Suche nach neuen Bildschirmtechnologien:

Die Flachmänner kommen noch immer überwiegend aus Fernost

13.03.1992

Mit einem Anteil von 58 Prozent beherrschen die Flüssigkristalldisplays (LCD) den Markt der flachen Bildschirme. Zu 95 Prozent werden sie derzeit in Ostasien gefertigt. Einige deutsche Forschungseinrichtungen suchen nach technischen Klingen für neuartige Flachbildschirme. Erny Hildebrand* hat sich dort umgesehen.

Für Laptop- und Notebookrechner, aber auch für Industrie-PCs und Anzeigeinstrumenten in Autos, werden immer mehr flache Bildschirme benötigt. Bis 1993 soll sich die Nachfrage - so eine aktuelle Untersuchung des US-Marktforschungsunternehmens Electronic Trend - weltweit von 4,01 Milliarden 1990 auf 6,11 Milliarden Dollar erhöhen. Im Bereich der Konsumgüter liege der größte Bedarf, gefolgt von den Computerherstellern und danach den Produzenten von Büromaschinen. Auch die Marktbeobachter von Frost & Sullivan prophezeien bis 1995 bei den flachen Bildschirmen ein "dramatisches Wachstum des Marktes". Alleine in Europa sollen demzufolge 1,14 Milliarden Dollar mit dieser Neuerung umgesetzt werden. Neben den Wachstumsmärkten Kleincomputer und flache Fernsehbildschirme erwarten die Marktauguren besonders im Automobilbereich einen "deutlichen Schub". Bis 1995 sollen hier in Europa die Umsätze auf 193 Millionen Dollar steigen.

Die Mehrheit ist jetzt schon für LC-Displays

Flache Bildschirme können auf die unterschiedlichste Art hergestellt werden, innerhalb der einzelnen Gruppen gibt es wiederum sehr unterschiedliche Technologien zur Bilderzeugung (beispielsweise bei der Ansteuerung der einzelnen Bildpunkte).

Mit einem Anteil von 58 Prozent beherrschen die Flüssigkristallbildschirme (LCDS) den Markt der flachen Displays, aber auch Vakuum-Fluoreszenz-Bildschirme (19 Prozent), Gas-Plasma-Displays (zwölf Prozent), Leuchtdioden (zehn Prozent) und Elektrolumineszenz-Matt-scheiben (ein Prozent) haben Zukunftschancen. Mittelfristig wird sich ihr Anteil deutlich erhöhen, das sie kostengünstiger als die LCDs herzustellen sind. Weitere Technologien, wie Laddics, Bildschirme mit binärer Optik oder Elektronenquellen-Displays, haben noch nicht den Sprung aus den Forschungslabors geschafft.

Neben den Nippon-Firmen Sharp, Toshiba, Hitachi, Fujitsu, Sanyo, Matsushita, Seiko Epson, Hosiden Electronics, Kyocera, Densitron, Denyo, NEC und Optrex - die alleine zirka 70 Prozent des Weltmarktes beliefern - sorgen Unternehmen wie Varitronix aus Hongkong, Vikay aus Singapur und Handok aus Südkorea für einen fernöstlichen Marktanteil von 95 Prozent bei den flachen Bildschirmen. Lediglich die niederländische Philips Electronics versucht der spanischen Übermacht Paroli zu bieten, im ersten Halbjahr 1993 soll eine für 177,5 Millionen Mark in Eindhoven neu errichtete Fabrik mit der Massenproduktion von farbigen Flachbildschirmen beginnen.

Nach Schätzungen des amerikanischen Marktforschungsinstitutes O'Mara & Associates wollen die großen japanischen Hersteller in den nächsten beiden Jahren 3,7 Milliarden Dollar in neue Produktionsanlagen für Flüssigkristall-Displays (LCDS) stecken, allein der Marktführer Sharp investiert 700 Millionen Dollar. Besonderes Augenmerk richten sie dabei auf die Dünnfilmtransistor-Aktivmatrix-Displays (TFT), die sich durch hohen Kontrast und Genauigkeit und extreme Vorteile bei der Graustufenerzeugung auszeichnen.

Gemeinsames Ziel der Anstrengungen ist eine Verbesserung der Fertigungsqualität, denn zur Zeit liegt die Ausschußquote bei diesen Bildschirmen mit über 90 Prozent noch extrem hoch. Bei den TFT-Displays ("Thin Film Transistor") sitzen fast eine Million winziger Transistoren hinter der Leuchtfläche und schalten die einzelnen Bildpunkte.

