NETZWERK-BETRIEBSSYSTEME

Die Frage der Vernetzung wird zur Existenzgrundlage

23.04.1993

Bei der Compaq Computer Corp. als einem weltweit operierenden Unternehmen mit Niederlassungen in fuenf und Produktionsstaetten in drei Erdteilen erkannte man fruehzeitig die Notwendigkeit einer unternehmensweiten Datenkommunikation. Zwar hatten sich im Laufe der Zeit einige Inselloesungen in Form isolierter LANs (vorwiegend auf Novell-Basis), File-Transfers ueber Hosts der mittleren Datentechnik (HP 3000) sowie Mailboxen in Generel Electrics Geisco-System entwickelt. Diese entsprachen aber bereits vor einigen Jahren nicht mehr den gewachsenen Anforderungen eines sehr schnell expandierenden Unternehmens.

Hauptanforderung an eine neue Datenkommunikations-Struktur war daher - vor dem Hintergrund der Etablierung neuer Firmenniederlassungen in Europa - eine direkte Kommunikationsmoeglichkeit fuer die Mitarbeiter ueber mehrere Zeitzonen hinweg bei gleichzeitig aktiver Benachrichtigung des Empfaengers, ohne dass dieser regelmaessig in eine Mailbox hineinsehen musste. Bereits vorhandene und in den Fachabteilungen immer weiter entwickelte PC-basierte Finanzplanungs- und Material-Resource- Planning-Systeme (MRP) mussten die in ihnen kreierten zeit- und missionskritischen Daten rechtzeitig in die nachfolgenden Prozesse an anderen Orten einbringen koennen. Darueber hinaus sollte gewaehrleistet sein, dass die Durchlaufzeiten fuer die Kommunikation aller Daten kurz bleibt, um die Aktualitaet aller Informationen und die Faehigkeit des Unternehmens, auf die Anforderungen des Marktes und der Handelspartner zu reagieren, moeglichst hoch zu halten.

Aufgrund der relativ jungen Firmengeschichte waren bei Compaq keine nennenswerten Altlasten in Form von unrentablen Grossrechnern zu entsorgen, aber das schnelle Wachstum forderte eine flexible und kostenguenstig erweiterbare Kommunikations-Infrastruktur. Von dieser Praemisse ausgehend, entschied man sich fuer ein PC-Netz als die alles in allem guenstigste Loesung, um so alle Anforderungen fuer den Datenaustausch erfuellen zu koennen - einschliesslich direkt aktiver und interaktiver Kommunikation. Weiterhin war es von Vorteil, dass Compaq als OEM durch den Einsatz eigener Produkte Hardwarekosten sparen und die DV-Planer durch den Einsatz der Komponenten wertvolle Erfahrungen gewinnen konnten.

Bei der Auswahl des Netzwerk-Betriebssystems, das auf dieser PC- basierten Plattform zum Einsatz kommen sollte, standen vor allem Forderungen nach nahtloser Kommunikationsfaehigkeit im Wide-Area- Bereich sowie einem einfachen und effizienten Netz-Management im Vordergrund. Aufgrund dieser Praemisse kam es bereits 1988 zur strategischen Entscheidung fuer Vines von Banyan Systems, das zum damaligen Zeitpunkt als einzige Loesung alle Anforderungen erfuellte. Weiterhin wurde beschlossen, ein unternehmensweites X.25-Netz auf Basis internationaler Mietleitungen beziehungsweise Datex-P zur Integration aller Niederlassungen einzurichten.

Die termingerechte und korrekte Information als kritischer Erfolgsfaktor einer schnellebigen und wettbewerbsorientierten Industrie setzt einen rechtzeitigen und zuverlaessigen Datenfluss voraus. Nur dies rechtfertigt den relativ hohen finanziellen Aufwand zur Implementierung eines privaten X.25-Datennetzes. Die Struktur des Datennetzes wurde dabei an der Firmenorganisation ausgerichtet: Die insgesamt vier zentralen Knotenpunkte befinden sich an den drei Produktionsstandorten in Houston (Texas), Erskine (Schottland) und in Singapur sowie in der administrativen Zentrale fuer Europa in Muenchen. Diese vier Knotenpunkte sind auch die Standorte der jeweiligen primaeren Rechenzenmtren (vgl. Abbildung 1).

