Der neue Mitarbeiter: Herausforderung für Unternehmenskommunikation

Die ersten Tage entscheiden über Erfolg oder Mißerfolg

23.02.1990

Ein Viertel aller neu eingestellten Mitarbeiter kündigt innerhalb des ersten Jahres wieder. Ein teures Gastspiel für das Unternehmen, denn die Kosten für Suche und Einarbeitung können leicht ein Jahreseinkommen des Mitarbeiters betragen. Mit besserer Kommunikation lassen sich solche unangenehmen Erfahrungen vermeiden.

"Der Markt für qualifizierte DV-Fachleute ist leergefegt." Dieses Klagelied stimmen streßgeplagte Manager von EDV-Anbietern und -Anwendern regelmäßig an, wenn sie die Gründe für nicht erfüllte Anforderungen angeben sollen. Ist schließlich der aufwendig gesuchte Neue gefunden, bedeutet das noch lange nicht, daß er auch tatsächlich bleibt: Ein Viertel aller neu eingestellten Mitarbeiter verläßt innerhalb des ersten Jahres das Unternehmen wieder. Diese Erfahrungstatsache ist nicht nur unangenehm für den Mitarbeiter, der sich um eine neue Arbeitsstelle bemühen muß. Für das Unternehmen wird das vorzeitige Ausscheiden zum teueren Spaß. Ein neuer Mitarbeiter muß gesucht, eingeführt und eingearbeitet werden. Die Kosten dafür können bei Führungskräften, Spezialisten and Top-Verkäufern ein Jahreseinkommen übersteigen. Kann bessere Kommunikation die Trefferquote erhöhen und die Fluktuation vermindern?

Erfolgreiche Eingliederung neuer Mitarbeiter ist in erster Linie eine Kommunikationsaufgabe, deren Bewältigung unmittelbar in Mark und Pfennig ausgerechnet werden kann. Sie beginnt bereits vor der Ausschreibung der zu besetzenden Funktion und endet nicht unbedingt mit der Überführung des Neuen in das betriebliche Personal-Entwicklungssystem.

Integration eines Mitarbeiters in ein Unternehmen beinhaltet gleichermaßen die Übertragung von Aufgaben und die Einbeziehung in das soziale Gefüge des Unternehmens. Natürlich ist die fachliche Qualifikation ein wichtiges Kriterium. Mindestens gleichbedeutend ist jedoch, daß sich der neue Mitarbeiter als Mensch in der neuen Umgebung wohlfühlt. Dazu gehört neben der Zufriedenheit mit der gestellten Aufgabe vor allem die Akzeptanz durch andere und die Identifikation mit dem Unternehmen.

Bereits im Vorfeld der Stellenausschreibung sollte für Klarheit und Transparenz gesorgt werden. Bei der Beschreibung der zu besetzenden Funktion sind die fachlichen Anforderungen wichtig. Noch bedeutsamer sind jedoch soziale Merkmale und Eigenschaften, die der Kandidat aufweisen sollte, um zum Unternehmen zu passen. So sollte schon die Stellenausschreibung keinen Zweifel an der gewünschten Persönlichkeit lassen; und auch die Gespräche vor Vertragsabschluß sollten neben Aufgabenstellung und Zielsetzung ausführlich auf Arbeitsumgebung, Gepflogenheiten und besondere Merkmale des Unternehmens und seiner Mitarbeiter eingehen. Ehrlichkeit ist hier oberstes Gebot.

Ist der Vertrag unterschrieben, darf die Integration bereits beginnen. Speziell bei Top-Kräften der EDV-Branche können zwischen Vertragsabschluß und Arbeitsaufnahme mehrere Monate liegen. In dieser Zeit ist es sehr wichtig, dem neuen Mitarbeiter die Richtigkeit seiner Entscheidung zu dokumentieren und ihm zu vermitteln, daß "seine" neue Firma sich auf ihn freut und ihn erwartet. Hierfür eignen sich Kommunikationsmittel von der Einladung zum Stammtisch über die Hauszeitschrift bis zur Übersendung von Besprechungsprotokollen des zukünftig zu betreuenden Bereiches.

