Verschiedene Zahlungssysteme warten in Deutschland auf ihren Einsatz

Die elektronische Geldbörse ist keine Zukunftsmusik

23.01.1998

Eine mit Unterstützung der Europäischen Kommission und des Bundeswirtschaftsministeriums erstellte Studie des Bad Homburger Beratungsunternehmens Intouch GmbH zeigt, daß hierzulande 26 Prozent der Verbraucher mit Online-Anschluß bereits im Internet einkaufen.

Viele Verbraucher sind also prinzipiell bereit, Geld über das globale Datennetz auszugeben. Sie schrecken allerdings davor zurück, ihre Kreditkarteninformationen mit den hierzulande relativ schwachen Verschlüsselungsstandards der Browser auf die Datenreise zu schicken. Daher steigt das Interesse an Online-Zahlungssystemen, die ein hohes Maß an Sicherheit, Anonymität und Benutzerfreundlichkeit gewährleisten. Sie sollen zudem die Bezahlung direkt von der Web-Site aus ermöglichen, ohne daß der Nutzer jedesmal aufs Neue sämtliche Daten eintippen müßte. Händler profitieren vor allem durch die Transparenz eines solchen Zahlungsvorgangs: Sie erhalten vor der Auslieferung ihrer Ware eine Zahlungsbestätigung.

Hierzulande haben mittlerweile vier Hersteller mit ihren Zahlungssystemen die Anwendungsreife erlangt, wie Untersuchungen von Intouch zeigen. Der Handlungsablauf ist bei den verschiedenen Methoden nahezu identisch: Immer sind Kunde, Händler und Zahlungssystembetreiber involviert.

Zu den Anbietern von digitalen Rechnungssystemen zählen die Gesellschaft für Zahlungssysteme mbH (GZS) aus Frankfurt am Main, Telecash Kommunikations-Service GmbH, Stuttgart, ein Joint-venture der IBM Deutschland GmbH und der Telekom AG, sowie die amerikanische Cybercash Inc., Reston. Alle drei bieten die Abwicklung von Kreditkartentransaktionen an und fungieren als Mittlerinstanz (Clearing-Stelle) zwischen Händler und Kunde. Cybercash ermöglicht zusätzlich Zahlungen mit der künstlichen Währungseinheit "cybercoins".

Das GZS-System unterscheidet sich von herkömmlichen Kreditkartentransaktionen durch die Verwendung des von Visa und Mastercard entwickelten Kommunikationsprotokolls SET (Secure Electronic Transaction). SET stellt nach heutigen Maßstäben die höchsten Anforderungen an die Sicherheit des Systems. Es garantiert über verschlüsselte Zertifikate die Au- thenzität der Nutzer, stellt die Integrität der übermittelten Nachrichten bei gleichzeitiger Wahrung der Anonymität sicher und ist plattformunabhängig.

Der Ablauf läßt sich wie folgt beschreiben: Der Kunde schickt dem Händler seine mit einem SET-Client verschlüsselte Bestellung und Kreditkartennummer.

Die SET-Software des Händlers erkennt die Bestellung, fügt sein eigenes "digitales Zertifikat" hinzu und schickt beides weiter an die GZS. Diese entschlüsselt die Daten und überprüft die Identität der Geschäftsparteien. Anschließend erteilt sie dem Händler online eine Zahlungsbestätigung und leitet im geschlossenen Banknetz den internen Zahlungsvorgang ein. Der Händler kann ohne Bedenken die bestellte Ware ausliefern. Die Zahlung wird dem Kreditkartenkonto des Käufers belastet. Anbieter von Online-Shops können die entsprechende Software von Herstellern wie IBM oder Verifone respektive über die GZS selbst beziehen und müssen sich dort registrieren lassen.

