedlichsten Ursprungs. EAI-Spezialisten à la Crossworlds (Anfang 2002 von IBM gekauft), Seebeyond, Tibco, Webmethods, Mercator und Vitria stehen den Herausforderern anderer Herkunft gegenüber. Hierzu gehören Middleware-Anbieter wie IBM, Neon (2000 von Sybase gekauft), Forté und I-Planet (beide in Sun integriert) sowie Bea Systems und Oracle.

Entscheidend prägen auch deutsche Häuser mit internationaler Reichweite wie SAP und die Software AG den hiesigen Integrationsmarkt. Dies gilt besonders für SAP: Obwohl die Walldorfer selbst keine dedizierte EAI-Lösung gemäß einer strengen Definition anbieten, hat die Omnipräsenz der an sich bereits mehr oder weniger integrierten ERP-Lösung des Herstellers zur Folge, dass der Integrationsbedarf in vielen deutschen Unternehmen eher gering ist. Dies erklärt auch, wa-rum der deutsche EAI-Markt im internationalen Vergleich hinterherhinkt und noch recht bescheiden ausfällt.

In Sachen EAI bedient sich SAP der Technik von Webmethods und verkauft diese unter dem Namen "SAP Business Connector". Außerdem arbeitet der Softwareriese daran, bis Ende 2002 unter dem Label "Mysap Technology", die Zusammenführung von "SAP Portals" und "SAP Markets", eine technische Infrastruktur für Web-Services auf den Markt zu bringen. Die Umgebung soll sowohl eigene als auch die Software anderer Anbieter integrieren können.

Gute Chancen für Microsoft

Weitere deutsche Anbieter, die klassische Spezialisten herausfordern, sind Seeburger aus dem EDI-Umfeld, Amadee AG und Branchengrößen wie Fujitsu-Siemens. Auch Microsoft hat sehr gute Chancen auf dem Integrationsmarkt. Im Sommer 2002 wurden zwei neue Versionen von Biztalk angekündigt, die durch den Preis überzeugen dürften. Außerdem ist Microsoft im aufkommenden Web-Services-Markt ein Vorreiter und kann unter anderem aus gut gefüllten Kassen schöpfen, was weitere Akquisitionen und die für innovative Technologien notwendige Forschung und Entwicklung erlaubt.

Trotz zahlreicher Anbieter: Der deutsche EAI-Markt steckt noch in den Kinderschuhen. Nach PAC-Recherchen wurden hierzulande im Jahr 2001 rund 275 Millionen Euro mit echten EAI-Lösungen umgesetzt, wobei 105 Millionen Euro auf Softwareprodukte und 170 Millionen Euro auf Dienstleistungen rund um EAI entfielen. Die Zahlen enthalten keine kundenspezifischen Integrationsprojekte, sondern beziehen sich nur auf Leistungen, die auf standardisierten Integrationsplattformen beruhen. Auch die Umsätze reiner Message-orientierter Middleware à la "MQ Series" (IBM) und "Rendez-Vous" (Tibco) wurden nicht zum echten EAI-Geschäft gerechnet.

Für das Jahr 2002 gehen die PAC-Analysten von einem Wachstum von nur fünf Prozent im EAI-Softwaregeschäft aus. Im internationalen Vergleich mutet das jedoch sehr positiv an, berücksichtigt man den weltweiten Einbruch von 15 Prozent in diesem Segment. Die Halbjahreszahlen der Integrationsspezialisten waren ernüchternd: Tibco minus 17 Prozent, Seebeyond minus 27 Prozent, Mercator minus sieben Prozent. Deutschland schneidet im Vergleich besser ab, denn einerseits leidet der bereits weitgehend gereifte EAI-Markt Amerikas besonders stark unter der allgemein schwachen Konjunktur, andererseits weist der noch unreife deutsche EAI-Markt viel Nachholbedarf auf.

Services legen zu

Im EAI-Servicegeschäft erwarten die PAC-Berater für 2002 trotz schwieriger Marktlage ein starkes Wachstum von 41 Prozent. Natürlich muss die relativ kleine absolute Basis mit 170 Millionen Euro im Jahr 2001 berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich in diesem Jahr weniger um neu gestartete Integrationsprojekte als um die Implementierung und Optimierung von Systemen aus bereits bestehenden Verträgen. Dennoch gibt es Chancen für das eine oder andere neue Projekt, auch wenn die Kostenschraube in den verbleibenden vier Monaten dieses Jahres weiterhin sehr eng bleiben wird.