Der Versorgungsbereich, den Houston abdeckt, erstreckt sich auf Nord- und Suedamerika, Singapur ist fuer Asien und Australien zustaendig, waehrend in Muenchen die Faeden fuer Europa und Afrika zusammenlaufen. Insgesamt sind im Vines-Netz 563 Server und ueber 13 000 Benutzerstationen (Stand Januar 1993) zusammengeschlossen. Zusaetzlich sind noch Entwicklungs-, Test- und Stand-alone-Geraete vorhanden. Innerhalb eines jeden Landes erfolgt die Datenanbindung jeweils von der zentralen Niederlassung als Knotenpunkt aus. Fuer die Laender, in denen das Geschaeftsvolumen (noch) nicht gross genug ist, um eine eigene Niederlassung zu rechtfertigen, fungiert eine Niederlassung in einem anderen Land der Region oder einer der drei Hauptknotenpunkte Houston, Muenchen und Singapur als Zugangsknoten.

Das deutsche Subnetz besteht aus den Niederlassungen Berlin, Duesseldorf/Ratingen, Frankfurt/Offenbach, Hamburg und Stuttgart sowie einer Vertriebs-Aussenstelle in Hannover (vgl. Abbildung 2).

Private X.25-Links helfen Kosten sparen

Die Vertriebsbueros ausserhalb Muenchens kommunizieren ueber von privaten VAN-Anbietern gemietete X.25-Leitungen mit einer Bandbreite von 64 Kbit/s, was im Vergleich zu der vorherigen Loesung mit 9,6-Kbit/s-Datex-P-Waehlleitungen der Telekom eine Kostenersparnis von rund 35 Prozent beziehungsweise 90 000 Mark jaehrlich einbrachte. Die Aussenstelle Hannover, die ueber ein geringeres Datenvolumen verfuegt, hat sich fuer das Vines-PC-Dial-in ueber Modem als kostenguenstigste Loesung entschieden.

Insgesamt sind im deutschen PC-Netz 57 Server eingebunden, wovon 30 Produktions-Server, fuenf dedizierte Kommunikations-Server und fuenf IS-Entwicklungs-Server auf Vines-Basis arbeiten. Dazu kommen fuenf weitere Produktions-Server sowie drei IS-Entwicklungs-Server und zwei Test-Server in den Entwicklungslabors unter SCO Unix. Lotus Notes, das als OS/2-Client ebenfalls unter Vines zum Einsatz kommt, bedient noch einmal drei Produktions-Server im Unternehmen sowie vier Produktions-Server bei einem externen VAN-Provider.

Anzahl der Server wird sich nicht erhoehen

In den bestehenden Niederlassungen wird sich in Zukunft die Zahl der eingesetzten Server trotz zunehmender Netzaktivitaeten in Form von Client-Server-Anwendungen aller Voraussicht nach nicht erhoehen, da der Leistungszuwachs neuer Geraetegenerationen heutzutage schneller verlaeuft als die Zunahme des Datenverkehrs und der Applikationen. Dies wiederum ermoeglicht es, den fuer die Netzbetreuung notwendigen Personalstand konstant zu halten, was den Anteil der Personal- und Hardwarekosten pro Transaktion stetig verringert. Die aus einer solch heterogenen Umgebung resultierenden Anforderungen an die taegliche Netzadministration lassen sich dabei in die Kontrolle des WAN-Bereiches und das LAN- Management mit der Bereitstellung genereller Netzdienste aufteilen.

Die WAN-Kontrolle erfordert zum einen die Sicherstellung der internationalen Datenkommunikation durch eine konstante Netzueberwachung und eine moeglichst zeitnahe Problemloesung, zum anderen eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Kommunikationskapazitaeten durch eine effiziente Aufteilung vorhandener Bandbreiten und die fristgerechte Anmietung zusaetzlicher Leitungskapazitaeten. Die Kontrolle erfolgt zentral ueber zwei Network Control Center in Houston und Muenchen, die miteinander in Verbindung stehen. Im Stoerungsfall steht in jedem dieser Control Center ein Stab an technischem Personal bereit, der anstehende Probleme je nach Eskalationsgroesse entweder selbst loest oder mit Banyan Systems/USA oder in England korrespondiert. Darueber hinaus sind die Control Center auch fuer saemtliche Problemloesungen im Zusammenhang mit den privaten und oeffentlichen Netzbetreibern zustaendig.