Anders als beim GZS-Verfahren brauchen Online-Käufer bei Telecash keine gesonderte Software auf ihren Rechnern zu installieren. Für jeden Bezahlvorgang wird ein einmaliges "Session-Wallet" - quasi eine elektronische Geldbörse - geladen. Dazu wird ein von der Stuttgarter Brokat Informationssysteme GmbH entwickeltes Java-Applet benutzt. Der Händler seinerseits benötigt einen speziellen Merchant-Server und muß sich bei Telecash registrieren lassen. Die Zahlungsinformationen des Kunden werden über den Merchant-Server an Telecash als Clearing-Stelle weitergeleitet, welche die Zahlung analog einer Zahlung an einem Point-of-Sales-(POS)-System autorisiert und ausführt. Telecash gewährleistet die Sicherheit durch Verschlüsselungsverfahren, nicht jedoch durch die Authentifizierung der Nutzer. Je nach erwartetem Transaktionsaufkommen kann sich der Händler bei Telecash für zwei Business-Modelle mit unterschiedlichen Einstiegstarifen und Transaktionskosten entscheiden. Neben den heute bereits möglichen Kreditkartenabrechnungen will Telecash Ende Februar auch eine digitale Spielart des Elektronischen Lastschriftverfahrens (ELV) anbieten. Für Transaktionen mit der Geldkarte, deren Chip bei der Bank mit einer bestimmten Summe aufgeladen wird, fehlt noch die Zulassung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA).

Die Dresdner Bank und die Sächsische Landesbank (Sachsen LB) favorisieren die Lösungen des amerikanischen Anbieters Cybercash. Ebenso wie GZS und Telecash ermöglicht Cybercash Kreditkartentransaktionen. Auch ein elektronisches Lastschriftverfahren namens Electronic Direct Debit (edd) ist bereits anwendungsbereit. In aller Munde sind jedoch die sogenannten cybercoins - ein Zwitter zwischen virtuellem Geld und digitalem Abrechnungssystem. Kunden und Händler richten gesonderte Konten ("cyberkonten") bei ihrer Bank ein, die von Cybercash in einer Datenbank verwaltet werden. Der Käufer lädt nun von seinem Konto cybercoins zu einem bestimmten Gegenwert in seine elektronische Geldbörse auf der Festplatte des Rechners. Bei einem Kaufvorgang prüft Cybercash die übermittelten Daten, gibt dem Händler eine Zahlungsbestätigung und belastet das cyberkonto des Kunden mit der Kaufsumme. Der Zahlungsvorgang ist nach erfolgter Bestätigung endgültig ("final") und besonders geeignet für sogenannte Micropayments, die Abrechung in kleinsten Stückelungen. Selbst eine einzelne Börseninformation könnte so beispielsweise punktgenau abgerechnet werden.

Noch einen Schritt weiter als GZS, Telecash und Cybercash ist als vierter Anbieter die Deutsche Bank mit ihrem E-Cash-Projekt gegangen. Hier gibt es keinen Mittler mehr zwischen Bank, Händler und Kunden. Letztere richten jeweils als Schattenkonto ein E-Cash-Depot bei der Bank ein, von dem vereinfacht gesagt virtuelle Münzen abgerufen oder darauf eingezahlt werden können. Die digitalen Münzen selbst garantieren bei diesem Verfahren den Gegenwert in Mark und die Authentifizierung der Nutzer. Händler und Kunde können so direkt miteinander abrechnen - der Umweg über eine Clearing-Stelle entfällt. Der Zahlungsvorgang ist final und daher ebenfalls besonders für Micropayments und digitale Waren geeignet. Einziger Wermutstropfen: Die Bundesbank gestattet bisher nur einen Pilotversuch, aus Angst, die Kontrolle über die Geldmenge zu verlieren. Offenbar vertrauen die Währungshüter auch den Deckungszusagen der Deutschen Bank nicht vollständig.

Anbieter von Online-Shops haben die Wahl. Ausschlaggebend dürften Verfügbarkeit und Konditionen sein, da alle Verfahren Vor- und Nachteile mit sich bringen. Für die GZS spricht die Sicherheit der SET-Zertifikate, für Telecash die Verfügbarkeit und Mobilität des Java-Wallets, für Cybercash die Flexibilität sowie für E-Cash die Unabhängigkeit von einer Clearing-Stelle. Nach der endgültigen Freigabe von SET im Laufe dieses Jahres wird allerdings das GZS-System an Gewicht gewinnen, falls die SET-Initiatoren Visa und Mastercard dieses Kommunikationsprotokoll für ihre Kreditkartentransaktionen zwingend vorschreiben.