"Die diesjährige Orgatechnik wird sehr besucherfreundlich sein"

21.10.1988

Mit Hans Wilke, Direktor der Kölner Messe und Ausstellungs-GmbH, sprach CW-Redakteurin Beate Kneuse

* Herr Wilke, seit 1976 existiert die Orgatechnik der Neuzeit -bedingt durch die Entscheidung der Büromöbelbranche, Köln als neuen Messeplatz zu belegen. Wie haben Sie damals der Büromöbelindustrie Köln schmackhaft gemacht?

Schmackhaft ist nicht das richtige Wort. Es ist uns gelungen, unseren Partnern aus der Büromöbelindustrie ein gutes Konzept vorzulegen. Ein Konzept für eine erste gemeinsame Veranstaltung 1976, bei der die gesamte Bürowirtschaft vertreten war. Nicht einseitig - nicht nur Computer, nicht nur Möbel -, sondern die gesamte Bürowirtschaft. Und daraus hat sich die Orgatechnik entwickelt.

* Sie haben sicherlich mitverfolgt, was sich Anfang der 70er Jahre in Hannover abspielte.

Nun, das war ja kein Geheimnis. Die Büromöbelindustrie verließ nach vielen Querelen die Hannover-Messe und begab sich auf die Suche nach einem neuen Messeplatz. Man hat alle Messeplätze angeschrieben, und letztendlich bekamen wir den Zuschlag, eben weil wir ein gutes Konzept vorgelegt haben.

* Lag es nur am Konzept?

Nein. Es lag natürlich auch an den Standortvorteilen, die Köln hat. Wir liegen hier in einem sehr interessanten Zentrum. Ausschlaggebend war sicherlich auch das Ausstellungsgelände, das wir anzubieten hatten - ein modernes Messegelände mit einer hervorragenden Infrastruktur, die sich zudem immer weiter verbessert hat. Ich darf hier nur die Entwicklung im Hotelbereich erwähnen. Wir haben im Vergleich zur Orgatechnik 1986 bis heute etwa 18 000 Hotelzimmer mehr, und wenn 1990 die nächste Orgatechnik stattfindet, wird es noch einige hundert Zimmer mehr geben. All das spielt ja eine große Rolle.

* Das Konzept der Orgatechnik ist, Büromöbel, Büroausstattung, Organisationsmittel und Büromaschinen, sprich: Computer, in einem gemeinsamen Umfeld zu präsentieren.

So ist es. Dadurch grenzen wir uns sehr deutlich von unseren Kollegen ab, die anderenorts ähnliche Veranstaltungen durchführen. Wir zeigen das komplette Büro und nicht nur ein Segment davon. Die Orgatechnik ist keine Computermesse und zeigt dennoch Computer, sie ist keine Büromöbelmesse und zeigt dennoch Büromöbel, Organisationsmittel und dergleichen.

* Mit Beginn der 80er Jahre begann die DV-Branche, die Orgatechnik immer stärker zu frequentieren. Ging dies nicht zu Lasten der anderen Ausstellergruppen?

Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Es ist eine hervorragende Ergänzung für den Fachbesucher, der die Orgatechnik besucht, und wir freuen uns darüber, daß die DV-Branche nahezu komplett vertreten ist. Genauso wie wir uns freuen, daß die Büromöbel-branche komplett vertreten ist.

* Dennoch sagen Sie, Sie heben sich von den anderen Messeveranstaltungen ab. Wie paßt dies zusammen, wenn mehr als die Hälfte aller Aussteller der Informationstechnik angehören? Es gibt auch manchen Besucher, der kaum noch einen Unterschied sieht zwischen CeBIT Systems und Orgatechnik, weil sich überall das Anstellungsangebot verwässert.

