Wenn's mit dem Kurs nicht so läuft

Die Dividende als Trostpflaster

11.04.2003
MÜNCHEN (CW) - SAP tut es schon lange, die Software AG in diesem Jahr nicht mehr, und Microsoft versucht es zum ersten Mal: Angesichts dümpelnder Aktienkurse gewinnt das Thema Dividende auch in der IT-Branche zunehmend an Aufmerksamkeit.

Dividenden seien etwas Altmodisches, schreibt Norbert Hellmann in der "Börsen Zeitung". Ein Ruhekissen für den misstrauischen Anleger, denn sie bieten die Aussicht auf eine kontinuierliche Zahlung. Angesichts der geschundenen Aktiendepots von Investoren lässt sich die Gewinnausschüttung auch als ein Trostpflaster für den Aktionär bezeichnen. War es zu Zeiten hoher Aktienkurse unter IT-Firmen eher verpönt, den Gewinn unwiederbringlich an die Anteilseigner auszuzahlen, statt in weiteres Wachstum zu investieren, scheint sich das Blatt nun zu drehen.

Prominentestes Beispiel unter den IT-Titeln dürfte Microsoft gewesen sein. Der Softwareriese wird erstmals in seiner Geschichte die Aktionäre am Firmenerfolg beteiligen und beendet damit gleichzeitig die immer wieder aufflammende Debatte um das Thema. Angesichts der auf mehr als 40 Milliarden Dollar angewachsenen Bargeldreserve war der Ruf nach einer Gewinnbeteiligung ständig lauter geworden.

Doch es sind nicht nur die Big Player, die diesen Schmusekurs mit ihren Anlegern einschlagen. Trotz der anhaltend schlechten wirtschaftlichen Situation taten sich in der gerade beendeten Berichtssaison für das abgelaufene Geschäftsjahr 2002 auch eine Reihe kleinerer IT-Firmen mit der Ankündigung von Dividendenzahlungen hervor. So meldete neben Firmen wie SAP, Intel oder IBM auch das Franchise-Unternehmen PC-Spezialist die Zahlung einer Dividende von 40 Cent je Aktie, der Softwarespezialist FJA wird der Hauptversammlung eine Erhöhung von 60 Cent im Vorjahr auf 70 Cent vorschlagen, und die Wesslinger Mensch und Maschine AG plant, ihre Ausschüttung um 25 Prozent auf 35 Cent zu erhöhen. Der österreichische Notebook-Hersteller Gericom will seinen Anlegern 80 Cent je Aktie überweisen, für Aktionäre des SAP-Dienstleisters Novasoft springen immerhin zehn Cent pro Anteilschein heraus. Auch die Gailsdorfer Bechtle AG wird erneut eine Dividende von 25 Cent bezahlen.

Neu dabei ist auch der Münchner Spezialist für Personal-Management-Lösungen Atoss Software, der auf der Hauptversammlung eine Entrichtung von 1,5 Euro je Aktie vorschlagen will und für die Zukunft eine Zahlung von 30 bis 50 Prozent des ausschüttungsfähigen Gewinns plant. Auch der ERP-Spezialist Soft M kündigte den Beginn einer "Dividendenkontinuität" an. Für das Geschäftsjahr 2002 soll die Treue der Aktionäre mit fünf Cent je Anteilschein belohnt werden.

Den Unternehmen fehlt wohl die Wachstumsfantasie

Warum die Unternehmen sich vermehrt zu einer Dividendenzahlung durchringen, bleibt offen. Ob eine Anlage in solche Aktien attraktiver wird, ebenfalls. Im Wesentlichen gibt es zwei Gründe für die Ausschüttung, erklärt Norbert Kretlow, Analyst von Independent Research. Zum einen die Berücksichtigung des Shareholder Value, der dem Investor eine höchstmögliche Rendite seiner Anlage verspricht. Dies kann allerdings auch so interpretiert werden, dass das Unternehmen davon ausgeht, zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit neuen Investitionen keine ausreichend hohen Renditen erzielen zu können. Im Klartext: Auch für IT-Firmen, bislang das klassische Wachstumssegment, zeichnet sich eine Marktsättigung ab. Der zweite Grund, warum Firmen ihre Aktionäre am Gewinn beteiligen, ist eher ein psychologischer. Die Dividende signalisiert, dass ein Unternehmen auch in schlechten Zeiten wie diesen Gewinne erwirtschaften kann. Allerdings wird auch umgekehrt ein Schuh daraus: Unternehmen, die einmal Dividenden ausgeschüttet haben, können leicht unter Druck geraten, sollten sie die Zahlung einstellen. (rs)