Das LAN-Management beinhaltet die Sicherstellung der Kommunikation vom individuellen Arbeitsplatz ins firmenweite Netz (WAN) ueber das lokale Netz, die anwendungsspezifische Bereitstellung von Netzressourcen und nicht zuletzt die Sicherung von Firmendaten auf lokaler Ebene. Dabei werden fuer die nationalen LANs alle koordinierenden Funktionen sowie alle Management- Aufgaben, die technische Expertise erfordern, beim jeweiligen LAN- Manager zentralisiert.

Routine-Aufgaben loest der Benutzer-Service

Hierzu gehoeren zum Beispiel die Auslastungsoptimierung durch den Einsatz von Routern und Bridges, die Verteilung I/O-intensiver Datenbankanwendungen auf mehrere Server, die Namensvergabe fuer die verschiedenen Server und Dienste im nationalen Netz sowie alle im Zuge der Datensicherung und des Datenschutzes anfallenden administrativen Aufgaben.

Alle anderen regelmaessigen administrativen und wartungsbezogenen Aufgaben werden hingegen weitgehend bei den Benutzern und dem Benutzerservice vor Ort dezentralisiert. Problemfaelle werden also von den Benutzern an Ansprechpartner in den Fachabteilungen beziehungsweise direkt an die Benutzerservice-Hotline auf Landesebene gemeldet. Dort koennen der nationale LAN-Manager oder die Netzwerk/Comm-Gruppe im Bedarfsfall das Problem an das zustaendige Network Control Center "eskalieren", das wiederum die Schnittstelle zum jeweiligen Banyan-Support-Center in den USA oder in England bildet.

Comm-Gruppe zustaendig fuer Planungsaufgaben

Im einzelnen ist in jedem Land die Netzwerk/Comm-Gruppe fuer Planungsaufgaben bezueglich der Netzgestaltung, Ressourcenaufteilung innerhalb des LANs sowie der Implementierung, Wartung und dem Management der Netzinfrastruktur zustaendig. Dies gilt darueber hinaus auch fuer Sicherheitsmassnahmen wie den Schutz vor unbefugtem Datenzugriff (einschliesslich der Einhaltung laenderspezifischer Gesetzesvorschriften), Virenprophylaxe sowie die Ausarbeitung von Vorgehensweisen etwa zur Datensicherung.

Die Wartung der Server-Hardware, die User-Administration (IDs anlegen, Zugriffsrechte verteilen, Mailboxen verwalten), die Ueberwachung von Fax- und Drucker-Servern sowie die Optimierung dieser Dienste sind Aufgaben, die unter Vines aufgrund der geringen Anforderungen grundsaetzlich an den Benutzerservice delegiert werden. Dies hilft, die Personalkosten fuer die Netzadministration in Grenzen zu halten und hat sich seit mehreren Jahren bewaehrt. Bestimmte Anwender in den Fachabteilungen, die entsprechende administrative Rechte erhalten, fuehren die Listenpflege (Verteilerlisten fuer E-Mail und regelmaessigen Datenaustausch) durch, wechseln die Bandkassetten fuer Server- Backups und werden mit dem Einsatz des naechsten Vines-Releases auch die Drucker-Queues selbst verwalten.

Von der Benutzerseite her gesehen gibt es im Netz vorwiegend zwei Arten von Anwendungen. Zum einen sind dies spezifische Kommunikationsanwendungen, die als Teil der Firmen-Infrastruktur zu sehen sind, da sie lediglich der Kommunikation dienen, zum anderen Software-Applikationen, die es den Mitarbeitern erlauben, die fuer ihre Arbeit notwendigen Aufgaben zu koordinieren und durchzufuehren. Die Kommunikationsanwendugen teilen sich wiederum in die verschiedenen Medien der firmenweiten E-Mail, die Fax- Kommunikation sowie den Zugang zu externen Datendiensten jeglicher Art auf. In puncto Electronic Mail wird Banyan-Vines-E-Mail als primaeres Kommunikations-Tool innerhalb des Unternehmens eingesetzt.

Da Vines-E-Mail strikt zeichenorientiert ist, wurde im Zuge der allgemeinen Einfuehrung von Windows auf vielen Arbeitsplaetzen Shark-Mail von Lanshark Systems als Windows-Front-end implementiert. Ausschlaggebende Gruende fuer die Auswahl dieses Paketes waren seine nahtlose Integrationsfaehigkeit in die Vines- Umgebung sowie die problemlose Kommunikation mit anderen Windows- Applikationen ueber DDE.