Das Angebot hat sich doch nicht verwässert. Es hat sich vergrößert im Interesse der Branchen, im Interesse der Nachfrageseite. Ein Ausstellungsangebot verwässern heißt für mich die Aufnahme artfremder Artikel. Wären auf der Orgatechnik auf einmal Pelzmäntel zu sehen, dann wäre das Angebot verwässert. Es ist doch die vornehmste Aufgabe einer Messegesellschaft, das Ausstellungsangebot so komplett wie möglich zu gestalten. Und das haben wir getan - im Interesse der Nachfrageseite.

* Lassen Sie mich konkreter werden. Auf der Orgatechnik 1986 waren auch CAD/CAM-Aussteller vertreten. Diese Aussteller halte ich in einer Messe der Bürowirtschaft zum Beispiel für deplaziert, und die CAD/CAM-Aussteller sahen dies 1986 nicht anders. Sie fühlten sich fehl am Platz.

Ich finde es sehr fair, daß Sie 1986 sagen. Dies wird in diesem Jahr mit Sicherheit anders aussehen. Ich bin ganz anderer Meinung als Sie, daß CAD/CAM keinen Platz auf der Orgatechnik hat. Wenn die Besucherzielgruppen dafür da sind, dann müssen wir auch Sorge tragen, daß das Angebot hier komplett ist. Unser Anliegen wird es sein, CAD/CAM für 1990 weiter auszubauen.

* Obwohl nur knapp ein paar Tage danach jedesmal in München eine

Systec stattfindet, die ganz speziell diese Zielgruppe, nämlich die CAD/CAM/CIM-Experten anspricht?

Ich betone noch einmal: Wir haben diese Zielgruppe auf der Orgatechnik, und wir werden Sie künftig verstärkt umwerben.

* Was sind das für Leute, die sich auf der Orgatechnik CAD/CAM anschauen? Kommen diese Besucher gezielt nach Köln, um CAD/CAM zu sehen, oder sind das Leute, die sich für Büromöbel oder für neue PC-Anwendungen interessieren und dann auch einen Blick auf CAD/CAM-Systeme werfen?

Das werden wir nach der Orgatechnik wissen, wenn wir eine Besucherbefragung durchgeführt haben. Wir wollen ja selbst mehr Aufschluß bekommen über das Besucherverhalten oder besser gesagt über die Zusammensetzung des Besucherkreises und über das Interesse der Besucher. Wir fragen also ganz klar ab, für was sich die Besucher interessieren. Ich könnte mir vorstellen, aber das ist eine Spekulation, daß man sicherlich nicht gezielt wegen CAD/CAM nach Köln kommt, sondern unter anderem wegen dem C-Technik-Angebot.

* Aber Sie meinen, CAD/CAM gehört zur Vollständigkeit einer internationalen Büromesse, obwohl es eine rein technische Anwendung ist. Ich bin nicht überzeugt davon.

Darf ich Sie überzeugen, wenn die diesjährige Orgatechnik beendet ist, wenn wir genaue Angaben haben, wie viele Besucher sich für dieses Angebotssegment interessiert haben? Ich gehe davon aus, daß es eine entsprechende Anzahl sein wird. Wir werden uns bemühen, weiter CAD/CAM auszubauen und möglicherweise bereits 1990 im Rahmenprogramm auch Fachtagungen zu diesem Thema durchführen.

* Stichwort 1990: Sie haben sich zur diesjährigen Orgatechnik noch einmal um

10 000 Quadratmeter auf nunmehr 230 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche gesteigert. Damit ist die Flächenkapazität ihres Messegeländes erschöpft. Welche Möglichkeiten sehen Sie, in einem nahezu völlig ausgelasteten Messegelände neuen Platz zu schaffen?

Zum einen haben wir noch Belegungsreserven. Zum anderen sind für das nächste Jahr Investitionen für den Bau einer neuen Halle geplant. Wir werden eine Verbindungshalle von Halle 3 nach Halle 11 errichten. Diese stellt dann noch einmal 15 000 Quadratmeter zur Verfügung, so daß wir 1990 über eine Ausstellungsfläche von insgesamt 245 000 Quadratmeter verfügen können. Damit haben wir dann aber das Optimum erreicht. Größer darf es nicht werden, denn eine Messe muß immer zu schaffen sein. Darüber hinaus gibt es ganz normale Fluktuationen; Firmen bleiben zum Beispiel weg. Außerdem arbeiten wir nach dem Motto "Klasse statt Masse". Wir wägen sehr sorgfältig ab, wem wir Standangebote unterbreiten. Ich gehe deshalb davon aus, daß wir mit diesem Hallenraum bestens klarkommen.

