Neue Finanzdienstleister erobern den Markt

Die Fintechs schicken sich an, den Kreditmarkt aufzumischen

24.08.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Portfolio-Management ohne Fachchinesisch

Kunden, die eine nennenswerte Geldsumme anlegen können, möchten Risiko und Rendite nach ihren individuellen Vorlieben ausbalancieren. Das heißt, ständig die Finanzmärkte beobachten und das eigene Anlageportfolio deren Entwicklung anpassen. Ein Job für Profis. Sicher gibt es dafür Private-Banking-Berater. Aber damit ist der Kunde auf Know-how und Verantwortungsbewusstsein einer einzigen Person angewiesen. Eine Alternative sind Muster-Portfolios ("Wikifolios"), von denen es mittlerweile mehr als 8000 gibt - die passende Auswahl erfordert also Sachkenntnis.

Das Startup Vaamo aus Frankfurt am Main offeriert eine dritte Möglichkeit. Es adressiert vor allem Sparer unterhalb der Private-Banking-Schwelle. Der Anlagewillige muss nur wenige und simple Fragen beantworten, um seine Anlageziele zu definieren. Die Portfolios sind einfach strukturiert und stark standardisiert.

Das Fintech überwacht anschließend das Portfolio auf Grundlage der ermittelten Anlageziele. Geführt werden die Anlagen aber extern - bei der FIL Fondsbank GmbH.

Know your Customer - via Video

Das Geldwäschegesetz (GwG) verlangt von den Banken, dass sich ihre Kunden bei der Anbahnung der Geschäftsbeziehungen "ordnungsgemäß" identifizieren. Zur Legitimierung ist im Regelfall die persönliche Anwesenheit in der Filiale oder zumindest ein Postident-Verfahren notwendig. Dieser Umstand hält einige Kunden davon ab, Finanzprodukte online zu erwerben. Denn wozu noch ein Online-Konto eröffnen, wenn man sowieso zur Bank gehen muss?

Eine Alternative ist die videobasierende Identitätskontrolle, die IDnow anbietet: Per Video-Chat prüft ein IDnow-Mitarbeiter die Übereinstimmung zwischen Person und Pass und bezeugt sie gegenüber der Bank. Als Referenzen nennt IDnow die Commerzbank, das Kreditvergleichs- und -vergabeportal Smava sowie den Mobile-Banking-Anbieter Number26.

Per Herzschlag zur Finanztransaktion

Ist aus dem Interessenten ein Kunde geworden, muss er für jede Transaktion erneut einen Identifikationsnachweis erbringen - durch Eingabe eines Passworts und einer PIN, unter Verwendung von Chipkarte und Lesegerät oder neuerdings auch mittels biometrischer Daten. Die Royal Bank of Scotland zum Beispiel erlaubt bereits eine Authentifizierung durch Fingerabdruck, hat Pass herausgefunden.

Noch einen Schritt weiter geht das kanadische Unternehmen Nymi, ein Spinoff der Universität Toronto: Es ermöglicht die Identifikation anhand des EKG des Kunden. Der Puls wird mit Hilfe eines im Rahmen des "Nymi Band Discovery Kit" angebotenen Armbands gemessen und dann an ein beliebiges Device übertragen.

Hier handelt es sich zwar nicht um ein originäres Bankprodukt. Doch ist das Nymi-Projekt zum Beispiel für das Kreditkartenunternehmen MasterCard offenbar interessant genug, um es finanziell zu unterstützen. Starthilfe kommt auch von Salesforce Ventures. Das Band wird bislang zwar noch nicht produktiv eingesetzt, aber immerhin schon von der Halifax Bank getestet.

Zentrale für die private Finanzplanung

Ein Gebiet, das die Banken gerade erst entdecken, ist das Private-Finance-Management (PFM), auch Haushaltsbuch genannt. Zum einen interessieren sie sich für die in diesem Zusammenhang ausgewerten Kundendaten, denn die können sie für Cross-Selling-Angebote nutzen. Zum anderen wollen sie die Kundenbindung verstärken, indem sie den Nutzern eine zentrale Plattform für ihr Finanz-Management zur Verfügung stellen.