Bereits der Ausfall einiger weniger Dünnfilm-Transistoren kann zur Unbrauchbarkeit des gesamten Displays führen. Das erklärt auch den Stückpreis von zirka 10000 Mark, der einen breiten Einsatz im Moment noch verhindert. Mit einem neuen Verfahren will Sanyo Electric allerdings inzwischen eine Ausbeute von 75 bis 80 Prozent erreicht haben und damit ab Mitte dieses Jahres 50000 farbige LCDs im Monat produzieren können.

Im Wettstreit mit Japan Marktnischen für Europa

Auf japanisches Know-how ist auch der amerikanische Computergigant IBM angewiesen, der vor drei Jahren mit Toshiba das Joint-venture Display Technologies Inc. (DTI) zur Herstellung von Farb-LCDs gegründet hat. 220 Millionen Dollar wurden in eine neue Fabrik im japanischen Himeji investiert, die im Sommer letzten Jahres die Produktion aufnahm und mittlerweile monatlich 10000 farbige 10,4-Zoll-Flüssigkristall-Displays für den internen Verbrauch der beiden Partner herstellt.

Professor Ernst Lüder, Leiter des Institutes für Netzwerk- und Systemtheorie an der Universität Stuttgart, in dessen neuem Labor für Bildschirmtechnik seit einem Jahr an Technologien für flache Displays geforscht wird, will allerdings noch längst nicht die Segel vor der japanischen Übermacht streichen. Der Wissenschaftler glaubt, "daß es für die Europäer im Wettstreit mit den Japanern durchaus Chancen gibt". Freilich nicht unbedingt auf dem Gebiet der TFT-Displays, sondern bei anderen Technologien.

Ein ferroelektrischer Bildschirm, der gemeinsam mit dem Chemiegiganten Hoechst in seinem Labor entwickelt wurde, könnte in einem halben Jahr in Serienproduktion gehen. "Uns ist eine Steigerung des Bildkontrastes von 15:1 auf 60:1 gelungen", lobt Lüder das Forschungsergebnis, mit dem allerdings bisher nur Schwarzweiß-Bildschirme mit wenigen Graustufen hergestellt werden können.

Suche nach alternativen Technologien

Aber auch an alternativen Technologien für die Aktiv-Matrix-LCDs - zu denen unter anderem die TFT-Displays zählen - wird in dem Stuttgarter Labor geforscht. Anstelle von Transistoren werden bei der MIM-Technologie (Metall-Isolator-Metall) diodenähnliche Schaltelemente eingesetzt. Die bisher angefertigten Muster haben 1,2 Millionen Bildpunkte auf einer Fläche von 8x10 Quadratzentimeter bei etwa 20 Graustufen.

Der japanische Seiko-Epson-Konzern setzt ebenfalls auf die MIM-Technologie. Für rund 37 Millionen Dollar hat er im letzten Jahr seine Fertigungsanlage in Suwa Minami erweitert und liefert daraus seit Ende 1991 zwei Arten von Zehn-Zoll-MIM-LCDs für den Einsatz in PCs und Workstations. Auch der Philips-Konzern wird in seiner neuen Eindhovener Fabrik LCDs mit Diodenringansteuerung bauen. Sie haben die gleiche Qualität wie TFT-Bildschirme, sind aber leichter zu fertigen. Die Niederländer rechnen deshalb mit erheblich höheren Ausbeuten.

Schneller Bildwechsel

Ein anderes Forschungsgebiet in Stuttgart sind Dünnschicht-Transistoren aus amorphem Silizium. Bis Ende 1992 sollen damit Displays von 40x40 Quadratzentimeter hergestellt werden können, allerdings ist die Bildaufbaugeschwindigkeit bisher noch zu langsam. Deshalb experimentiert das Team von Lüder auch mit Transistoren aus Poly-Silizium. Hier sind die Ergebnisse besser. Schließlich fertigt man die Dünnfilm-Transistoren auch aus Cadmium-Selenid. Diese Technologie ist am schwersten zu beherrschen, dafür haben diese Schaltelemente aber die höchste Geschwindigkeit beim Bildaufbau.