Mit der zunehmenden Verbreitung von Faxkarten fuer PCs sowie entsprechender Software zum Routen von Faxnachrichten kam es zum Einsatz von Fax-Servern, die es jedem Anwender ermoeglichen, direkt vom PC aus zu faxen, ohne dass dazu eine eigene Faxleitung oder Karte benoetigt wird. Diese Fax-Server bilden mittlerweile das Rueckgrat fuer die Kommunikation mit dem Handel, vor allem im europaeischen und aussereuropaeischen Ausland.

Im unregelmaessigen, anlassgesteuerten Faxverkehr vom individuellen Arbeitsplatz aus spielen hingegen Windows-basierte Faxloesungen (Ferrari-Fax und Twinfax, die beide schon seit einigen Jahren mit Vines-Treibern lieferbar sind) eine zunehmende Rolle.

Ausserhalb der firmeninternen E-Mail und der weltweiten Faxkommunikation benoetigen Mitarbeiter aus den verschiedensten Abteilungen Zugang zu oeffentlichen Datendiensten. Dabei kann es sich um den Benutzerservice, der Anfragen im Compaq-Forum auf Compuserve bearbeitet, oder um Bonitaetsmpruefungen, Geldtransfers sowie dem Zugang zu wirtschaftlichen oder technischen Datenbanken oder aehnlichem handeln. Diese Form der externen Kommunikation wird durch einen Modem-Server unter dem Vines Asynchronous Terminal Emulation Service unterstuetzt, der es jedem angeschlossenen Benutzer erlaubt, vom Arbeitsplatz aus ueber das Telefonnetz kommerzielle Mailboxen, Datenbanken oder Bulletin-Boards anzuwaehlen.

Wie in vielen vergleichbaren Unternehmen sind auch bei Compaq immer mehr Arbeitsplaetze mit Laptops ausgestattet. Waehrend frueher bestimmte Mitarbeiter zusaetzlich zu ihrem Desktop-Rechner einen Laptop bekamen, geht heute der Trend dahin, den Rechner am Arbeitsplatz durch einen Laptop mit Docking-Station zu ersetzen, die ueber einen Netzzugang, ein Backup-Bandlaufwerk und je nach Bedarf auch ueber eine Scannerkarte sowie schnelle Grafikkarten etc. verfuegt. Dieser Trend zum vermehrten Einsatz von Laptops hat jedoch auch zu einem erhoehten Bedarf an Netzzugaengen ausserhalb des eigentlichen Betriebsgelaendes gefuehrt.

Ein grosser Teil der Informationsverarbeitung bei Compaq Europe laeuft mittlerweile auf PCs ab; firmenweit sollen in absehbarer Zeit alle sich noch im Einsatz befindlichen Minicomputer durch Unix-basierte Client-Server-Loesungen auf der Basis von PCs oder speziellen High-end-Datenbank-Servern abgeloest werden. Zur Zeit werden an den einzelnen Arbeitsplaetzen vorwiegend DOS- und Windows-Applikationen eingesetzt - abgesehen von den Entwicklungs- und Supportsystemen fuer Unix (rund zehn Prozent aller Compaq-PCs werden von den Anwendern nicht als DOS-, sondern als Unix- Plattformen benutzt).

Nach Moeglichkeit kommt dabei Standardsoftware zum Einsatz, obwohl auch eine ganze Anzahl unternehmensspezifischer Anwendungen unternehmensintern erstellt wurden. Im Einzelfall ist dabei jedoch der Eignungsgrad eines bestimmten Paketes als Plattform wichtiger als dessen Verbreitung im Markt. Fuer alle Mitarbeiter werden daher Standardpakete wie Microsoft Excel, Word for Windows, PowerPoint etc. sowohl in deutscher als auch in englischer Version zur Verfuegung gestellt. Fuer spezielle Anwendungsbereiche wie dem Material-Resource-Planning und der Personalverwaltung existieren Applikationen, die hausintern unter Advanced Revelation erstellt wurden.

Weder die hier beschriebene Netzorganisation noch die notwendigen Kosten fuer die Implementierung und Aufrechterhaltung des Netzbetriebs koennen Selbstzweck sein, sondern muessen entweder durch Einsparungen oder durch die Tatsache gerechtfertigt werden, dass ohne sie ein Geschaeftserfolg der Firma gefaehrdet oder unmoeglich waere. Demzufolge muessen sich die Wirtschaftlichkeitsueberlegungen auch auf verschiedenen Ebenen bewegen. Die Frage: "Vernetzung - ja oder nein?" laesst sich nur dahingehend beantworten, dass es fuer ein Unternehmen mit einem Umsatz in Milliardenhoehe heute nicht mehr moeglich ist, ohne weltweite Datenkommunikation auszukommen.