Bei über 80 Prozent aller Betroffenen fällt die Entscheidung zum vorzeitigen Ausscheiden am ersten Tag im neuen Unternehmen. Er kann deshalb kaum gewissenhaft genug vorbereitet werden.

Jeder "Neue" - vom Programmierer bis zum Marketing-Direktor - verspürt am ersten Tag Unsicherheit über das, was ihn erwartet. Ihm diese Unsicherheit zu nehmen und zu zeigen, daß er erwartet und willkommen ist, ist eine wichtige Kommunikationsaufgabe. Sie reicht vom Empfang mit Sekt über Begrüßung und Vorstellung bis zur Übergabe von Schlüssel, Visitenkarten und Büro. Eine Vase mit frischen Blumen am Arbeitsplatz sagt mehr als ein Händedruck.

Das Schlimmste, was dem neuen Mitarbeiter passieren kann, ist ein abwesender Verantwortlicher, ein Empfang, der von nichts weiß, mißtrauische Kollegen mit bissigen Bemerkungen, die den "Neuen" über seinen Aufgabenbereich ausfragen, und ein Notbüro im Archiv, weil die Einrichtung eines Arbeitsplatzes vergessen wurde. Danach bedarf es schon viel Engagements, um den Eindruck des ersten Tages zu verwischen.

Steht der erste Tag im Unternehmen vorwiegend unter dem Ziel sozialer Integration, beginnt danach die Phase der fachlichen Eingliederung. Hierfür existieren zahlreiche Modelle von der Betreuung durch einen Paten bis zum mehrmonatigen Einführungskurs. Wenn die Aufgabe anspruchsvoll genug ist, um nicht nach kurzer Einweisung sofort wahrgenommen werden zu können, ist die Methode "Ins Wasser werfen und schwimmen lassen" mit Sicherheit die ineffizienteste.

Hat der neue Mitarbeiter die Probezeit überstanden, ist es Aufgabe seiner Führungskraft, ihn in das Personal-Entwicklungssystem des Unternehmens einzugliedern. Damit dokumentiert das Unternehmen seine Bereitschaft zu langfristigem Engagement mit der Investition in die persönliche Entwicklung des Mitarbeiters.

Bei Auswahl und Eingliederung neuer Mitarbeiter hat die systematische Information und Kommunikation maßgeblichen Einfluß auf den langfristigen Erfolg. Der neue Mitarbeiter entwickelt sein Bild vom Unternehmen aus zahlreichen Einzelinformationen in Worten, Bildern, Formen und Verfahren. Widersprüche und Unklarheiten führen zu Unsicherheit und Enttäuschung ausgerechnet in einer Phase, die den Beginn eines neuen Lebensabschnittes markiert.

Ein neuer Mitarbeiter sollte deshalb genau und wahrheitsgemäß über sein neues Unternehmen informiert werden. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, daß er im Unternehmen bleibt und erfolgreich die ihm übertragenen Aufgaben erfüllt.

* Peter Steding ist Leiter des Instituts für systematische Marktkommunikation (ISM) in Lautertal bei Frankfurt

Zwölf Fragen für die erfolgreiche Eingliederung

Ist die Stellenausschreibung realistisch?

Wird der Bewerber über das soziale Umfeld informiert?

Hält der Chef die Verbindung mit dem Neuen aufrecht?

Hat der Chef die Einrichtung des Arbeitsplatzes veranlaßt?

Kennen alle Beteiligten den Starttermin des Neuen?

Wird der Neue an seinem ersten Arbeitstag erwartet?

Wird der Neue über ungeschriebene Gesetze informiert?

Hat der Chef die fachliche Einführung vorbereitet?

Hat der Neue einen persönlichen Ansprechpartner?

Stimmt der Chef regelmäßig Wissensstand und Ziele des Neuen ab?

Hat der Neue jemanden, mit dem er über seinen Chef sprechen kann?

Verabschieden Chef und Neuer einen Entwicklungsplan?