* Sie sagten eben, sie wägen sehr sorgfältig ab...

Ja, wir achten sehr wohl darauf, was ein Unternehmen zeigt. Es gibt immer wieder Unternehmen, die artfremde Produkte auf der Orgatechnik anbieten möchten. Das aber wollen wir nicht - im Interesse der Branche und im Interesse der Orgatechnik. Deshalb ist die Orgatechnik auch von der Qualität der Aussteller her sehr hoch anzusiedeln.

* Noch einmal zurück zur Größe der Ausstellungsfläche. 1986 haben Sie erstmals das gesamte Messegelände für die Orgatechnik zur Verfügung gestellt. Damals schon mußten Sie sich das Attribut "Messe der langen Wege" gefallen lassen. Meinen Sie denn, daß eine so große Messe noch besucherfreundlich ist?

Diesen Vorwurf haben wir uns gefallen lassen, das ist richtig. Wir haben aber sofort reagiert. So gibt es in diesem Jahr eine klare Angebotsstruktur, indem wir die einzelnen Aussteller-gruppen in bestimmten Hallen konzentriert haben. Unterstützt wird dies durch die Informationssysteme, die wir kostenlos anbieten. An allen markanten Punkten haben wir Auskunftsstellen, in denen per Computer ausgedruckt wird, wo was zu finden ist, welches Angebot vorhanden ist, aber auch in welchem Umfeld es welches Angebot gibt. Die diesjährige Orgatechnik wird somit sehr besucher-freundlich sein - und nicht mehr die Orgatechnik der langen Wege.

* Vor allem im informationstechnischen Bereich gibt es ja noch ungeahnte Möglichkeiten. Es werden also auch in den nächsten Jahren noch mehr Aussteller aus dieser Branche nach Köln drängen, etablierte DV-Hersteller werden nach zusätzlichen und größeren Ständen rufen. Die Büromöbelbranche indes ist heute schon nahezu komplett auf der Orgatechnik vertreten. Fühlen Sie sich nicht unwohl bei dem Gedanken, daß die Informationstechnik derart übermächtig auf der Orgatechnik ist?

Keineswegs. Ich fühle mich sogar sehr wohl dabei. Eine solche Überlastigkeit ist doch kein Nachteil, das ergibt sich aus dem Angebot der beteiligten Industrien. Es gibt halt mehr Anbieter aus dem Bereich der Kommunikations- und Informationstechnik als aus der Büromöbelbranche. Das ist eine ganz normale Entwicklung und beunruhigt mich in keiner Weise.

* Eine ganz tolle Entwicklung angesichts der Tatsache, daß Sie 1978 und 1980 um die DV-Hersteller noch arg kämpfen mußten...

Wir haben unsere Aussteller durch eine gut funktionierende Orgatechnik überzeugt. Man hat festgestellt, daß unsere Arbeit Früchte getragen hat.

* Sie haben 1978 - als die Gruppe der DV-Aussteller noch sehr klein war - einmal gesagt, die DV ist eine Fachmesse in der Fachmesse. Würde das auch heute noch zutreffen?

Natürlich. Dies gilt für die DV-Aussteller, für die Büromöbel-Aussteller - für alle Aussteller, die eine in sich abgeschlossene Gruppe darstellen.

* Dann ist die Orgatechnik eine Fachmesse, in der drei Fachmessen vereint sind: die informations- und kommunikationstechnischen Anbieter, die Büromöbelhersteller und die Organisationsmittel-Aussteller.