In diesem Sinne ist die Vernetzung eine Existenzgrundlage, ohne die beispielsweise ein Unternehmen wie Compaq seine heutige Position im Markt nicht erreicht haette. Die Frage der Wirtschaftlichkeit beschraenkt sich somit lediglich auf die Form beziehungsweise den Grad der Vernetzung.

Frage zwischen PC-Netz und Host ist entschieden

Zu letzterem, naemlich der Glaubensfrage zwischen dem PC- basierten Netz im Gegensatz zur Host-basierten DV oder Systemen der mittleren Datentechnik, kann man nur feststellen, dass man die "Tauglichkeit" der PCs fuer diesen Einsatzzweck heute nicht mehr in Frage stellen kann. Vielmehr spricht mittlerweile das Argument der geringeren Kosten und erhoehten Flexibilitaet eindeutig fuer sich.

Angefangen von den Kosten pro MIPS ueber die Aufwendungen pro Arbeitsplatz bis hin zu den Ausgaben fuer die Software sind die finanziellen Anfordemrungen im PC-Bereich bedeutend geringer als bei Grossrechnern. Hinzu kommt, dass Anwendungen und Datenbankabfragen, fuer deren Entwicklung im Grossrechner-Bereich nach wie vor Fachleute aus der DV-Abteilung notwendig sind, im PC- Sektor heute zu einem Grossteil routinemaessig von den Benutzern in den Fachabteilungen selbst geschrieben werden. Sowohl die daraus resultierenden Einsparungen als auch die schnellere Entwicklung (kein Anwendungsstau) sind Faktoren, die im Rahmen einer zunehmend wettbewerbsorientierten Industrie nicht vernachlaessigt werden duerfen.

So bleibt im Rahmen der Wirtschaftlichkeitserwaegung nur noch die Frage nach dem Grad beziehungsweise der Tiefe der Vernetzung. Theoretisch waere es durchaus moeglich, das Netz nur fuer den File- Transfer zu benutzen und den Aufwand fuer die anderen Kommunikationsmedien wie E-Mail, Fax, externe Datenkommunikation etc. einzusparen.

Die Kosten fuer diese Kommunikationsmedien werden zum einen von der notwendigen Hardware, zum anderen durch die Software fuer Fax-Server, Modem-Server etc. sowie den unvermeidlichen Benutzersupport verursacht.

Auf den ersten Blick stellt sich daher durchaus die Frage, ob man das Netz nicht - wie heute noch in der Mehrzahl aller Installationen - lediglich zum Printer-Sharing und File-Transfer zwischen den ansonsten autonomen Arbeitsplaetzen sowie zum regelmaessigen Datenaustausch zu vorher festgelegten Zeiten im Rahmen vorab definierter Applikationen einsetzt. Dabei koennte man sowohl die Ausgaben fuer einen Teil der Kommunikationsbandbreite als auch die mit dem zusaetzlichen Datenaustausch einhergehenden Hardware-, Software- und Supportkosten einsparen.

Die schluessige Antwort laesst sich jedoch anhand einer Ueberschlagsrechnung schnell finden. Wenn man davon ausgeht, dass der durchschnittliche Mitarbeiter durch E-Mail und Datentransfer ueber E-Mail (was voraussetzt, dass keine Memos geschrieben und keine Disketten per Post oder Hauspost verschickt werden muessen) eine Stunde pro Tag einspart, handelt es sich bei 400 Mitarbeitern und 200 Arbeitstagen pro Jahr um 80 000 eingesparte Arbeitsstunden jaehrlich.

Bei durchschnittlichen Stundenkosten von 60 Mark je Mitarbeiter fuer den Arbeitgeber (einschliesslich der Gehaltsnebenkosten) erreicht man somit einen Gewinn von 4,8 Millionen Mark nur durch eingesparte Arbeitszeit.

Um dasselbe Ergebnis unter dem beruehmten Strich durch zusaetzlichen Umsatz zu erreichen, waere ein Umsatzzuwachs von weit ueber 50 Millionen Mark notwendig, wenn man die durchschnittlichen Gewinnmargen fuer die PC-Industrie voraussetzt. Dabei sind jedoch die Kosten fuer die Ausstattung zusaetzlicher Arbeitsplaetze, um die fehmlenden 80 000 Stunden anderweitig zu erbringen, noch nicht eingerechnet. Aehnliche Berechnungen, basierend auf der tatsaechlichen Nutzung von Fax im Netz etwa bei Rundschreiben und Einzelfax, ergeben weitere Einsparungen von 1,2 Millionen Mark pro Jahr nur bei der Arbeitszeit.