Die Technik dafür beziehen die Bankkonzerne gern von Fintechs wie der schweizerischen Contovista, deren Lösung in das E-Banking der Schwyzer Kantonalbank integriert ist und die Softwarehäuser wie Avaloq oder Finnova zu ihren Partnern zählt. Contovista hat ein Frontend entwickelt, in das die Finanzhäuser ihr Online-Banking einklinken können. Damit positioniert sich das Unternehmen eindeutig als Partner und Zulieferer der Banken (siehe Kasten "Ersatz oder Ergänzung?").

Factoring auch für kleinere Rechnungen

Das gilt auch für das Berliner Startup Pagido, das unter anderen von Axel Springer Plug and Play unterstützt wird. Es betreibt ein Geschäftsmodell, das man als Vorfinanzierung und Weitervermittlung ausstehender Forderungen bezeichnen könnte. Der Fachbegriff dafür ist Factoring. Dabei werden finanzielle Forderungen vor der eigentlichen Fällligkeit an einen Dritten übertragen, der sie dann gebündelt weiterverkauft.

Dieses Modell ist interessant für Freiberufler, Selbständige und Gewerbetreibende, die fürchten, dass ihre Forderungen gegen Firmenkunden nicht oder verspätet erfüllt werden. Denn sie erhalten innerhalb weniger Tage 80 Prozent des Rechnungsbetrags ausgezahlt. Die Bündelung bewirkt, dass auch kleine Einzelbeträge für die Factoring-Unternehmen interessant werden. Pagido fungiert dabei nicht nur als Vermittler, sondern steuert auch Services wie die formale Rechnungsüberprüfung bei.

Mit einem artverwandten Geschäftsfeld, der Versteigerung "notleidender Kredite", verdient das Fintech Debitos sein Geld. Die in Frankfurt am Main ansässige "Forderungsbörse" wirbt vor allem mit der Transparenz des Bieterverfahrens.

Abrechnung für Pay per Use

In die Kategorie "Anreicherung von Bankenleistungen" fällt weiter die Abrechnungsautomatisierung für verbrauchsabhängige Leistungen. Pay per Use, Pay per Click, Pay per View - mit solchen Angeboten sind herkömmliche Abrechnungssysteme überfordert. Und in diese Marktlücke stößt die FastBill GmbH aus Essen mit ihrem Produkt "FastBill Automatic". Das Komplettpaket lässt sich beispielsweise für Software-as-a-Service-Abrechnungen nutzen. Selbstverständlich wird auch die Software selbst in einem SaaS-Modus zur Verfügung gestellt.

Siri für Banken

Einen Ersatz für die oft überforderten und damit schwerfälligen Call-Center, also eine weitere Ergänzung zum Bankengeschäft, stellt das Londoner Unternehmen FinGenius bereit. Es bezeichnet sein Angebot - in Anlehung an die Spracherkennung auf Apple-Geräten - als "Siri für Banken". Der "virtuelle Concierge" lässt sich in Online-Banking-Portale integrieren. Eigenen Angaben zufolge arbeitet FinGenius bereits mit zwölf Großbanken zusammen.

Reisebegleitung durch die Bankkanäle

Ebenfalls in London ansässig ist das Unternehmen Ebankit, das sich mit Omnichannel-Banking und der "Customer Journey" durch die verschiedenen Kanäle beschäftigt. Denn der Kunde ist ein unberechenbares Wesen. Er wechselt zwischen online und offline, nutzt dafür unterschiedliche Devices und kreuzt bisweilen sogar persönlich in der Filiale auf. Diese verschlungenen Wege vermögen konventionelle Banking-Software-Produkte kaum nachzuzeichnen. Deshalb hat Ebankit ein neues Paket entwickelt, das mit dem Versprechen antritt, alle Formen des Bankings zu berücksichtigen und kundenzentriert zu verbinden.