Bezüglich der Marktanteile ist IBM laut PAC aufgrund der Übernahme von Crossworlds Anfang 2002 inzwischen Marktführer im deutschen EAI-Produktgeschäft. Auf Platz zwei liegt Tibco, dicht gefolgt von Webmethods. Seebeyond, Sybase und Mercator rangieren ebenfalls noch mit an der Spitze.

Der globale und der deutsche EAI-Markt sind noch stark fragmentiert, trotz des seit längerem eingesetzten und sicher noch anhaltenden enormen Konzentrationsprozesses. Viele, meist amerikanische Unternehmen befinden sich in Schwierigkeiten und kämpfen abgesehen von den großen finanziellen Problemen mit hohen Research- und Development-Kosten sowie der momentan zögerlichen Nachfrage.

Gleichzeitig verschwinden Firmen mit EAI-Ambitionen vom deutschen Markt, wie Level 8 und Peregrine. Letztlich werden PAC zufolge die großen, traditionell starken Player wie IBM, SAP, Sun, Microsoft, Bea und Oracle zunehmend die innovativen Spezialisten schlucken und den Markt unter sich aufteilen.

Deren Trümpfe sind der längere Atem, der die wirtschaftliche Flaute überdauern wird, sowie das Image, denn nach der geplatzten E-Business-Blase suchen IT-Anwender wieder zunehmend nach großen, stabilen Anbietern. Hinzu kommt die Möglichkeit, sich nicht vorhandene Kompetenzen über Partnerschaften und Akquisitionen anzueignen.

Partnerschaften sind auf dem EAI-Markt üblich, weil kaum ein Anbieter die gesamte Integrations-Produktpalette aus eigener Kraft optimal anbieten kann. So liefert die zu Information Builders gehörige Firma Iway Konnektoren an IBM und Microsoft. Webmethods verfügt über wertvolle OEM-Abkommen zum Beispiel mit SAP. Bea hat kürzlich eine OEM-Partnerschaft mit Hewlett-Packard angekündigt, da HP im Sommer 2002 seinen Applikations-Server, der im vergangenen Jahr über die Akquisition von Bluestone erworben wurde, wegen hoher Verluste vom Markt genommen hat.

Akquisitionen auf der Tagesordnung

Einige für den deutschen Markt wichtige Akquisitionen im EAI-Umfeld sind:

- IBM mit Crossworlds,

- Webmethods mit Active Software,

- Software AG mit Saga Software,

- Sybase mit Neon,

- SAP mit Prosyst und Top Tier,

- Sun mit Forté,

- Tibco mit Talarian,

- Mercator mit Novera,

- Iona Technologies mit Netfish,

- KL-Services AG mit Hamburger Systemfabrik,

- Information Builders mit Iway,

- Axway "a Sopra company" mit den EAI-Aktivitäten von Viewlocity.

Fazit: Der EAI-Markt ist langfristig äußerst attraktiv. Mit der allgemeinen Erholung der Wirtschaft und des IT-Markts wird auch die Nachfrage nach EAI-Produkten wieder rasch ansteigen. Im Moment werden die dringendsten Integrationsbedürfnisse im Rahmen kundenspezifischer Programmierungen abgedeckt, um die IT-Budgets zu schonen, was aber nur eine kurzfristige Lösung darstellen kann. Auch das derzeit aufkommende Thema Web-Services wird den Integrationsmarkt beflügeln. (ue)

*Simone Sinz ist Consultant der PAC GmbH in München. Die Beratungs- und Marktanalysegesellschaft bietet einen "Snapshot" zum deutschen EAI-Markt für 2000 Euro an.

Umsatz im deutschen EAI-Markt

Angaben in Millionen Euro / 2000 / 2001 / 2002

EAI-Softwareprodukte / 60 / 105 / 110

EAI-Services (Consulting, Implementierung, Training) / 95 / 170 / 240

Gesamt / 155 / 275 / 350

Quelle : PAC