Wenn man dieses Ergebnis gegen den Aufwand fuer die in Muenchen ansaessige IS-Abteilung aufrechnet, bleibt von den Einsparungen selbst nach Abzug aller Kosten (nicht nur der durch die Vernetzungstiefe) einschliesslich Personal, Netz und Server, Material, Service-Vertraegen, freie Mitarbeiter, Software, Mobiliar und Reisespesen noch mehr als die Haelfte uebrig. Damit uebersteigt dieser Gewinn, der im Gegensatz zu vielen anderen Vorteilen (aktuellere Daten, bessere Datenqualitaet etc.) leicht zu beziffern ist, den finanziellen Aufwand fuer den zusaetzlichen Grad der Vernetzung bei weitem.

Zusammenfassend laesst sich feststellen, dass sich die inzwischen fuenf Jahre zurueckliegende Entscheidung zugunsten eines PC- basierten, firmenweiten privaten Netzes strategisch und finanziell ausgezahlt hat. Weltweit werden heute zeitkritische und ueberlebenswichtige Kommunikations-Dienstleistungen vielen Anwendern mit sehr unterschiedlichen Anforderungen ueber ein gemeinsames Netz zur Verfuegung gestellt. Das Netz konnte dabei mit dem Wachstum der Firma, der Anzahl sowohl der Mitarbeiter als auch der Applikationen und der wachsenden geographischen Verbreitung immer Schritt halten.

Wahl von Banyan Vines war technisch richtig

Aehnliches gilt fuer die Wahl von Banyan Vines als Netzwerk- Betriebssystem. Gerade in den letzten zwei Jahren hat sich allgemein die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Weg, den Banyan mit seinem Streettalk-Directory-Service schon vor einem knappen Jahrzehnt einschlug, wohl der richtige war. Selbst LAN-Marktfuehrer Novell ist jetzt dabei, eine entsprechende Funktionalitaet fuer seine Produkte zu entwickeln, weil das Ende der bisher verfolgten Sackgasse durch die Verbreitung immer groesserer Netze mit immer mehr Benutzern sichtbar wird.

Die Entscheidung fuer das technisch richtungsweisende Vines wurde zwar durch den bekanntermassen frueher oft nicht zufriedenstellenden Support sowie durch haeufig auftretende Inkompatibilitaeten zwischen verschiedenen Software-Releases getruebt, in beiden Bereichen konnten in letzter Zeit jedoch deutliche Fortschritte registriert werden.

Die Auswahl von Produkten, auf deren Einsatz man sich bei Compaq beschraenkt, ist jedoch ein fortlaufender Prozess, bei dem es oft genug nicht nur um die Einschaetzung heute vorhandener Features, sondern auch der zukuenftigen Entwicklungsrichtung geht.

Firmenspezifischer Bedarf erfordert Produktwechsel

Unweigerlich wird man dabei immer wieder Produkte durch andere ersetzen muessen, entweder weil der allgemeine Trend oder der firmenspezifische Bedarf sich anders entwickelten als urspruenglich angenommen, oder weil der Hersteller seine Versprechungen nicht oder so spaet einhielt, dass man nicht laenger mit der Implementierung warten konnte. Die oben beschriebene Wirtschaftlichkeitsrechnung zeigt daher nicht nur das Einsparungspotential fuer den Fall auf, dass man den fuer das Unternehmen richtigen Produktmix einsetzt, sondern dokumentiert zugleich, welche Investitionsmittel diejenigen Hersteller binden und quasi verschwenden, deren Ankuendigungen nicht verlaesslich sind.

* Lore Koehnlein ist Gruppenleiter Network Communication Systems in der Abteilung Information Management Germany bei Compaq Computer GmbH, Muenchen. Klaus P. Steinbrecher ist als IV-Berater in Muenchen taetig und betreibt die Firma KPS Consulting.

Abb. 1: Die vier Knotenpunkte des Compaq-Netzes befinden sich an den Hauptstandorten des Unternehmens. Quelle: Compaq

Abb. 2: Hohe Uebertragungsgeschwindigkeit rechtfertigt die Kosten des privaten X.25-Netzes. Quelle: Compaq