Im Sonderforschungsbereich 335 der Technischen -Universität Berlin arbeiten Wisenschaftler an der Erforschung schnell schaltender ferroelektrischer Flüssigkristalle, mit denen sich Bildwechsel auf einem Display innerhalb von Mikrosekunden realisieren lassen. Von einer praktischen Anwendung sind sie allerdings noch weit entfernt. Zwar ist die Einbindung der schnellen Flüssigkristalle in einen Kunststoff gelungen, doch mit über 50 Grad Celsius liegt derzeit die Schalttemperatur für das Material zu hoch für den technischen Einsatz.

Bildschirme auf der Basis von ferroelektrischen Flüssigkristallen stellte im letzten Jahr auch der japanische Hersteller Canon vor. 154 Millionen Dollar hat das Unternehmen in eine neue LCD-Fabrik investiert, die Ende dieses Jahres mit der Lieferung von 24-Zoll-Farbdisplays in dieser Technologie beginnen soll.

Das Augenmerk einer Forschungsgruppe des Heinrich-Hertz-Instituts für Nachrichtentechnik im Ostteil Berlins ist dagegen auf Dünnfilm-Elektrolumineszenz-Displays (TFELD) gerichtet.

Mit dieser Technik können erheblich größere Bildschirme als in der TFT-Technik erzeugt werden, die heute bei einer Bildschirmdiagonale von 14 Zoll ihre Grenzen findet. Zudem sind die EL-Displays kontrastreicher und brillanter. "Mit unseren Arbeiten liegen wir zur Zeit mit an der Weltspitze",

schätzt Projektleiter Professor Gerd Müller selbstbewußt den Stand der Grundlagenforschung in Berlin ein.

Das zwölfköpfige Forscherteam des ehemaligen DDR-Zentralinstituts für Elektronenphysik, das nun in einem mit BMFT-Mitteln geförderten Projekt arbeitet, muß seit Jahresbeginn allerdings mit einem Drittel seiner früheren Personalkapazität auskommen.

Mit der Vorstellung des weltweit ersten farbigen Elektrolumineszenzdisplays zeigte bereits im letzten Jahr die amerikanische Firma Planar Systems, daß diese Technik eine Zukunft hat.

Im Bremen demnächst Besucherwelle aus Japan

Aber selbst bei der TFT-Technologie, die fest in japanischer Hand zu sein scheint, haben deutsche Wissenschaftler noch etwas zu bieten. Professor Gerd Sepold, Leiter des Bremer Instituts für Angewandte Strahltechnik (BIAS), erwartet demnächst eine Besucherwelle aus Nippon. In der Forschungseinrichtung auf dem Universitätscampus wurde nämlich ein lasergestütztes Beschichtungsverfahren für ultradünne Schichten entwickelt, das weltweit seinesgleichen sucht.

"Mit einem Lichtblitz können wir sehr großflächig viele Belichtungspunkte erzeugen", beschreibt der Wissenschaftler die Technologie. Ideal ist es zum Beispiel für die Herstellung von TFT-Displays.

"In drei bis vier Jahren könnte man mit unserem Verfahren eine Serienproduktion beginnen", schätzt Sepold. Doch in Europa hat sich bisher noch nicht einmal ein Unternehmen gefunden, das die nötigen Millionenbeträge für den Aufbau einer Pilotanlage investieren will. Diese soll jetzt gemeinsam mit einem amerikanischen Flachbildschirmhersteller errichtet werden.

"Präsenz in Japan unabdingbar"

Hans-Georg Betz von der Degussa-Tochter Leybold AG in Alzenau glaubt unterdessen nicht an einen schnellen Erfolg der deutschen Flachbildschirm-Entwickler. Sein Unternehmen, das zu den Weltmarktführern bei den notwendigen Beschichtungsanlagen für flache Displays zählt, hat im Februar in der japanischen Wissenschaftsstadt Tsukuba ein anwendungstechnisches Labor eröffnet. Leybold geht davon aus, das der Wachstumsmarkt "flache Bildschirme" bereits in wenigen Jahren die Größe des heutigen Halbleitermarktes erreichen wird.

"Da künftige Entwicklungstrends in Japan gesetzt werden", bekennt der zuständige Werksdirektor Betz, "ist die Präsenz in Japan sowie die Zusammenarbeit mit japanischen Kunden eine unabdingbare Voraussetzung, um auch künftig eine Spitzenstellung mit Vakuum-Beschichtungsanlagen einnehmen zu können".