Vergessen Sie die Ausstattung nicht. Doch man kann sicherlich sagen, daß die Orgatechnik aus drei in sich abgeschlossenen Komplexen besteht. Nur: Spekulieren Sie jetzt bloß nicht, daß wir deshalb möglicherweise Teilungsgedanken haben.

* Haben Sie keine?

Man soll nie nie sagen, aber in dem Fall sage ich es. Das kommt nicht in Frage. Die Bürowirtschaft bleibt ein in sich abgeschlossener Komplex - alles unter einem Dach. Unsere Philosophie ist die der Konzentration. Zersplitterung und Atomisierung ist nicht unser Geschäft.

* Herr Wilke, gehen wir noch einmal zurück in die 70er Jahre. Bevor die Büromöbelbranche geschlossen nach Köln kam, war die Orgatechnik eine Regional-Messe. Dieser regionale Charakter haftet der Orgatechnik auch heute noch an, die Internationalität, die Sie immer wieder hervorheben, wird angezweifelt...

Jeder kann sich hier in Köln davon überzeugen, daß die Orgatechnik den Anspruch einer internationalen Veranstaltung absolut erfüllt. Von etwas über 2100 Ausstellern kommen in diesem Jahr 32 Prozent aus dem Ausland; unter anderem aus Australien, Finnland, Frankreich, Griechenland und aus den USA. Es trifft ja zu, daß die Orgatechnik in früheren Jahren die Westdeutsche Bürofachausstellung war. Es trifft auch zu, daß ihr noch Ende der 70er Jahre der Mief der Regionalität anhaftete. Das ist heute nicht mehr der Fall. Die Orgatechnik ist heute eine wirklich internationale Büromesse.

* Wie wird die Orgatechnik der 90er Jahre aussehen?

Anders als die der 80er Jahre.

* Wie anders?

Die Aussteller bleiben in der Hauptsache die, die auch heute zur Orgatechnik kommen. Nur: Sie verändern ihre Produkte. In dem Maße aber, wie dies der Fall ist, verändert sich auch die Veranstaltung. Wir wiederum schaffen dafür die Rahmenbedingungen. Wir bauen neue Hallen, wir verändern Hallen; damit wird auch der optische Eindruck anders. Ich könnte mir zudem vorstellen, daß wir in den 90er Jahren auch ein breiter gefächertes Rahmenprogramm anbieten werden. Das muß nicht unbedingt wieder ein Orgatechnik-Kongreß sein. Aber Sie wissen ja selbst, daß gerade die DV-Branche sehr anwendungsorientiert ist, und deshalb gilt es, ein Mehr an Informationen zu vermitteln, als dies in Seminaren oder Fach-tagungen geschehen kann.

* Apropos Rahmenprogramm: Hat denn der Besucher bei diesem überaus umfangreichen Ausstellungsangebot überhaupt noch Zeit für theoretische Vorträge?

Ja, Sie haben schon recht: Das Rahmenprogramm darf niemals kopflastig werden. Die Aussteller sind auch daran interessiert, den Besucher in der Halle zu haben und nicht in irgendeinem Konferenzraum. Das ist auch der Grund, warum wir den Orgatechnik-Kongreß nicht wiederholt haben. Es gibt einige kleine Rahmen-veranstaltungen, die ziehen nicht zu viele Besucher aus den Hallen - und das wollen wir weiter fortsetzen. Bestes Beispiel: Zur Zeit sind Kreditkarten ein hochaktuelles Thema. Wir machen deshalb auf der diesjährigen Orgatechnik eine Sonderpräsentation Cards. In täglichen Workshops wird dort die Praxis des Plastikgeldes vorgestellt.

* So kann man sagen, daß Sie aktuelle Themen künftig vor allem in Form von Sonderpräsentationen auf der Orgatechnik behandeln werden.

Ja, denn wir wollen immer aktuell bleiben. Gerade in dieser Hinsicht kommt vor allem in den 90er Jahren bestimmt noch einiges auf uns zu. Ich kenne kaum eine Industrie, die so innovations--kräftig ist wie die auf der Orgatechnik vertretenen Branchen.